Langzeitfolgen von COVID-19: Sozialrechtliche Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten

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Die andauernden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie stellen viele Betroffene vor komplexe gesundheitliche und rechtliche Herausforderungen. Als Fachanwalt für Sozialrecht möchte ich Ihnen einen Einblick in die rechtlichen Aspekte der Langzeitfolgen von COVID-19 gewähren und Wege aufzeigen, wie Sie Ihre Rechte wahrnehmen können.

Verständnis der Terminologie und Symptomatik

Zunächst ist es wichtig, die relevanten Begriffe zu differenzieren:

Long-COVID umfasst gesundheitliche Beeinträchtigungen, die über einen Zeitraum von mehr als vier Wochen nach einer COVID-19-Infektion persistieren oder neu auftreten.

Post-COVID bezeichnet bei Erwachsenen Symptome, die länger als zwölf Wochen andauern oder sich neu manifestieren und nicht durch alternative Diagnosen erklärbar sind.

Das Spektrum der Symptome ist breit gefächert und kann unter anderem folgende Aspekte umfassen:

  • Chronische Erschöpfung (Fatigue) und verminderte Belastbarkeit
  • Kognitive Defizite wie Konzentrationsstörungen und Gedächtnisbeeinträchtigungen
  • Kardiovaskuläre Komplikationen
  • Respiratorische Beschwerden
  • Diverse Schmerzsyndrome
  • Sensorische Dysfunktionen
  • Psychische Belastungen

Die individuelle Ausprägung und Kombination dieser Symptome kann erheblich variieren und stellt Betroffene vor unterschiedliche Herausforderungen im Alltag und Berufsleben.

Relevante sozialrechtliche Ansprüche

Für Personen, die unter den Langzeitfolgen von COVID-19 leiden, können verschiedene sozialrechtliche Bereiche von Bedeutung sein:

Krankengeldanspruch bei Arbeitsunfähigkeit

Bei durch Long-COVID bedingter Arbeitsunfähigkeit besteht ggf. ein Anspruch auf Krankengeld. Nach der initialen sechswöchigen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber übernimmt die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes. Es ist zu beachten, dass der Anspruch auf 78 Wochen innerhalb eines Dreijahreszeitraums für dieselbe Erkrankung limitiert ist.

Rehabilitative Maßnahmen

Die Deutsche Rentenversicherung hat spezifische Rehabilitationskonzepte für Post-COVID-Patienten entwickelt. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Leistungsfähigkeit zu regenerieren und eine Wiedereingliederung ins Berufsleben zu ermöglichen. Die Inanspruchnahme solcher Leistungen kann für die Genesung und berufliche Reintegration von großer Bedeutung sein.

Erwerbsminderungsrente als Option

Eine Erwerbsminderungsrente kann in Betracht gezogen werden, wenn die Arbeitsfähigkeit auf weniger als sechs Stunden täglich reduziert ist. Die Beurteilung basiert auf der Leistungsfähigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht auf dem spezifischen Beruf des Betroffenen. Bei Post-COVID kann die Beurteilung aufgrund der Fluktuation der Symptome komplex sein und erfordert eine sorgfältige medizinische Dokumentation.

Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)

Betroffene können die Feststellung eines GdB beantragen. Der GdB wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 ermittelt, wobei ab einem GdB von 50 eine Schwerbehinderung vorliegt. Die Feststellung kann verschiedene Nachteilsausgleiche wie steuerliche Vergünstigungen, einen erhöhten Kündigungsschutz oder einen früheren/günstigeren Eintritt in die Altersrente mit sich bringen.

Einstufung in einen Pflegegrad

Bei erheblichen Einschränkungen der Selbstständigkeit kann ein Antrag auf Feststellung eines Pflegegrades gestellt werden. Die Einstufung erfolgt anhand des Neuen Begutachtungsassessments (NBA), das verschiedene Lebensbereiche berücksichtigt. Auch bei einem niedrigen Pflegegrad können Leistungen wie Pflegehilfsmittel oder Entlastungsbeträge in Anspruch genommen werden.

