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RI XIV Maximilian I. (1486/1493-1519) - RI XIV,4,1

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KM an alle Kfsten, Fsten, Stände und Untertanen des Reiches: (1) Die Übel der Zeit und Gottes schreckliche Strafen mahnen zur Besserung, werden aber leider zu gering geachtet. Aufgrund folgender Erscheinungen sind noch schwerere Strafen zu befürchten: Während des Feldzuges gegen die Franzosen mahnte Gott KM durch einen etwa zwei Zentner schweren Stein1) (=Meteorit), der vor ihm auf einem Feld niedersauste und den KM in der Kirche des nahen Ensisheim aufhängen ließ, die Christenheit von ihrem sündigen Leben zu bekehren. Gott gab ihm damals auch Glück und Sieg zum Zeichen, daß KM sein Unternehmen gegen die frz. Krone forsetzen soll. KM hat diese göttliche Mahnung dann den Kfsten, Fsten und Ständen des Reiches eröffnet, damit sie ihm gegen die Feinde des Glaubens helfen, aber keine Zustimmung erlangen können. Darum hat Gott nun eine besondere Strafe in die Christenheit geschickt, nämlich die schwere Krankheit der beesen blatern (Syphilis), an der viele hundertausend Menschen sterben. - (2) Weil diese schreckliche Krankheit aber nicht für eine Strafe Gottes gehalten wurde, hat sich vor kurzem am Niederrhein tausenden Menschen eine weitere größere Gottesmahnung von pluott und totfarben creuzen seines hailigen leidens gezeigt. Deshalb hat KM zu Augsburg (1500) der Reichsversammlung und den (auswärtigen) Gesandtschaften erneut diese göttliche Mahnung und diese Wunderzeichen vorgehalten und Hile gegen die Ungläubigen und zur Abstellung aller weltlichen Übel gefordert, um die Christenheit vor den Ungläubigen zu erretten. - (3) Aber auch das half nichts, denn obwohl auf dem Augsburger Tag anfänglich alle Angelegenheiten der Christenheit und des Reiches trefflich erwogen wurden, säte letztlich der Böse (=Teufel) doch den Samen der Zwietracht, so daß Christenheit und Reich bis zum heutigen Tag uneinig sind und die Feinde des Glaubens wie des Reiches mehr denn je ihre Gewalt ausüben können. Ihnen nicht Widerstand zu leisten, wäre für KM und die christlichen Stände schmählich und am Jüngsten Tag für sie alle ein Hauptgrund zur Verdammnis sein. - (4) Um die christliche Welt und die Deutsche Nation zu bekehren, läßt Gott jetzt abermals die Kreuz- und anderen Zeichen seines heiligen Leidens, meist rot- und blutfarbig, an Leib, Kleidern und anderen Stellen von Männern, Frauen und Kindern in den hochdeutschen Ländern, vor allem in Schwaben und Franken, erscheinen, was viele glaubwürdige Augenzeugen berichten und auch KM selbst gesehen hat. - (5) Weil diese Zeichen mehr bei den Unschuldigen als bei den Schuldigen auftreten, glaubt KM, daß sie sich nicht allein wegen der Sünden der Deutschen Nation ereignen, sondern damit diese als mächtigste und vor allen anderen dazu berufene den Anfang im Kampf gegen die Ungläubigen macht, die Kreuzzugsfahne aufwirft und dadurch die anderen christlichen Nationen mitreißt. - (6) Von seiner Gemahlin, der Kgin (Bianca Maria), erfuhr KM, daß die hl. Anna einer heiligmäßigen Jungfrau2), die sechs Jahre keine natürliche Speise genossen hat, erschienen ist und ihr geboten hat, KM anzuzeigen, daß die Christenheit große Trübsal erleiden werde, wenn diese sich nicht zum Besseren bekehrt. Die hl. Anna hat auch Wallfahrten, Prozessionen, Gebete und andere Gottesdienste zur Versöhnung des göttlichen Zornes anbefohlen. - (7) KM dankt Gott, daß er ihn als oberstes weltliches Haupt (der Kirche) und die Deutsche Nation vor anderen in der Christenheit mit solchen Zeichen heimsucht; umso mehr fühlt sich KM veranlaßt, so bald wie möglich einen Kreuzzug gegen die Ungläubigen zu unternehmen, dafür Leib und Gut nicht zu schonen, im Reich und in seinen Erbländern nach bestem Vermögen Sünde und Unwesen abzustellen und von Stund an Wallfahrten, Prozessionen und andere Gottesdienste durchzuführen. - (8) KM ermahnt alle Glieder und Angehörigen des Reiches und der Christenheit bei ihrem Seelenheil und bei ihren Pflichten gegenüber