Es lag in der Luft – und nun ist es geschehen: Ein Intellektueller von Rang hat sich zu Wort gemeldet und das europäische Projekt für beendet erklärt. Das alte Europa, verkündet der italienische Philosoph Giorgio Agamben in der Libération, sei im Begriff, sich selbst zu "sprengen", nun müsse ein neues Europa gegründet werden, diesmal nicht unter deutscher, sondern unter französischer Führung. In Europa, so träumt Agamben, möge ein lateinisches Reich entstehen, getragen von den alten Mächten Frankreich, Italien und Spanien. In seiner Fantasie hat "L’Empire Latin" all das, was dem heutigen, von Deutschland beherrschten Europa fehlt. Es hat Kultur, es hat Sprache und Lebensform. Agambens Artikel trägt die Überschrift: Que l’Empire latin contre-attaque! (Das lateinische Reich soll einen Gegenangriff starten), und er fällt in Frankreich in eine seltsame Kulturkampfstimmung: Jüngst beschwerte sich das Magazin Marianne über die kulturelle Vorherrschaft der Deutschen, ausgerechnet aus Anlass einer Louvre-Ausstellung, die sich, durchaus provozierend, dem Sonderweg der deutschen Kunst widmet (Zeit Nr. 15/13).
Europa: Gegen Deutschland?
Frankreich diskutiert ein Pamphlet des Philosophen Giorgio Agamben: Der Süden soll sich unter der Führung Frankreichs zur Wehr setzen.