Der Griff nach den Sternen
Internationales Symposium
in Halle (Saale) 16.–21. Februar 2oo5
Herausgeber Harald Meller und François Bertemes
5/I
2010
TAGUNGEN DES L ANDESMUSEUMS FÜR VORGESCHICHTE HALLE
Technologische Untersuchungen zu bronzezeitlichen Metallziertechniken nördlich der Alpen vor dem Hintergrund
des Hortfundes von Nebra
Daniel Berger, Roland Schwab und Christian-Heinrich Wunderlich
Abstract
Technical investigations into Bronze Age metal decorating
techniques north of the Alps in conjunction with the
Nebra hoard
Geometrical, ornamental and pictorial decorations are to be
found on a variety of metal objects of the Early Bronze Age
north of the Alps. They were applied to the objects by means
of various techniques, mostly to enhance their visual appearance. Besides frequently used decorating techniques, there
are also those which are considered exotic in the metallurgical industries of the middle, west and north-European Bronze
Age as they are only represented by few finds or their actual
use of the technique is even open to question. Amongst these
are the decorating techniques of damascening, patination
and arsenation; the last two named processes were used to
change the colour of the surface.
Starting with the Nebra hoard and further Early Bronze
Age objects, these techniques have been investigated by experimental and archaeo-metallurgical research. The aim is to
reconstruct their application and artistic use. Especially
important knowledge has been gained about the technique of
damascening. The technical possibilities for the application
of Bronze Age patination can be gained experimentally, but
they cannot be necessarily proved on objects themselves. The
same applies to arsenation. On the other hand it becomes
clear that many linear decoration schemes on Bronze Age
objects are created by chasing and not through casting or
engraving.
Zusammenfassung
Geometrische, ornamentale und bildhafte Verzierungen sind
an einer Vielzahl von Metallobjekten der Frühbronzezeit nördlich der Alpen vorhanden. Sie wurden mittels verschiedenster
Handwerkstechniken an den Objekten angebracht, meist mit
der Absicht, sie optisch ansprechender zu gestalten. Neben
häufig angewendeten Ziertechniken finden sich auch solche,
die inmitten des Metallhandwerks der Bronzezeit Mittel-,
West- und Nordeuropas als exotisch gelten, da sie mit nur
wenigen Funden vertreten sind oder ihre Anwendung sogar
fraglich ist. Dazu gehören die Ziertechniken der Tauschierung,
Patinierung und Arsenierung, wobei die beiden letzteren zur
farblichen Veränderung der Oberfläche angewendet wurden.
Ausgehend vom Hortfund von Nebra und weiteren frühbronzezeitlichen Fundstücken wird diesen Techniken durch
experimentelle und archäometallurgische Untersuchungen
eingehend nachgegangen, mit dem Ziel, ihre Anwendung und
handwerkliche Umsetzung zu rekonstruieren. Dabei werden
vor allem hinsichtlich der Tauschiertechnik wichtige Erkenntnisse erlangt. Die technischen Möglichkeiten für eine bronzezeitliche Anwendung der Patinierung können zwar experimentell nachvollzogen werden, an Fundobjekten nachzuweisen
sind sie aber bislang nicht. Gleiches trifft für die Arseniertechnik zu. Demgegenüber ist plausibel darzulegen, dass viele
Linienverzierungen an Bronzeobjekten durch Ziselierung und
nicht durch Guss oder Gravur entstanden.
Schlüsselbegriffe: Mitteleuropa, Patinierung, Tauschierung,
Ziselierung, Arsenierung, Archäometallurgie
Keywords: Central Europe, patination, damascening, chasing,
arsenation, archaeo-metallurgy
Einführung
Die Einführung der Metalle in die Kulturgeschichte der
Menschheit ist eng mit ihrer stoffimmanenten und speziellen ästhetischen Wirkung verbunden. Frühe Metallobjekte
dürften aus rein funktionaler Sicht ihren Vorbildern aus
Stein oder anderen Materialien kaum überlegen gewesen
sein, ebenso wenig wie verchromte Zierleisten, Aluminiumfelgen, lackierte Stoßstangen, flammende tribals oder applizierte Spoiler in unserer Zeit den technisch messbaren Nutzwert eines Fahrzeuges erhöhen. Blanker Metallglanz und
Farbigkeit allein vermögen heutzutage kaum noch den Eindruck des unerreichbar Exquisiten zu erzeugen, da wir davon im täglichen Leben ständig umgeben sind: Seit der
Mitte des 19. Jh. ist es möglich, jeden Alltagsartikel mit beinahe jeglicher Oberflächenwirkung zu versehen – eine durchaus manifeste, wenngleich nicht zweifelsfreie Errungenschaft des Industriezeitalters.
