1. Nachrichten
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. Badewannen-Mord: Die Anwältin, die Manfred Genditzki befreite

Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit BUNTE.de
Regina Rick und der „Badewannen-Mord“: Sie schrieb Justizgeschichte: „Kollegen meinten: Lass die Finger von dem Fall“
  • Kommentare
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Verteidigering Regina Rick zum «Badewannen-Mord»
Sven Hoppe/dpa Manfred Genditzki (M) steht vor Prozessbeginn im Wiederaufnahmeverfahren um den sogenannten Badewannen-Mordfall zusammen mit seinen Anwälten Regina Rick (l) und Klaus Wittmann im Gerichtssaal.

Der Familienvater Manfred Genditzki saß mehr als 13 Jahre wegen Mordes im Gefängnis, obwohl er unschuldig war. Regina Rick holte ihn aus der Haft. Wer ist die Staranwältin, die Justizgeschichte schrieb?

von BUNTE Magazin

Der Beschuldigte erhebt sich von der Anklagebank. Er darf nun das letzte Wort in dieser Hauptverhandlung sprechen. Es geht um einen Mord, für den er in zwei Instanzen schon verurteilt wurde. Der Angeklagte blickt zu seiner Anwältin – und sagt:  Frau Rick – Sie sind einfach ein toller Mensch.“

Frau Rick - das ist Strafverteidigerin Regina Rick, 54, die in diesem Augenblick Justizgeschichte schreibt. Als wohl hartnäckigste Rechtsanwältin Deutschlands. Sie holt einen Mann aus dem Gefängnis, der unschuldig eingesperrt war – 13 Jahre, 23 Wochen und sechs Tage.

Opfer einer der größten Irrtürmer in der deutschen Justizgeschichte. Ohne SIE säße ER noch immer im Gefängnis. Zehn Jahre kämpfte die Strafverteidigerin für seine Freilassung. Überwiegend unentgeltlich.

„Ich war von seiner Unschuld immer überzeugt“

„Ich war von seiner Unschuld immer überzeugt“, sagt Regina Rick. „Und deshalb hat mich der Fall nie losgelassen.“

Im Mai 2010 verurteilt das Landgericht München den damals 49-jährigen Familienvater Manfred Genditzki wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Hausmeister die alte Dame nach einem Streit niedergeschlagen hat. Um die Tat zu vertuschen, habe er sie in der Badewanne ertränkt. Genditzki beteuert seine Unschuld. Doch auch in der zweiten Hauptverhandlung wird er verurteilt.

Dann nimmt sich „Frau Rick“ der Sache an. In einem anderen spektakulären Mordfall hatte sie gerade ein Wiederaufnahmeverfahren erreicht, das international Aufsehen erregte. Die Wiederaufnahme – das ist die Königsdisziplin im Strafrecht. Nur ganz selten wird Anträgen stattgegeben. „Frau Rick“ schafft das. Nun der Badewannen-Mord.

Gespräch mit der Star-Anwältin. Sie sagt: „Anwaltskollegen hatten mir dringend von diesem Fall abgeraten. Die meinten: Lass die Finger davon. Das wird nichts. Einer sagte: Schreib dem Genditzki, dass du ihm nicht helfen kannst.“

Rick entstammt bayerischer Akademiker-Familie

Sie nimmt den Fall an, obwohl ihr klar ist, dass sie mit diesem Mandanten kaum Geld verdienen wird. Genditzki hatte im Gefängnis Privatinsolvenz anmelden müssen, seine Familie würde sie nicht bezahlen können. 

Warum sie es dennoch tat? „Ich habe das Urteil gelesen und sofort gesehen, wie hanebüchen es war. Was Herrn Genditzki vorgeworfen wurde, hätte in der Kürze der angegebenen Tatzeit nicht mal ein russischer Auftragskiller geschafft. Ich war überzeugt, dass er die Tat niemals begangen haben kann. Und wenn ich von einer Sache überzeugt bin, ziehe ich das durch. Ich kann nur schlecht verlieren.“

Sie entstammt einer bayerischen Akademiker-Familie. Studiert nach dem Abitur eher zufällig Jura, weil sie nicht so richtig weiß, wohin ihr Weg ins Berufsleben führen soll. Bis das Strafrecht sie im ersten Referendariat fesselt. Nach dem Staatsexamen eröffnet sie gleich ihre eigene Kanzlei. 

Freunde beschreiben sie als temperamentvoll, mit kräftigem Humor und Vorliebe für Klartext. Eine Frau mit erkennbarer Lust am Leben. Liest in der Freizeit Krimis, liebt klassische Musik. Joggt mit ihrem Hund, zweimal die Woche Fitness-Studio.

Rick liefert neue Fakten zum „Badewannen-Mord“

Zieht sie aber die schwarze Robe an, ist sie ein anderer Mensch. Komplett unnachgiebig, knallhart in der Sache, kämpferisch bis zur Selbstaufgabe. „Wenn Regina Rick doch mal einen Schritt zurückgeht“, so ein Anwaltskollege, „dann nur, um Anlauf zu nehmen.“

Als sie mit dem zuständigen Staatsanwalt über den Wiederaufnahmeantrag spricht,  habe der sie nur verächtlich ausgelacht. Und ihr arrogant klarmachen wollen, dass sie sowieso keine Chance hat. Sie sagt sich: „So – und Du wirst jetzt verlieren.“

So geschieht es. Regina Rick liefert neue Fakten zum „Badewannen-Mord“. Eine Computersimulation zum Auffinden der Leiche. Und ein thermodynamisches Gutachten, das den genauen Todeszeitpunkt des Opfers bestimmt. Damit ist klar: Genditzki hat jetzt ein Alibi, er kann nicht der Täter sein. Und wird freigesprochen.

