Kassel (jur). Bezieher von Hartz IV dürfen nicht unter das lebensnotwendige Existenzminimum fallen, wenn sie eine Einkommensteuererstattung zur Dispo-Schuldentilgung verwenden. Da die einmalige Einnahme zur Tilgung der Schulden verbraucht worden sei, stehe das Geld nicht mehr als bereite Mittel zur Verfügung, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Dienstag, 8. September 2020, veröffentlichten Urteil (Az.: B 4 AS 9/20 R).

Nach dem seit 2017 geltenden Gesetz darf das Jobcenter dann das Arbeitslosengeld II zwar kürzen, muss aber ein zinsloses Darlehen zur Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums gewähren.

Hartz-IV-Empfänger glich mit Steuererstattung seine überzogenen Girokonten aus.

Ein Hartz-IV-Empfänger aus Herne, der sich in Elternzeit befindet, hatte geklagt. Im März 2016 hatte er eine Einkommenssteuererstattung von 2.382 Euro erhalten. Mit dieser Steuererstattung glich er seine zwei stark überzogenen Girokonten teilweise aus.

Vom Jobcenter Herne wurde das Geld vom Finanzamt als einmalige Einnahme bewertet, und über sechs Monate verteilt auf die Hartz-IV-Leistungen mindernd angerechnet. Das Geld des Finanzamtes habe zwar zur Tilgung der Schulden gedient, es sei aber nicht weg, argumentierte das Jobcenter. Der Hartz-IV-Empfänger könne seinen Dispokredit für seinen Lebensunterhalt ja erneut wieder ausschöpfen. Durch die Steuerrückzahlung sei bei dem Hartz-IV-Empfänger ein wertmäßiger Zuwachs entstanden. Dieser müsse beim Arbeitslosengeld II berücksichtigt werden.

Wie das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) gewährte auch das BSG dem Kläger ein höheres Arbeitslosengeld II - nach altem Recht sogar noch als Zuschuss. Grundsätzlich mindern erhaltene Einmalzahlungen das Arbeitslosengeld II ab dem folgenden Monat nach dem Zeitpunkt des Zuflusses. Einem Hartz-IV-Empfänger müsse eine Einmalzahlung aber auch als „bereite Mittel“ zur Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums zur Verfügung stehen, so das BSG in seinem Urteil vom 24. Juni 2020.

Jobcenter muss bei Kürzung der Leistung ein zinsloses Darlehen gewähren.

Dies sei hier nicht der Fall, da die Erstattung der Einkommensteuer sofort zur Tilgung der Schulden verwendet wurde. Der Kläger müsse sich vom Jobcenter nicht auf die Ausschöpfung des Dispo-Kredites verweisen lassen, um unter Zahlung hoher Zinsen das lebensnotwendige Existenzminimum decken zu können. Die Bank könnte außerdem verlangen, dass ein solcher Überziehungskredit zunehmend reduziert wird.

Nach den bis Ende 2016 geltenden Regelungen sei es daher ein Fehler des Jobcenters gewesen, das Arbeitslosengeld II zu kürzen, da die Einkommensteuererstattung dem Kläger nicht als bereite Mittel zur Verfügung stand.

Nach den seit 2017 geltenden Regelungen ist das Jobcenter nun berechtigt, das Arbeitslosengeld II auch dann zu kürzen, wenn die Einmalzahlungen verbraucht sind. Ein Hartz-IV-Empfänger muss jedoch nicht bei einer Bank oder Sparkasse ein Darlehen einschließlich Zinsen aufnehmen, um das Existenzminimum zu decken. Nach dem neuen Recht muss das Jobcenter in diesem Fall ein zinsloses Darlehen gewähren, das der Hilfebedürftige dann monatsweise abzahlen kann.

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