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Ausstellungsbesucher sind fasziniert von der grünen oder
manchmal auch braunen Patina bronzezeitlicher Metallfunde, die das Ergebnis langer Bodenlagerung wie auch ein
Hinweis auf ein hohes Alter und einen kulturhistorischen
Zeugniswert ist. Mit dem ursprünglichen Erscheinungsbild
und den Gründen der damaligen Begehrlichkeit der Metalle
hat das jedoch nichts zu tun. Einstiger metallischer Glanz,
gesteigert und gebrochen von aufwändigen graphischen
Verzierungen, gegeneinander kontrastierende Metallfarbigkeiten, teils künstlich erzeugt, sind den archäologischen
Funden der frühen Bronzezeit mit bloßem Auge unter dichten Korrosionsschichten selten anzusehen. Ansätze zur
Rekonstruktion des ursprünglichen Erscheinungsbildes
frühbronzezeitlicher Funde wie auch des technologischen
Hintergrundes zu liefern, ist Ziel des folgenden Beitrages.
Abgesehen von den herausragenden astronomischen und
kulturhistorischen Aspekten gilt gerade der Hortfund von
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Abb. 1 Rekristallisiertes, zwillingsdurchsetztes
Schmiedegefüge der entnommenen Metallprobe
der Himmelsscheibe von Nebra. Mit salzsaurem
Ammoniumpersulfat geätzter Anschliff, Hellfeld.
Nebra in diesem Zusammenhang als ein Schlüsselfund, und
zwar insbesondere im Hinblick auf Technologien, die der
ästhetischen Gestaltung der Fundobjekte dienten. Hierzu
gehören, abgesehen von den Techniken des Ziselierens und
Punzierens, zuvorderst die ansonsten nördlich der Alpen
nur sehr selten praktizierten Metallein- und -auflegearbeiten
(Tauschierungen) sowie das Verfahren der selektiven Patinierung. Im Folgenden sollen diese Ziertechniken zunächst
an den Funden von Nebra beleuchtet werden, um diese
dann anschließend in den technologischen Kontext der
europäischen Frühbronzezeit zu setzen. Dabei fließen verstärkt Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten und derzeit noch laufenden Forschungsprojekts FOR 55o ein, das sich interdisziplinär dem
Hortfund von Nebra und seinem kulturellen, wirtschaftlichen und technologischen Umfeld widmet.
Technologische Bemerkungen zur Himmelsscheibe von
Nebra
Die Himmelsscheibe von Nebra ist ein Werk der Schmiedekunst. Sie wurde aus einem scheibenförmigen Gussrohling
gefertigt, der wohl einen Durchmesser von 15–2o cm hatte.
Er bestand aus einer für Metallobjekte der Bronzezeit außergewöhnlich weichen Legierung aus Kupfer mit nur 2,6
Masse-% Zinn und etwa o,2 Masse-% Arsen. Diese niedriglegierte, relativ weiche und zugleich duktile Bronze wurde
vom Metallurgen anscheinend bewusst gewählt, um eine
Scheibe durch Kaltbearbeitung leichter auf die Größe von
32 cm Durchmesser austreiben zu können.
