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Er klärte die Benzolformel auf: August Kekulé von Stradonitz

16.12.1996  00:00 Uhr

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Titel

  Govi-Verlag

Er klärte die Benzolformel auf:
August Kekulé von Stradonitz

Vor 100 Jahren, am 13. Juli 1896 starb in Bonn der deutsche Chemiker Friedrich August Kekulé von Stradonitz (1829 bis 1896). Schon zu Lebzeiten galt er als einer der führenden Chemiker. Als Entdecker der Benzolformel und Begründer einer neuer Struktur- und Bindungstheorie ist er in die Chemiegeschichte eingegangen.

Am 7. September 1829 wurde Friedrich August Kekulé in Darmstadt geboren. Nach Erreichen der Matura galt sein Interesse zunächst dem Studium der Architektur, das er 1847 in Gießen aufnahm. Doch schon bald begeisterten ihn die Vorträge des hoch angesehenen Justus von Liebig, der Gießen zu einem Mekka der aufstrebenden Chemie und des pharmazeutisch-chemischen Unterrichts gemacht hatte. Einige Jahre verbrachte Kekulé in Liebigs Laboratorium; dort untersuchte er den Weizenkern auf seine chemischen Bestandteile.

Nach der Promotion 1852 reiste Kekulé nach Paris, wo er die Vorlesungen von Jean-Baptiste Dumas und Frédéric Gerhardt hören konnte. Dies wurde für seinen Berufsweg bedeutsam, da die französischen Chemiker eine andere als die bisher vorherrschende chemische Bindungetheorie des Berzelius vertraten. Der schwedische Chemiker Jöns Jacob Berzelius hatte eine dualistische elektrochemische Theorie aufgestellt, die noch in der Tradition Lavoisiers stand. Gerhardt hatte versucht strukturell ähnliche organische Stoffe in homologen Reihen zu ordnen. Nach einem Aufenthalt in England, wo er die Ideen britischer Chemiker kennenlernte, habilitierte sich Kekulé 1856 in Heidelberg bei Robert Bunsen.

Zwei Jahre später wurde er nach Gent auf eine Chemie-Professur berufen; 1867 übernahm er einen Lehrstuhl an der preußischen Universität Bonn und wurde Leiter des Chemischen Instituts. Seine wichtigsten Arbeitsgebiete waren die Studien zur Begründung der organischen oder Kohlenstoffchemie und parallel dazu der Ausbau der chemischen Struktur- und Bindungstheorie. Bei seinen Überlegungen ging der deutsche Chemiker stets von der Bindungsfähigkeit des Kohlenstoffs aus, der ab 1858 als „vieratomig", das heißt vierwertig, bekannt war. Kekulé integrierte wichtige Ideen anderer Forscher - so die Valenzlehre von Edward Frankland - mit eigenen Arbeiten. Die Annahme der Vierwertigkeit ermöglichte es, eine zunächst linear gedachte Kettenbildung der Kohlenstoffatome sowie eine Variabilität ihrer Bindungsplätze oder Affinitäten zu anderen Atomen zu formulieren. Mit diesem Konzept waren die Grundlagen der neuen Strukturtheorie gelegt.

Die wohl wichtigste Einzelentdeckung Kekulé war jedoch die Aufklärung der Benzolformel. Das Benzol war seit 1825 bekannt (entdeckt von Michael Faraday), und man wußte bald, daß es aus sechs Kohlenstoff- und sechs Wasserstoffatomen bestehen muß. Doch man konnte lange keinen adäquaten chemischen Grundriß entwickeln. Erst Kekulé gelang dies: Angeblich angeregt durch einen nächtlichen Traum entwarf er die Ringformel, in der die Kohlenstoffatome kreisförmig angeordnet und abwechselnd ein- und zweiwertig miteinander verknüpft sind. Mit diesem revolutionären Ansatz eröffnete Koku1é zugleich einen neuen Weg, den Aufbau organischer Verbindungen zu verstehen. Im Benzol lag für ihn der Schlüssel zum Verständnis der aromatischen Kohlenwasserstoffe, die er als dessen Abkömmlinge betrachtete. In der Folge konnten tatsächlich die Strukturen zahlreicher verwandter Substanzen wie Phenanthren, Anthracen oder Naphthalin aufgeklärt werden.

Das neue Konzept wurde in der Fachwelt kontrovers aufgenommen. Während vor allem anwendungsorientierte Chemiker bald den Nutzen der Strukturlehre fr ihre Forschungen erkannten, gab es von Seiten der theoretisch orientierten Kollegen viel Kritik. Auf der Basis der Ringformel wurden in der Folgezeit mehrere alternative Konzepte vorgelegt; so wurde die prismatische Alternativformel von Albert Ladenburg etliche Jahre ernsthaft diskutiert. Doch auch Kekulé entwickelte seine Idee weiter. Er postulierte ein Wechselspiel zwischen ein- und zweiwertigen Bindungen in seiner Formel; das Modell ging als „Kekulé‘sche Oszillationsformeln" in die Diskussion ein und wurde später bestätigt.

In den letzten Lebensjahren genoß Kekulé seine hohe Reputation. Sein Unterricht zog viele Schüler an, von denen etliche später selbst herausragende Leistungen hervorbrachten; als prominentester sei Adolf von Baeyer genannt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bildete die Kekulé-Schule eine ansehnliche Forschergruppe. Mit Recht kann ihr Gründer einen herausragenden Platz in der Chemiegeschichte beanspruchen.

PZ-Titelbeitrag von Franz Kohl, Freiburg
   

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