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Streit um Moscheebau in Wuppertal: Für den NRW-Verfassungschutz ist die DITIB eine türkische Einflussorganisation

AZ Wuppertal Foto: Laurin


In Wuppertal soll nun ein Bürgerbegehren den Bau einer DITIB-Moschee verhindern und den Abriss des Autonomen Zentrums verhindern. Es könnte die Gentrifizierungsträume der Lokalpolitiker beenden.

Spielhalle reiht sich an Spielhalle. Ab und an ein Gemüseladen oder ein Reisebüro: Wer die laute und verkehrsreiche Gathe zur Innenstadt von Wuppertal-Elberfeld hinunterfährt, kommt nur wenige Hundert Meter vom Von der Heydt-Museum und vom Botanischen Garten der Stadt entfernt durch ein ärmliches Viertel. Geht es nach dem Willen der Stadt soll, sich das bald ändern. Die „Türkische Islamische Gemeinde zu Wuppertal-Elberfeld e.V.“, schon heute im Viertel ansässig, will hier ein Gemeindezentrum mit Moschee errichten.

In einer bunt bebilderten Machbarkeitsstudie stellt der Verein, der zur „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.“ (DITIB) gehört, seine Pläne vor: Neben der Moschee sollen ein Wohnhaus, ein Gewerbe- und Bürogebäude sowie ein Vereinshaus und ein Kindergarten entstehen. Der Wuppertaler Rat unterstützt mehrheitlich die Pläne. Am 6. März wurde mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und FDP ein Beschluss mit dem Ziel gefasst, bis 2024 einen Bebauungsplan für das Areal aufzustellen. Redner der vier Parteien lobten die jahrelange gute Zusammenarbeit der Stadt mit dem Moscheeverein und sahen in dem Projekt die Möglichkeit, den Stadtteil aufzuwerten. Doch der Beschluss des Rates stößt auf Widerstand: Das Bündnis „Gathe für alle“ hat ein Bürgerbegehren gegen den Zielbeschluss des Rates angemeldet. Man wolle nicht zulassen, heißt es in einer Erklärung, „dass das Autonome Zentrum (AZ), das im April 2023 das 50-jährige Bestehen feiern kann, ausgerechnet für eine DITIB-Moschee und für weitere DITIB-Einrichtungen abgerissen werden soll.“ Denn das AZ liegt am Rand des Geländes, auf dem die Baupläne verwirklicht werden sollen. Dort ist man von den Plänen des DITIB-Vereins ebenfalls nicht begeistert: „Wenn die Pläne des Moscheevereins und der Stadt umgesetzt werden, werden hier die Mieten steigen und auch viele der kleinen Geschäfte verschwinden. Es geht um Gentrifizierung. Und natürlich sieht die Stadt auch eine gute Möglichkeit, das AZ loszuwerden“, sagt Marie vom AZ. Marie ist nicht ihr richtiger Name, den möchte sie nicht nennen. Das AZ gibt es an der Gathe seit 1990. Es ist der wichtigste Treffpunkt der linksradikalen, autonomen Szene der Stadt. Hier finden aber auch Gedenkveranstaltungen zum Genozid an den Armeniern statt, werden Filme gezeigt und Partys gefeiert. Die Stadt will das AZ auf dem Papier erhalten und neue Räume anbieten, doch Marie hat noch kein Angebot gesehen. „Wir haben weder prinzipiell etwas gegen den Bau einer Moschee noch gegen die Gläubigen, aber wir haben ein großes Problem mit der DITIB. “

Dafür gibt es gute Gründe, sagt Volker Beck, ehemaliger Bundestagabgeordneter der Grünen und heute Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum: „Die DITIB ist eine schlafende Struktur, die von Erdogan und dem türkischen Staat jederzeit aktiviert werden kann. 2016 war sie ein Spionagenetzwerk, jetzt ist sie eine Wahlkampfmaschine von Erdogans Partei AKP und kann jederzeit gegen die politischen Gegner Erdogans, seien es Kurden, seien es Anhänger der Oppositionsparteien, genutzt werden.“

Denn maßgeblich gesteuert wird die DITIB, die nach eigenen Angaben über 960 Moscheevereine vertreten, aus der türkischen Hauptstadt Ankara. Sie untersteht dem Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) und damit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Vorsitzender des in Köln ansässigen Bundesverbandes der DITIB ist Muharrem Kuzey, im Hauptberuf Attaché für religiöse Angelegenheiten. In der Vergangenheit fielen Moscheevereine, die zur DITIB gehörten, teilweise durch Wahlkampfveranstaltungen für Erdogan, Hetze gegen Juden und Armenier und das Ausspionieren von türkischstämmigen Oppositionellen auf.

Nachdem im Januar der Historiker Mehmet Işık in der Gemeinde in Wuppertal-Elberfeld auftrat, warf der Politikwissenschaftler Ismail Küpeli diesem vor, seine Bücher seien „geprägt von Antisemitismus, antiarmenischen Rassismus und Verschwörungsdenken.“

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz teilt auf Anfrage mit, er habe die Entwicklungen der DITIB – insbesondere hinsichtlich eventueller antisemitischer oder extremistischer Ausprägungen – fortwährend im Blick.

Unabhängig davon bewerte der Spionageabwehrverbund die DITIB nach wie vor als türkische Einflussorganisation, die der türkischen Regierung die Möglichkeit gibt, über ihre Strukturen auf die türkeistämmige Diaspora in Deutschland einzuwirken: „Aufgrund ihrer finanziellen, ideologischen und strukturellen Anbindung an die Diyanet kann sich die DITIB der Einflussnahme der türkischen Regierung im Ergebnis nicht verwehren. Als aktuelle Beispiele hierfür können die Nutzung von DITIB-Strukturen für die AKP-Wahlkampagne sowie die Wahl des neuen Bundesvorstands am 26. Februar 2023 nach den Vorgaben der Diyanet dienen.“

In Nordrhein-Westfalen bestünden teils intensive personelle Verflechtungen zwischen dem Bundesverband der DITIB sowie dem NRW-Landesverband und den vier Regionalverbänden Köln, Düsseldorf, Essen und Münster: „Eine Unabhängigkeit des Landesverbands NRW vom Bundesvorstand wird hier daher als unrealistisch bewertet. Möglichkeiten der Einflussnahme des Bundes- sowie des Landesverbands NRW bestehen über verschiedene Instrumente auch auf nordrhein-westfälische Ortsvereine der DITIB, wenngleich die Mehrheit der Ortsvereine deutlich unpolitischer ist, als die Verbandsebenen der DITIB.“

In Interviews hat sich Ersin Özcan, der Vorsitzende der Wuppertaler Gemeinde und zugleich NRW-Chef der Ditib, gegen die Vorwürfe verwahrt. Gegenüber der „Westdeutschen Zeitung“ pochte er auf die Unabhängigkeit der DITIB und sagte: „Uns wird nichts aus der Türkei ins Ohr geflüstert“ Eine Anfrage, in der es um Unabhängigkeit des Vereins und die Finanzierung des Gemeindezentrums ging, blieb jedoch ohne Antwort.

 

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