Bronze zu schmieden erfordert ein hohes Maß an Kunstfertigkeit und Materialkenntnisse. Beim Prozess der kalten
Umformung wird das Metall zunehmend härter und versprödet. Weiteres Schmieden in diesem Zustand würde
unweigerlich zu Rissbildungen führen. Um das auch bei der
Herstellung der Himmelsscheibe zu vermeiden, musste der
Schmied sein Werkstück mehrfach durch Zwischenglühen
rekristallisieren lassen. Dadurch wurde das Material »entspannt« und der Handwerker konnte nach Erkalten des
Objektes ein verhältnismäßig weiches, schmiedbares Metall
weiterbearbeiten. Keinesfalls wurde der Rohling in heißem
Zustand ausgeschmiedet. Metallographische Untersuchungen an einer Probe der Himmelsscheibe belegen die beschriebene Arbeitsweise. Das mosaikartige Muster der mit
Glühzwillingen durchsetzten Metallkristallite im Anschliff,
zu sehen in Abb. 1, deutet darauf hin, dass die Scheibe
zumindest im letzten Arbeitsschritt nach vorhergehendem
Schmieden geglüht wurde. Die bänderartigen, gestreckten
Verfärbungen innerhalb des Metallgefüges, die von Materialeinschlüssen des Gussprozesses herrühren, sprechen darüber hinaus für eine intensive Umformung, die ohne mehrfaches Zwischenglühen nicht möglich gewesen wäre. Deshalb
ist von wiederholtem Schmieden und Glühen im Wechsel
auszugehen.
Die eigentliche technologische Besonderheit der Himmelsscheibe liegt in der Art und Weise, wie der Handwerker
Abb. 2 Tauschierarten der Bronzezeit. a Draht- oder Streifentauschierung; b Flächentauschierung; c Tauschierplattierung »Typ Nebra«; d Tauschierplattierung »Typ Trundholm«; e Doppeltauschierung »Typ Mykene«; f Plattierung.
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Abb. 3 Einschlagen einer Tauschiergrube und Aufstauen einer Wulst
mit einem scharfen Meißel oder
Stichel.
Abb. 4 Auswahl verschiedener Bronzemeißel und Punzen für die Tauschierung.
einst die Himmelskörper auf ihr befestigte. Sonne1, Mond,
Sterne sowie der verbliebene Horizontbogen und die Himmelsbarke bestehen aus Goldblechen mit einer Stärke von
ca. o,2–o,4 mm, die ohne ein spezielles Klebe- oder Lötmittel
auf der Bronzeunterlage aufliegen. Halt erfahren sie lediglich an ihren Rändern, die tief in das Scheibenmaterial eingelassen sind. Technisch gesehen bediente sich der Handwerker hierbei einer Kombination zweier dekorativer
Metallbearbeitungsverfahren, die erst zur Zeit der Himmelsscheibe aufkamen: Sowohl das Plattieren, d. h. das Überziehen von Metallobjekten mit Goldblechen, als auch das Tauschieren, d. h. das Einlegen von Metallen in andere Metalle,
waren in der frühen Bronzezeit Mitteleuropas vorher nicht
bekannt. Die hierbei angewendete Kombinationstechnik aus
beiden Verfahren könnte als »Tauschierplattierung« bezeichnet werden (Abb. 2c).
Um die Goldbleche zu arretieren, wurden zunächst, den
Umrissen der Motive folgend, stark unterschnittige Rillen in
die zuvor weichgeglühte, erkaltete Bronze geschlagen
(Abb. 3). Als Werkzeuge dienten dafür höchstwahrscheinlich Hartbronzemeißel, die einen Zinngehalt von vielleicht
12–16 Masse-% Zinn aufwiesen, einen wesentlich höheren
Zinngehalt als die Scheibe (Abb. 4). In Experimenten konnte
gezeigt werden, dass man mit derartigen Werkzeugen die
besten Ergebnisse erzielt. Dazu müssen die Schneiden der
Meißel zuvor allerdings durch vorsichtiges Überschmieden
1 Alternativ wird der Vollkreis häufig auch als
Vollmond gedeutet.
Abb. 5 Überschmieden
der aufgewölbten Wulst
zur Befestigung der Goldbleche mit einem stumpfen Werkzeug (z. B. Flachmeißel).
gespannt und gehärtet sowie anschließend geschliffen werden, damit sie zum Einschlagen der Rillen geeignet sind und
zudem weniger schnell verschleißen. Da man während des
Schlagens der Tauschiergruben die Meißel trotzdem mehrfach nachschleifen muss, stellt das Herstellen und Zurichten
der Werkzeuge, verglichen mit dem Schlagen insgesamt,
den größeren Aufwand bei der Tauschierarbeit dar.