Reich und Kirche, die göttlichen Wunderzeichen ernsthaft zu beherzigen und befiehlt allen, sich sofort zu rüsten, damit sie KM für den Zug, den er für die kommende Neujahrszeit (Jänner 1504) oder bald darauf nach Rom und von dort weiter gegen die Ungläubigen plant, unverzüglich Zuzug leisten können. - (9) Damit Gott diesem Unternehmen Glück und Sieg verleiht, sollen die Kfsten, Fsten etc. in ihren Ländern Sünde und Unwesen strengstens verbieten und die genannten Gottesdienste halten, wie dies KM in seinen Erbländern getan hat, um den Zorn Gottes zu besänftigen. - (10) Hg Wilhelm von Jülich-Berg, Fst Rudolf von Anhalt, Gf Eitelfriederich von Zollern, Gf Felix von Werdenberg, Frh Leonhard von Frauenberg (zum Haag) und Wolfgang Jörger erschienen vor KM und brachten ihm folgendes vor: Angesichts der Wunderzeichen und weil die Ungläubigen vor etlichen Jahren in Polen an die 50.000 Christen - darunter ca. 6.000 Frauen, Adels- und Wappengenossen -, in Ungarn, Kroatien und Friaul um 20.000 und im venezianischen Gebiet, in Dalmatien und in Morea ebenfalls etwa 20.000 Christen töteten oder verschleppten und zu ihrem bösen Glauben zwangen sowie mit dieser Tyrannei die Christenheit auch schwer beleidigten, haben die Obgenannten im Namen Gottes, des hl. Georg, KMs und aller christlichen Kge, Kfsten, Fsten und Adeligen eine Gesellschaft gegründet, deren Ordnung Wort für Wort folgt. KM als Oberhaupt der Christenheit möge diese Gesellschaft bewilligen und ihr Herr, Handhaber und Förderer sein. - (11) Im Hinblick auf das ritterliche Unternehmen sowie auf den Trost und Ansporn, der daraus für die ganze Christenheit erwächst, bewilligt KM diese Gesellschaft, will ihr Herr, Handhaber und Förderer sein und verleiht ihr den Titel die teurlich loblich Sanct Georgen Gesellschaft. - (12) KM ist bereit, in eigener Person mit dieser Gesellschaft gegen die Ungläubigen zu ziehen, Leib und Gut dafür einzusetzen und für alle Teilnehmer (am Kreuzzug) die Hälfte des Solds zu bezahlen, wie das in der beigeschlossenen Ordnung vorgesehen ist. - KM wünscht, daß sich alle Krieger, zu Roß oder zu Fuß, gleichfalls dieser Gesellschaft anschließen. In vnnser vnnd des Hl. Reichs stat Augspurg 12. Nouembris 1503, Röm. 18. Hung. 14. - KV: A.m.d.r. prop. - RENNER ss. Ordnung der St. Georgs-Gesellschaft: (1) Alle Mitglieder sollen sich selbst oder durch einen Notar in ein Buch einschreiben. - (2) Der Zug gegen die Ungläubigen soll ein Jahr dauern und jeder für den halben Sold selbst aufkommen. - (3) Die andere Hälfte des Soldes soll KM bezahlen. - Die eingeschriebenen Mitglieder sollen auf schriftliches Erfordern durch die Kommissare auf einen Quatember gegen obige Bezahlung bei KM erscheinen, der ihnen Hauptleute setzen und anordnen wird, was sie weiter tun sollen. - Die zuerst Ankommenden mögen den Zuzug der anderen bei KM abwarten, damit einhellig gehandelt wird. - (4) Wer seinen halben Sold nicht selbst aufbringen kann, soll seine Freunde und Gönner um Hilfe und Geld ersuchen. Das aufgenommene Geld ist bei den Kommissaren zu erlegen, die es ihrerseits bei den Welsern und Fuggern in Augsburg zur zeitgerechten Auszahlung hinterlegen werden: die Welser und Fugger haben nach Beginn des Zuges zu einer Quatember einem Reisigen 10 fl und einem Fußknecht 4 fl auszuzahlen, wo immer sich Reisige und Fußknechte befinden; für die korrekte Auszahlung garantiert KM. - (5) Einteilung des Kriegsvolkes in Fähnlein. - Verbrüderung der St. Georgs-Gesellschaft zur Erreichung ihres Zieles. - (6) KM und die vorgenannten Gründer der St. Georgs-Gesellschaft haben Gesandte zu vielen christlichen Kgen und fremden Nationen geschickt, um deren Beistand zu erlangen. - Die Christenheit mit Ausnahme der Kge von Frankreich und Spanien steht in guter Einigkeit zusammen; daher soll in Rom unter Vermittlung des Papstes und der christlichen Botschafter ein Friede zwischen diesen beiden Kgen ausgehandelt werden, damit auch das frz. und das span. Heer mitziehen. In vnnser vnd des Hl. Reichs stat Augspurg 12. Nouembris 1503, Röm. 18. Hung. 14.

