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Umkämpfte Ressourcen: Eine Seite aus dem ersten Band von „Radius“.

© Splitter

Cyberpunk-Comic: Bürgerkrieg in Neonfarben

Der erste Teil von Katrin Gals Cyberpunk-Saga „Radius“ kann zeichnerisch überzeugen, wirkt erzählerisch jedoch unausgereift.

Ein gespaltener Planet bildet den Schauplatz von Katrin Gals Comicdebüt „Radius“. Sein offen liegender Kern liefert Unmengen an Energie, um die sich die Bewohner der beiden Hemisphären streiten. Aus den Nachkommen einst gestrandeter Siedler hat sich auf Nova ein blondes Adelsgeschlecht entwickelt, das auf Avon diejenigen für sich schuften lässt, die nicht die gewünschten physischen Merkmale besitzen.

Als sich das Kräfteverhältnis zugunsten der Untertanen verschiebt, soll ein Virus die Sache wieder ins Lot bringen. Doch der Plan geht nach hinten los, nachdem einige der Geknechteten unter dem Einfluss des Kampfstoffs mutieren. Als Cyborgs wiedergeboren werden sie zu den Anführern einer Rebellion.

Für ihre auf vier Teile angelegte Serie hat die hessische Illustratorin unzählige Science-Fiction-Motive aufgesogen und zu einem komplexen Ensemble zusammengefügt. Allerdings muss der erste Band „Rebellion“ (Splitter, 96 S., 19,80 €) so viel Vorgeschichte erzählen und Hintergrundinformationen liefern, dass er kaum aus den Startlöchern kommt.

Gestelzte Dialoge, unterentwickelte Figuren

Rund ein Viertel des Comics dient der Exposition und besteht aus einer dürftig motivierten Rückblende. Darauf folgt der eigentliche Einstieg in die Handlung, ein Angriff der Avon-Rebellen auf Nova. Er wird zuerst aus Sicht der Cyborgs geschildert und anschließend aus der einer gegnerischen Spezialeinheit, den Hellhounds.

Gal gestaltet das Verhältnis der Kontrahenten ambivalent; es ist keineswegs klar, wer hier die besseren Absichten verfolgt. Ansonsten geht der Comic erzählerisch eher holprig vor. Neben den gestelzten Dialogen fallen insbesondere die unterentwickelten Figuren auf. Selbst außerhalb ihrer Kampfanzüge wirken die Haudegen der Hellhounds so austauschbar wie die greisen Forscher und zwielichtigen Hintermänner, die Gals Welt ebenfalls bevölkern.

Kaum besser ergeht es den Charakteren auf Seiten der Rebellion. Aufgrund ihrer modifizierten Körper kann man sie immerhin schwer verwechseln – allen voran die mit Tentakelarmen ausgestattete Akraia, die am stärksten heraussticht.

Das Titelbild des ersten Bandes von „Radius“.
Das Titelbild des ersten Bandes von „Radius“.

© Splitter

Katrin Gals Stärke liegt zweifellos in den Zeichnungen, deren Cyberpunk-Ästhetik nicht von ungefähr an Klassiker des Genres aus den 90ern erinnert. Metallene Oberflächen erstrahlen in violetten und grünen Neon-Tönen. Davor defilieren Frauen mit Irokesenschnitt in hautengen Anzügen und ganz in Schwarz gehüllte Männer.

Gerade in den wuchtigen Actionszenen entwickelt Gal ein Gespür für Rhythmus und Seitenkomposition, die „Rebellion“ zum kurzweiligen Vergnügen werden lassen.

Insgesamt fehlt jedoch die Balance zwischen dem visuellen Spektakel und dem Erzählerischen. Es steckt viel drin in diesem ersten Band von „Radius“; man kann nur hoffen, dass sich die Autorin in den folgenden Teilen (der zweite ist für Frühjahr 2020 geplant) mehr Zeit für ihre Geschichte und vor allem ihre Figuren nimmt.

Jeff Thoss

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