In die vorgefertigten Rillen wurden die zurechtgeschnittenen Goldbleche mit ihren Rändern eingepasst und die
Bronzewülste, die beim Aufmeißeln der Rillen entstanden
waren, über die Goldblechränder getrieben (Abb. 5). Dadurch
war ein nachträgliches Herausrutschen der Goldbleche ausgeschlossen. Wie sicher die Befestigungsmethode war, verdeutlicht allein die Tatsache, dass – abgesehen vom fehlenden
Horizontbogen – alle Goldapplikationen der Himmelsscheibe
erhalten sind. Dabei sind Ausführung und technische Umsetzung der Tauschierplattierung, wie der experimentelle
Nachvollzug zeigt, keineswegs kompliziert. Geübte Hände
benötigen für einen Stern eine halbe bis eine Stunde2; die
Großobjekte dauern aufgrund ihrer Ausmaße etwas länger.
Dennoch sind dem Handwerker beim Tauschieren vereinzelt typische »Anfängerfehler« unterlaufen, was besonders an zwei Sternen sichtbar wird (Abb. 6). Durch das Aufmeißeln der Gruben wird ein Metallvorrat zu einem Wall
oder einer Wulst nach außen geschoben (Abb. 3). Dadurch
vergrößert sich zunächst die angezeichnete Form. Treibt
man den Wall zu weit und legt das nach diesem vergrößerten Umriss zugeschnittene Goldblech ein, lässt sich der überstehende Metallvorrat nicht mehr glatt über den Rand des
Goldbleches treiben, sodass eine Wulst zurückbleibt. Solch
eine Wulst ist bei dem vermutlich ersten Stern, der auf der
Scheibe angebracht wurde, deutlich zu erkennen und zeigt
sich auch im experimentellen Nachvollzug (Abb. 7).
Die Veränderungen der Himmelsscheibe im Spiegel der
Tauschiertechnik
Die Himmelscheibe entstand nach derzeitigem Kenntnisstand nicht in einem einzigen Fertigungsstadium, sondern
wurde in mehreren Phasen umgearbeitet und erweitert3.
Dies wird u. a. durch technische Details der angebrachten
Tauschierungen untermauert. In der ersten Fassung zeigte
die Scheibe lediglich die großen Himmelskörper sowie die
Sterne. Horizontbögen und Barke fehlten und wurden erst
in den darauffolgenden Phasen hinzugefügt. Die Horizonte
kamen hierbei bereits in der zweiten Phase hinzu. Auf dem
2 Die Herstellung der Bronzewerkzeuge ist hier
allerdings nicht inbegriffen.
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3 Zu den verschiedenen Fertigungsphasen der
Himmelsscheibe siehe Beitrag Meller in diesem Band.
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Abb. 6 Detail der Himmelsscheibe mit dem versetzten Stern und dem darum befindlichen Tauschierwall sowie der Tauschiergrube des fehlenden Horizontes mit den kleinen, parallel verlaufenden Kerben.
Röntgenbild ist zu erkennen, dass sich unter dem heute
noch vorhandenen Randbogen die Tauschiergruben zweier
weiterer Sterne verbergen, die der frühesten Phase zuzurechnen sind. Ebenfalls im zweiten Fertigungsschritt wurde,
um den (heute fehlenden) linken Horizontbogen anzubringen, ein Stern in dessen Nähe versetzt (Abb. 6).
Allein die Machart und die etwas größere Form dieses
versetzten Sterns lassen erahnen, dass die Tauschierarbeiten der zweiten Phase von einem anderen Handwerker
durchgeführt wurden, der weder mit dem Schöpfer der Urfassung der Himmelsscheibe identisch war noch über dessen handwerkliche Kenntnisse verfügte. Auch unterlief diesem Metallurgen beim Versetzen des Sterns der schon an
einer anderen Stelle beobachtete »Anfängerfehler«. Die Rillen zum Einlegen der Horizontbleche unterscheiden sich
zudem deutlich von denen für Sonne und Mondsichel. Sie
wirken eher grob und unsauber gearbeitet und auch die
Anfasung ist, verglichen mit den perfekt angefasten Grubenrändern der Sonne, weniger präzise ausgeführt (Abb. 6 links
unten). Vielleicht kann gerade die augenscheinlich nachlässigere Ausführung der Tauschiergruben, verbunden mit
einem schlechten Einschlagen der Goldbleche, das Fehlen
des zweiten Horizontes erklären. Merkwürdig erscheinen
unterdessen die vielen kleinen Kerben, die die Grube des
fehlenden Randbogens begleiten (Abb. 6 rechts oben). Sie
werden mit Sicherheit beim Ansetzen des verwendeten Meißelwerkzeuges entstanden sein, zumal die Kerben den
Schlagmarken der Grube exakt folgen. Über die genaue
Form des Meißels kann allerdings nur gemutmaßt werden.
