Er gab Nato Mitschuld an Ukraine-Krieg: Entsetzen über den Papst

Verteidigungsexpertin: „Der liebe Gott schaut fassungslos auf die Erde, während die Menschen in der Ukraine sterben.“

Papst Franziskus im Vatikan

Papst Franziskus im Vatikan

Foto: picture alliance / Stefano Spaziani
Von: Carl-Victor Wachs, Hans-Jörg Vehlewald, Julius Böhm, Albert Link, Lou Siebert, Nadja Aswad und Ralf Schuler

In der Theologie gilt der Papst als oberste Instanz, vielen Gläubigen gar als unfehlbar. Aber gilt das auch für die Politik?

► Franziskus (85), der am Donnerstag wegen einer Knie-Erkrankung erstmals öffentlich in einem Rollstuhl auftrat, steht wegen Äußerungen zum russischen Überfall auf die Ukraine in der Kritik. Auslöser: Ein Zeitungsinterview, in dem er der Nato eine Mitschuld am Kriegsausbruch gab, dem westlichen Verteidigungsbündnis „Bellen an der Tür zu Russland“ vorwarf.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen (56) reagiert empört: „Wenn der Papst sich auf das Feld der Politik begibt, ist er nicht unfehlbar.“ Um sich eine Meinung zu bilden, solle Franziskus „nicht nur nach Moskau reisen, sondern nach Riga, Vilnius oder Tallinn.“ Denn: Die kleinen baltischen Staaten hätten Putin nie provozieren wollen, sondern suchten schlicht Schutz vor ihm.

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Quelle: BILD

Sarkastisch reagierte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64) auf die bizarren Papst-Aussagen: „Erst heuchelt Putin Frömmigkeit mit Kerze in der Hand in der russisch-orthodoxen Osternacht, jetzt steht ihm auch noch der Vatikan bei. Bravo. Der liebe Gott schaut fassungslos auf die Erde, während die Menschen in der Ukraine sterben.“

Partei-Kollege und FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff (55) bleibt diplomatischer: „Wenn Papst Franziskus als Vermittler erfolgreich sein will, muss er entweder politisch neutral bleiben oder sich an die Seite der Schwachen stellen. Ich bin sicher, dass er das weiß und bei seinen nächsten Schritten berücksichtigen wird.“

Auch die Grünen-Politikerin Marieluise Beck (69) belässt es bei indirekter Kritik: „Die UN-Generalversammlung, also die Gemeinschaft der Völker, hat mit überwältigender Mehrheit Russlands Angriffskrieg verurteilt. Jede und jeder, der sich engagiert, hat die Verpflichtung zwischen Aggressor und angegriffenen Opfern eine klare Unterscheidung zu treffen.“

Deutlich wird der Politologe Prof. Maximilian Terhalle (48, London School Of Economics): „Es ist geradezu grotesk, der Nato auch nur einen Hauch einer Aggression gegen Russland zuzuschieben. Aufgerüstet hat in all den Jahren der Kreml, nicht die Nato und schon gar nicht Deutschland. Die Theorie, die der Papst offenbar glaubt, dass Russland eingezingelt wurde, ist völliger Unsinn“.

Erfolgs-Autor Wladimir Kaminer (54, „Russendisko“) vermutet, dass die Haltung des Argentiniers mit seinem Alter zu tun hat, sagt zu BILD: „Bei alten Menschen siegt der Pazifismus über die Logik.“ Putin sei es nie um die Nato gegangen: „Er hatte nie Angst vor dem Bündnis. Er benutzt die Ost-Erweiterung nur für sein Ziel: Machterhalt um jeden Preis, auch wenn er dafür Nachbarländer überfällt und Tausende Menschen ermordet.“

Erstaunlich: Alle BILD-Anfragen an deutsche Bischöfe, die Papst-Aussagen einzuordnen, blieben unbeantwortet. Keine Unterstützung also für Nato-Kritiker Franziskus.

Der deutsch-israelische Autor Ahmad Mansour (45) versteht den Vatikan-Kurs nicht, sagt zu BILD: „Es ist gerade keine gute Zeit für inhaltsleere Parolen nach dem Motto: ‚man muss Verständnis für beide Seiten haben‘.“

Linn Selle (35), Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland und Mitunterzeichnerin eines Offenen Briefs an den Kanzler, in dem Prominente weitere Waffen-Lieferungen für die Ukraine fordern, würdigt die Vermittlungsbemühungen des Papstes. ABER: „Er sollte sich an seine eigenen weisen Worte halten und nicht die Sprache der Politik wählen, zumal wenn sie inhaltlich falsch ist. Die Ost-Erweiterung der Nato war eine Entscheidung souveräner Staaten. Putins Russland ist der Aggressor. Die Ukraine braucht jetzt wirtschaftliche und militärische Hilfen und die Perspektive der EU-Mitgliedschaft.“

Der Grünen-Politiker und Religionswissenschaftler Volker Beck (61): „Der Papst entschuldigt mit seinem Schwadronieren den Aggressor. Die Rolle der Kirche sollte darin bestehen, Russland zur Beendigung der Kampfhandlungen zu bewegen.“

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