Überlieferung/Literatur

ORG (Ppr, Druck, Aufdrucksiegel): München BayHSA, GSA, K schwarz 4192, fol. 203-207. - EDD: Datt, De pace publ., 214-217 (lat. Ausfertigung) und 217-221 (dt. Ausfertigung); Lünig, RA pars gen., cont. I/2, 141-145, Nrr 43 und 44; DuMont, Corps dipl., IV/1, 45 ff., 48; Müller, Reichstagsstaat Maximilian, 338-350; Frauenholz, Heerwesen 2, 2, II, 174 ff. (auszugsweise). - REG: Diederichs, Maximilian Publizist, 110, Nr 36; Riezler, Geschichte Baierns, III, 52, Nr 25 und 27. - LIT: Ulmann, Kaiser Maximilian I., II, 67 (Anm. 2), 92; Wiesflecker, Kaiser Maximilian I., III, 36 f.; Diederichs, Maximilian Publizist, 45 ff.; Vodosek, Maximilian 1503, 20, 127 f. - NB: 1) Vgl. D. Wuttke, Sebastian Brant und Maximilian I. Eine Studie zu Brants Donnerstein-Flugblatt des Jahres 1492. In: Die Humanisten in ihrer politischen und sozialen Umwelt, hg. v. O. Herding und R. Stupperich, Boppard 1976, 141-176 (=MittKommHumanismusforschung 3), 167 ff. - 2) Unter der im Stück genannten "heiligmäßigen Jungfrau" ist wohl Anna Lamalitlin zu verstehen, eine Hungerkünstlerin und Betrügerin aus Augsburg, die bei KM in Ansehen stand, dann aber von seiner Schwester Kunigunde, Hgin von Bayern, als Schwindlerin entlarvt, verbannt und schließlich in der Schweiz als Hexe hingerichtet wurde; dazu vgl. F. Kenner, Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol. In: JbKunsthistSamml 14 (1893), 37-186 und 15 (1894), 147-259, hier 253 f., Nr 158 (dort auch ein Bild).

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Empfohlene Zitierweise

RI XIV,4,1 n. 17881, in: Regesta Imperii Online,
URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1503-11-12_2_0_14_4_0_2154_17881
(Abgerufen am 28.03.2024).