Vermutlich ebenfalls auf den Handwerker des zweiten
Fertigungsstadiums geht eine stark unterschnittene Kerbe
auf der Rückseite der Himmelsscheibe zurück (Abb. 8). Sie
ist wie eine Tauschiergrube gehalten und könnte ein Indiz
dafür sein, dass sich der noch unerfahrene Handwerker im
Vorfeld seiner Tauschierarbeit zunächst mit Werkzeug,
Technik und Material vertraut machte. Zusammen mit den
anderen beschriebenen Beobachtungen deutet diese Eigenheit der Himmelsscheibe darauf hin, dass zwischen der Erstfassung und ihrer Umarbeitung eine größere Zeitspanne lag.
Möglicherweise noch in der Anfangsphase wurde die
Sonne außen mit einem Ring schräg punzierter Linien ähnlich einer Korona versehen4. Somit hat man bei der Himmelsscheibe neben der Tauschierplattierung mit dem Punzieren
eine weitere ästhetische Handwerkstechnik angewendet.
Allerdings war – im Gegensatz zu den Metalleinlegearbeiten – die Punziertechnik, wie auch die damit verwandte Zi-
4 Eine genaue Einordnung der Punzarbeit in
eine bestimmte Phase ist nicht möglich.
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Abb. 7 Probestück aus dem experimentellen
Nachvollzug der Tauschierarbeiten auf der Himmelsscheibe. Das Bronzegrundmetall ist infolge
abschließenden Glühens ungleichmäßig schwarz
patiniert.
5 cm
Abb. 8 Detail der Tauschiergrube des fehlenden Horizontes auf der Himmelsscheibe mit kleinen, parallel verlaufenden Kerben.
Abb. 9 Detailansicht der Himmelsbarke mit der punzierten Fiederverzierung und den ziselierten Planken.
seliertechnik, in der frühen Bronzezeit bereits sehr weit verbreitet. Im vorliegenden Fall wurde die Punzarbeit sorgfältig mit einer feinen, relativ schmalen, meißelartigen Punze
ausgeführt. Abgesehen von ihrer bildlich-gestalterischen
Funktion könnte die eingeschlagene Korona ebenso gut dazu gedient haben, von der beim Tauschieren entstandenen
und sicherlich unerwünschten Metallwulst abzulenken.
Ganz ähnliche Linienverzierungen finden sich in einem
Kranz um die Himmelsbarke wieder (Abb. 9). Diese kam zu
den bestehenden Goldapplikationen erst in einer dritten,
noch späteren Phase als gestalterisches Element hinzu. Im
Unterschied zu den übrigen Komponenten fügt sich das stilisierte, mit ziselierten Planken versehene Schiff jedoch nicht
harmonisch in den Nachthimmel ein. Anstatt den störenden
Stern zu versetzen, zwängte der Handwerker die Barke zwischen diesen und den (zu jener Zeit noch ungelochten)
Scheibenrand. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Tauschierung dieser dritten Phase erneut ein anderer Handwerker vornahm. Dafür spricht ferner die schlechte Umsetzung
der punzierten Fiederung um die Himmelsbarke, die sich
stellenweise auf das eingelegte Goldblech erstreckt. Eventuell hat der neue Handwerker hier versucht, die Punzverzierungen seines Vorgängers zu imitieren.
Die beschriebene dreiphasige Entstehungsgeschichte des
goldenen Bildensembles auf der Himmelsscheibe von Nebra
wird maßgeblich durch die chemische Analyse an den Gold-
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Abb. 1o Heftbereich eines der beiden Schwerter
(Schwert 1) aus dem Hortfund von Nebra mit
Streifentauschierung und der Linienverzierung.