Der legendäre Hamburger Strafverteidiger Dr. Gerhard Strate – von Kollegen als Wiederaufnahme-Papst verehrt – sagt: „Noch nie hat die bayerische Justiz ein Lebenslänglich im Wege der Wiederaufnahme aufgehoben und durch einen Freispruch wegen erwiesener Unschuld ersetzt. Das ist eine historische Leistung, die allein der Beharrlichkeit meiner Kollegin Regina Rick zuzuschreiben ist. Sie bahnte der Wahrheit und der Freiheit den Weg.“

Oft wird sie gefragt, wie sie „solche Leute“ verteidigen kann

Sie hält Vorträge (u.a. zur Aussagepsychologie und Vernehmungstechnik), kämpft gegen den Deutschen Richterbund darum, dass Strafprozesse in Deutschland endlich protokolliert werden: „Sie sperren Menschen ein Leben lang ein, ohne dass ein Wort von Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung dokumentiert wird“, so die Strafverteidigerin.

„Selbst in Ländern, die nicht gerade bekannt für ihre Rechtstattlichkeit sind, wird die Hauptverhandlung protokolliert. Der Fall Genditzki sollte ein mahnendes Beispiel sein.“ 

Kapital-, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht sind ihre Fachgebiete. Aber auch das Sexualstrafrecht fordert sie immer wieder. Ihre Erfolgsquote bei Sexualdelikten -   sagt sie - liege bei 100 Prozent.

Oft wird sie gefragt, wie sie „solche Leute“ verteidigen kann. Sie entgegnet dann: „Wir leben in einem Rechtsstaat. In dem jeder, der dieser Staatsmacht gegenübersteht, das Recht auf Verteidigung hat.“ 

Staatsmacht?

„Es gibt auch für mich angenehme und unangenehme Mandanten“

Die Antwort kommt sofort: „Der Richter hat die Macht, einen Menschen lebenslang wegzusperren. Da kann man schon von Staatsmacht sprechen. Wenn es das Recht auf Verteidigung nicht gäbe, wären wir kein Rechtsstaat mehr. Es gibt auch für mich angenehme und unangenehme Mandanten. Aber ich mache mich nicht mit einem möglichen Straftäter oder einer Straftat gemein. Ich übe meinen Beruf aus.“ 

Mit dem Freispruch ist der Fall für Regina Rick noch nicht beendet. Jetzt geht es um die Haftentschädigung. 75 Euro pro Tag in Haft sieht der Gesetzgeber vor. Für Manfred Genditzki sind das 368 400 Euro für 4912 Tage, die er unschuldig im Gefängnis verbringen musste. 

„Damit werden wir uns aber ganz sicher nicht zufriedengeben“, sagt Regina Rick. Und zieht im Kampf um eine höhere Haftentschädigung in die nächste Schlacht.

Ihre Begründung: „Herr Genditzki konnte seine Familie nicht ernähren, er konnte keine Rentenversicherungsbeiträge einzahlen. Hinzu kommt der immaterielle Schaden: seine Kinder wuchsen ohne den Vater auf, der noch dazu als verurteilter Mörder galt“

„Der Beruf macht einen schon hart“

Vor dem Urteil sagte Regina Rick einen bemerkenswerten Satz: „Wenn ich nach über 20 Jahren Strafverteidigung noch ein Herz hätte, würde es manchmal brechen.“ 

Das muss sie erklären. Die Strafverteidigerin: „Dieser Beruf macht einen schon hart. Das liegt aber weniger an den Mandanten als an dem ständigen Kampf gegen die Strafjustiz.“

Wie urteilt sie über einen Rechtstaat, in dem Richter einen unschuldigen Menschen 14 Jahre einsperren? Regina Rick versöhnlich: „Es hat zwar lang gedauert, aber am Ende hat der Rechtstaat funktioniert.“

Weitere spannende Geschichten aus der Welt der Stars lest ihr im BUNTE Magazin 30/23, überall am Kiosk oder  hier als E-Paper erhältlich .

Das Original zu diesem Beitrag "Sie schrieb Justizgeschichte: „Kollegen meinten: Lass die Finger von dem Fall“" stammt von BUNTE.de.

Zum Thema
Ursula von der Leyen hat es schon wieder getan: Daten sind verschwunden

Helmut Markworts Tagebuch

Ursula von der Leyen hat es schon wieder getan: Daten sind verschwunden

Überall Diskriminierungsopfer? Atamans neuer Akt grüner Identitätspolitik

Analyse von Ulrich Reitz

Überall Diskriminierungsopfer? Atamans neuer Akt grüner Identitätspolitik

„Ich geh' heute nicht raus“, sagt die Berlinerin am Löwen-Wald

FOCUS online vor Ort

„Ich geh' heute nicht raus“, sagt die Berlinerin am Löwen-Wald

Kommentare
Teilen Sie Ihre Meinung
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit.
Teilen Sie Ihre Meinung
Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch
Staatsanwaltschaft fordert Freispruch im „Badewannen-Mord“

Angeklagter seit 13 Jahren im Gefängnis

Staatsanwaltschaft fordert Freispruch im „Badewannen-Mord“

Neuer Prozess um «Badewannen-Mord»

Justiz

Neuer Prozess um «Badewannen-Mord»