Augsburg - "Ich hoffe, dass Sie mir irgendwann verzeihen können", sagt der 20-jährige Michael Weinhold gleich zu Beginn des Prozesses vor dem Augsburger Landgericht. Er sitzt hinter eine schusssicheren Glaswand und blickt zu den Eltern der zwölfjährigen Vanessa Gilg. Die beiden senken bestürzt den Blick. In ihr Haus im bayerischen Gersthofen war er am 11. Februar 2002 eingedrungen. Und es war ihre Tochter, die er im Schlaf erstach.

Selten war in einem Mordprozess ein derart gleichmütiger Angeklagter zu erleben. Selten wurde die Geschichte eines Mordes von einem Täter so flott und ohne ein Zeichen von Anteilnahme abgespult: Es ist Rosenmontag. Weinhold feiert erst mit der Mutter und deren Lebensgefährten im Festzelt. Anschließend zieht er allein weiter. Mit einer Totenkopfmaske und einem schwarzen Umhang als Tod verkleidet. Er will einer Studentin Furcht einjagen und wird barsch zurück gewiesen. Dann entdeckt er das Licht im Fenster eines Einfamilienhauses; sieht zwei Kinder vor einem Fernseher. "Da habe ich gedacht, wenn es mit der Frau nicht geklappt hat, die beiden erschrecke ich mit Sicherheit." Das sei dann aber "leider alles schief gegangen". Bei solchen Sätzen weht ein Raunen durch den Gerichtssaal. Und sogar dem Pflichtverteidiger fällt es schwer, seinen Unmut zu verbergen. Warum es ihm nicht gereicht habe, Vanessa und ihren zehnjährigen Bruder Christoph durch das Fenster zu erschrecken, fragt er. "Warum mussten Sie unbedingt ins Haus?" "Die hätten doch gedacht: Uns kann nichts passieren", antwortet Weinhold. Der 20-Jährige wurde in Medienberichten als schlichtes Gemüt abgetan. Das ist er nicht. Jeder Satz, den er vorträgt, unterstreicht, "nicht absichtlich und keineswegs zielgerichtet" gehandelt zu haben. Das setzt sich mit der Mordwaffe fort. Vanessas Eltern sagen, sie hätten das Messer mit der 16 Zentimeter langen Klinge nie gesehen. Weinhold sagt: "Das Messer lag definitiv in der Küche der Familie Gilg." Ihm sei, als er das Haus betrat, "ein Spruch des Lebenspartners meiner Mutter eingefallen", versucht er das verstärken: Zum Sensenmann-Kostüm gehöre auch eine Sense. Und auch die Situation in Vanessas Zimmer stellt sich jetzt anders dar als bei ersten Vernehmungen. Da hatte er noch behauptet, das Mädchen habe auf der Seite gelegen und ihn nicht gesehen. Nach dem ersten Stich habe Vanessa "tief Luft geholt, aber nicht mehr schreien können". Jetzt sagt er, Vanessa habe doch geschrien. Und er habe "wegen der Eltern, die ja hätten kommen können", zugestochen. "Aus Angst. Mir ist die Sicherung durchgeknallt." Die Taktik scheint klar: Kein geplanter Mord um Horror-Fantasien auszuleben und sich als Herr über Leben und Tod aufzuspielen, sondern eine Tat im Affekt.