
Titel
Er klärte die Benzolformel auf:
August Kekulé von Stradonitz
Vor 100 Jahren, am
13. Juli 1896 starb in Bonn der deutsche Chemiker
Friedrich August Kekulé von Stradonitz (1829 bis 1896).
Schon zu Lebzeiten galt er als einer der führenden
Chemiker. Als Entdecker der Benzolformel und Begründer
einer neuer Struktur- und Bindungstheorie ist er in die
Chemiegeschichte eingegangen.
Am 7. September 1829 wurde Friedrich August
Kekulé in Darmstadt geboren. Nach Erreichen der Matura
galt sein Interesse zunächst dem Studium der
Architektur, das er 1847 in Gießen aufnahm. Doch schon
bald begeisterten ihn die Vorträge des hoch angesehenen
Justus von Liebig, der Gießen zu einem Mekka der
aufstrebenden Chemie und des pharmazeutisch-chemischen
Unterrichts gemacht hatte. Einige Jahre verbrachte
Kekulé in Liebigs Laboratorium; dort untersuchte er den
Weizenkern auf seine chemischen Bestandteile.
Nach der Promotion 1852 reiste Kekulé nach Paris, wo er
die Vorlesungen von Jean-Baptiste Dumas und Frédéric
Gerhardt hören konnte. Dies wurde für seinen Berufsweg
bedeutsam, da die französischen Chemiker eine andere als
die bisher vorherrschende chemische Bindungetheorie des
Berzelius vertraten. Der schwedische Chemiker Jöns Jacob
Berzelius hatte eine dualistische elektrochemische
Theorie aufgestellt, die noch in der Tradition Lavoisiers
stand. Gerhardt hatte versucht strukturell ähnliche
organische Stoffe in homologen Reihen zu ordnen. Nach
einem Aufenthalt in England, wo er die Ideen britischer
Chemiker kennenlernte, habilitierte sich Kekulé 1856 in
Heidelberg bei Robert Bunsen.
Zwei Jahre später wurde er nach Gent auf eine
Chemie-Professur berufen; 1867 übernahm er einen
Lehrstuhl an der preußischen Universität Bonn und wurde
Leiter des Chemischen Instituts. Seine wichtigsten
Arbeitsgebiete waren die Studien zur Begründung der
organischen oder Kohlenstoffchemie und parallel dazu der
Ausbau der chemischen Struktur- und Bindungstheorie. Bei
seinen Überlegungen ging der deutsche Chemiker stets von
der Bindungsfähigkeit des Kohlenstoffs aus, der ab 1858
als „vieratomig", das heißt vierwertig,
bekannt war. Kekulé integrierte wichtige Ideen anderer
Forscher - so die Valenzlehre von Edward Frankland - mit
eigenen Arbeiten. Die Annahme der Vierwertigkeit
ermöglichte es, eine zunächst linear gedachte
Kettenbildung der Kohlenstoffatome sowie eine
Variabilität ihrer Bindungsplätze oder Affinitäten zu
anderen Atomen zu formulieren. Mit diesem Konzept waren
die Grundlagen der neuen Strukturtheorie gelegt.
Die wohl wichtigste Einzelentdeckung Kekulé war jedoch
die Aufklärung der Benzolformel. Das Benzol war seit
1825 bekannt (entdeckt von Michael Faraday), und man
wußte bald, daß es aus sechs Kohlenstoff- und sechs
Wasserstoffatomen bestehen muß. Doch man konnte lange
keinen adäquaten chemischen Grundriß entwickeln. Erst
Kekulé gelang dies: Angeblich angeregt durch einen
nächtlichen Traum entwarf er die Ringformel, in der die
Kohlenstoffatome kreisförmig angeordnet und abwechselnd
ein- und zweiwertig miteinander verknüpft sind. Mit
diesem revolutionären Ansatz eröffnete Koku1é zugleich
einen neuen Weg, den Aufbau organischer Verbindungen zu
verstehen. Im Benzol lag für ihn der Schlüssel zum
Verständnis der aromatischen Kohlenwasserstoffe, die er
als dessen Abkömmlinge betrachtete. In der Folge konnten
tatsächlich die Strukturen zahlreicher verwandter
Substanzen wie Phenanthren, Anthracen oder Naphthalin
aufgeklärt werden.
Das neue Konzept wurde in der Fachwelt kontrovers
aufgenommen. Während vor allem anwendungsorientierte
Chemiker bald den Nutzen der Strukturlehre fr ihre
Forschungen erkannten, gab es von Seiten der theoretisch
orientierten Kollegen viel Kritik. Auf der Basis der
Ringformel wurden in der Folgezeit mehrere alternative
Konzepte vorgelegt; so wurde die prismatische
Alternativformel von Albert Ladenburg etliche Jahre
ernsthaft diskutiert. Doch auch Kekulé entwickelte seine
Idee weiter. Er postulierte ein Wechselspiel zwischen
ein- und zweiwertigen Bindungen in seiner Formel; das
Modell ging als „Kekulé‘sche
Oszillationsformeln" in die Diskussion ein und wurde
später bestätigt.
In den letzten Lebensjahren genoß Kekulé seine hohe
Reputation. Sein Unterricht zog viele Schüler an, von
denen etliche später selbst herausragende Leistungen
hervorbrachten; als prominentester sei Adolf von Baeyer
genannt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bildete
die Kekulé-Schule eine ansehnliche Forschergruppe. Mit
Recht kann ihr Gründer einen herausragenden Platz in der
Chemiegeschichte beanspruchen.
PZ-Titelbeitrag von Franz Kohl, Freiburg
© 1996 GOVI-Verlag
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