Anerkennung als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit

Unter spezifischen Umständen kann eine COVID-19-Infektion als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit anerkannt werden. Dies ist besonders relevant für Beschäftigte im Gesundheitswesen oder in anderen Bereichen mit erhöhtem Infektionsrisiko. Die Anerkennung kann Ansprüche auf erweiterte Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung begründen.

Herausforderungen und Chancen in der Rechtsdurchsetzung

Die Anerkennung von Long-COVID als Grundlage für sozialrechtliche Leistungen kann mit Hindernissen verbunden sein. Häufig erfolgen Ablehnungen aufgrund unzureichender medizinischer Dokumentation oder Unsicherheiten bezüglich der diagnostischen Kriterien. Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es ermutigende Entwicklungen:

  • Zunehmendes Bewusstsein für Long-COVID in der medizinischen Fachwelt und der Öffentlichkeit
  • Intensive Forschungsbemühungen zum besseren Verständnis der Erkrankung
  • Erste richtungsweisende Gerichtsurteile, die die Rechte der Betroffenen stärken
  • Fortschreitende Etablierung interdisziplinärer Ansätze in Diagnostik und Therapie

Praktische Handlungsempfehlungen für Betroffene

  1. Führen Sie ein detailliertes Symptomtagebuch zur Dokumentation des Krankheitsverlaufs.
  2. Konsultieren Sie - wenn möglich - Ärzte mit spezifischer Expertise im Bereich Long-COVID.
  3. Informieren Sie sich umfassend über Ihre rechtlichen Möglichkeiten und Ansprüche.
  4. Nutzen Sie den Erfahrungsaustausch in Selbsthilfegruppen.
  5. Ziehen Sie bei komplexen Fällen frühzeitig rechtlichen Beistand hinzu.
  6. Bleiben Sie in Kontakt mit Ihrem Arbeitgeber und eruieren Sie Möglichkeiten der stufenweisen Wiedereingliederung.
  7. Nutzen Sie Angebote zur psychologischen Unterstützung, um die mentale Belastung zu bewältigen.

Die Langzeitfolgen von COVID-19 können multiple Lebensbereiche beeinträchtigen und stellen Betroffene vor erhebliche Herausforderungen. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Rechte kennen und die verfügbaren Unterstützungsmöglichkeiten ausschöpfen. Der Prozess der Anerkennung von Leistungsansprüchen erfordert oft Ausdauer und Geduld. Lassen Sie sich von Rückschlägen und Ablehnungen der Behörden nicht entmutigen, sondern bleiben Sie beharrlich in der Verfolgung Ihrer berechtigten Ansprüche.

Bedenken Sie: Sie stehen in diesem Prozess nicht allein. Es existiert ein wachsendes Netzwerk von Betroffenen, medizinischen Fachkräften, Forschern und Unterstützern, die sich für die Belange von Long-COVID-Patienten einsetzen. Nutzen Sie diese Ressourcen und bewahren Sie eine hoffnungsvolle Perspektive. Mit adäquater Unterstützung und Ihrem persönlichen Engagement können Sie trotz der Herausforderungen von Long-COVID eine positive Zukunftsperspektive entwickeln.

Bei der Durchsetzung sozialrechtlicher Ansprüche sollten Sie sich die Unterstützung eines erfahrenen Fachanwalts für Sozialrecht sichern. Damit sorgen Sie nicht nur für bestmögliche juristische Vertretung, sondern auch für spürbare Entlastung. 

Hinweis: Die in diesem Artikel bereitgestellten Informationen dienen ausschließlich der allgemeinen Orientierung und ersetzen keine individuelle rechtliche oder medizinische Beratung. Trotz sorgfältiger Recherche und regelmäßiger Aktualisierung kann keine Gewähr für die absolute Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Informationen übernommen werden. Rechtliche Rahmenbedingungen können Änderungen unterliegen, und jeder Fall erfordert eine individuelle Betrachtung. Für verbindliche Auskünfte und eine umfassende Beratung empfiehlt es sich, einen Fachanwalt für Sozialrecht zu konsultieren. Für medizinische Beurteilungen und Therapieentscheidungen wenden Sie sich bitte an Ihren behandelnden Arzt.

Foto(s): Alexander Grotha ©Adobe Stock/carballo


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