12.10.2023

PRO ASYL und Flücht­lings­rä­te kom­men­tie­ren Vor­schlä­ge der Ministerpräsident*innenkonferenz, das ‚Abschie­bungs­ver­schlim­me­rungs­ge­setz‘ von Nan­cy Fae­ser und den dro­hen­den Schul­ter­schluss mit rech­ten Posi­tio­nen in einem „Deutsch­land­pakt“.

PRO ASYL und die Flücht­lings­rä­te der Bun­des­län­der kri­ti­sie­ren die aktu­el­len Vor­schlä­ge zur wei­te­ren Ent­rech­tung von Geflüch­te­ten scharf. Hier­zu gehört der Vor­stoß auf der heu­te begin­nen­den Ministerpräsident*innenkonferenz unter ande­rem die Bezahl­kar­te und die Arbeits­pflicht für Schutz­su­chen­de ein­zu­füh­ren. Begrün­det wird dies mit dem Ziel, die Zuzugs­zah­len von Geflüch­te­ten zu sen­ken, um die Kom­mu­nen zu entlasten.

“Wor­über spre­chen wir hier? Dass Men­schen ihr Leben ris­kie­ren, auf der Flucht gefol­tert und ver­ge­wal­tigt wer­den, nur weil sie in Deutsch­land vier­hun­dert Euro im Monat bekom­men wol­len? Und wenn es nun statt Bar­geld eine Bezahl­kar­te gibt, gehen sie lie­ber in Baschar al-Assads Gefäng­nis­se in Syri­en oder lie­fern sich der Tali­ban in Afgha­ni­stan aus? Uns feh­len die Wor­te über die­se unred­li­chen Vor­schlä­ge”, sagt Tareq Alaows, flücht­lings­po­li­ti­scher Spre­cher von PRO ASYL.

Mit einer Arbeits­pflicht wird das ras­sis­ti­sche Nar­ra­tiv von Schutz­su­chen­den, denen zu Unrecht unter­stellt wird, nicht arbei­ten zu wol­len, repro­du­ziert. Blan­ker Hohn, wenn man bedenkt, wie vie­le Geflüch­te­te in Deutsch­land mit einem Arbeits­ver­bot belegt wer­den. Wir sind ent­setzt über die­sen unmensch­li­chen Umgang mit Geflüch­te­ten und die rein von rechts domi­nier­te Migra­ti­ons­de­bat­te, die allein dem Auf­schwung anti­de­mo­kra­ti­scher Kräf­te dient und nichts mit tat­säch­li­chen Lösungs­an­sät­zen zu tun hat.

“Gebot der Stun­de ist es, schutz­su­chen­den Men­schen eine gleich­be­rech­ti­ge Teil­ha­be an der Gesell­schaft zu ermög­li­chen, das schafft zugleich Ent­las­tung in den Kom­mu­nen“, sagt Ulri­ke See­mann-Katz, Flücht­lings­rat Meck­len­burg-Vor­pom­mern e.V.

Zudem ist der Vor­schlag nicht mit Arti­kel 20 der EU-Auf­nah­me­richt­li­nie ver­ein­bar und auch Arti­kel 4 Absatz 2 der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on sta­tu­iert das Ver­bot von Zwangs- und Pflichtarbeit.

Nach dem Deba­kel in den Land­tags­wah­len in Hes­sen und Bay­ern für die Ampel-Par­tei­en leg­te nun Innen­mi­nis­te­rin Fae­ser einen Geset­zes­ent­wurf vor, der rechts­staat­lich höchst frag­wür­di­ge Ver­schär­fun­gen bei Abschie­bun­gen vor­sieht. Mehr und län­ge­re Haft, das Durch­su­chen von Woh­nun­gen und das Han­dy­aus­le­sen sind alles schwer­wie­gen­de Ein­grif­fe in Grund­rech­te, wobei auch die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit nicht gewahrt wird.

„Wir leh­nen schon die Prä­mis­se die­ses ‚Abschie­bungs­ver­schlim­me­rungs­ge­set­zes‘ ab, dass mehr Abschie­bun­gen das Mit­tel der Wahl sind, um die Kom­mu­nen zu unter­stüt­zen. Abschie­bun­gen sind schon heu­te oft bru­tal für die betrof­fe­nen Men­schen, das wird noch schlim­mer, wenn sie regel­mä­ßig über­fall­ar­tig und nachts pas­sie­ren. Auch ist jede zwei­te Abschie­bungs­haft rechts­wid­rig – die­ses Instru­ment jetzt noch aus­zu­bau­en wider­spricht jedem Ver­ständ­nis von Rechts­staat“, so See­mann-Katz, Flücht­lings­rat Meck­len­burg-Vor­pom­mern e.V.

Den Ver­bän­den ist der Geset­zes­ent­wurf am Mitt­woch mit Ver­öf­fent­li­chung auf der Home­page zur Kom­men­tie­rung zuge­lei­tet wor­den. Die Stel­lung­nah­me­frist von zwei Tagen zeigt, dass auch die­se Ein­bin­dung der Zivil­ge­sell­schaft zur Far­ce gewor­den ist.

Statt immer neu­er Abschre­ckungs­maß­nah­men, soll­ten sich die Ministerpräsident*innen den prag­ma­ti­schen Lösungs­vor­schlä­gen von zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen zuwen­den. Dazu gehö­ren zum Bei­spiel eine Pro-Kopf-Pau­scha­le für die Kom­mu­nen für jede auf­ge­nom­me­ne Per­son und die im Koali­ti­ons­ver­trag ver­spro­che­ne Auf­he­bung aller Arbeits­ver­bo­te. Auch die Auf­wei­chung restrik­ti­ver Geset­ze, die ver­hin­dern, dass Geflüch­te­te aus den ihnen zuge­wie­se­nen Unter­künf­ten aus­zie­hen kön­nen, wür­de Kom­mu­nen ent­las­ten. Nötig sind zudem der zügi­ge Aus­bau von Kita- und Schul­plät­zen und die Digi­ta­li­sie­rung der Behörden.

PRO ASYL und die Flücht­lings­rä­te der Län­der appel­lie­ren an alle Politiker*innen in Bund und Län­dern, sich an einem men­schen­recht­li­chen Kom­pass zu ori­en­tie­ren: “Stop­pen Sie die­se irr­wit­zi­gen Debat­ten! Und vor allem: Hören Sie auf, den rech­ten Dis­kus zu füh­ren, der Geflüch­te­te zu Sün­den­bö­cken für ver­fehl­te Sozi­al­po­li­tik macht.”

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