5 cm
auflagen gestützt, die mittels Synchrotron-Röntgenfluoreszenz am Berliner Elektronenbeschleuniger BESSY II vorgenommen wurde. Dabei konnten drei Gruppen unterschiedlicher Goldarten herausgearbeitet werden, die sich in ihren
Silber- und Zinngehalten unterscheiden und darüber hinaus
mit den Tauschierphasen korrelieren. So konnte eindeutig
gezeigt werden, dass der versetzte Stern und der Horizontbogen zu einer gemeinsamen Gruppe gehören; auch Sonne,
Mond und die restlichen Sterne bilden eine eigenständige
Gruppe. Von diesen Gruppen hebt sich wiederum das Metall
der Himmelsbarke ab. Die Herkunft des Goldes wird unterdessen in Siebenbürgen gesucht5.
Wann genau die insgesamt 39 Durchlochungen am Rand
der Scheibe entstanden, ist nicht mit Sicherheit zu sagen.
Fest steht, dass dies erst nach der Tauschierung aller Goldbleche in einer vierten Phase geschah. Um die Löcher einzubringen, verwendete der Handwerker ein spitzes Metallwerkzeug, das er mit viel Kraft und Rücksichtslosigkeit
durch die weiche Bronze schlug. Die daraus resultierenden
5 Zu den chemischen Analysen der Goldauflagen siehe Beitrag Pernicka in diesem Band.
Erhebungen auf der Scheibenrückseite schliff er anschließend nur grob plan. Die genaue Funktion der Löcher, die
wohl eine Umnutzung der Himmelsscheibe markieren, ist
nicht ganz klar, doch wird man davon auszugehen haben,
dass sie der Fixierung auf einer Unterlage, vielleicht aus
dünnem Holz, Leder oder Textil, bzw. der Aufhängung dienten. Warum der Handwerker allerdings die Durchlochung
derart radikal unter Beschädigung der randständigen Goldauflagen vornahm (Abb. 9), wird kaum zu erschließen sein.
Ebenso wenig ist Genaueres zum Verlust des zweiten
Horizontbogens bekannt. Wahrscheinlich fehlte er bereits,
als man die Scheibe um 16oo v. Chr. auf dem Mittelberg
gemeinsam mit weiteren Gegenständen deponierte. Denkbar ist, dass er im Vorfeld der Niederlegung absichtlich entfernt wurde oder beispielsweise bei der rücksichtslosen
Lochung des Objektes abfiel. Möglich erscheint aber auch,
dass er sich irgendwann durch die randliche »Abnutzung«
der Scheibe lockerte und infolgedessen an Halt verlor6.
6 Im Bereich des verloren gegangenen Horizontes weist die Himmelsscheibe leichte Abnutzungserscheinungen auf, was an den fehlen-
den Löchern und der kaum noch vorhandenen
äußeren Tauschiergrube zu erkennen ist.
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Technologische Beobachtungen an den Schwertern von
Nebra
Neben der Himmelsscheibe sind aus dem Hortfund von
Nebra in metallästhetischer Hinsicht vor allem die beiden
Schwerter mit ihren Griffhalbschalen von besonderem
Interesse. Hervorzuheben sind dabei in erster Linie streifenförmige Kupfertauschierungen sowohl auf den Klingen als
auch auf den Griffen der Schwerter (Abb. 1o). Anders als bei
der Scheibe erfolgte die Formgebung der Klingen und der
separat hergestellten Griffe aber überwiegend im Guss. Dazu
nutzte man vermutlich verlorene Tonformen, die zuvor im
Wachsausschmelzverfahren hergestellt wurden. Als Relikte
des Gussprozesses lassen sich auf computertomographischen Aufnahmen deutlich zahlreiche Hohlräume im Inneren nachweisen, die durch das nur leichte Überschmieden
der Klingen im Anschluss nicht verdichtet wurden. Bevor
der Handwerker mit der Tauschierung begann, hat er das
Metall möglicherweise geglüht, um es nach dem Schmieden
wieder etwas zu erweichen. Auf solch einen Schritt vor,
während und nach der Tauschierung verzichtete man dagegen bei den Griffschalen offensichtlich, wofür die unbeeinträchtigte dendritische Gussstruktur des Metalls spricht. Sie
tritt infolge der »Anätzung« des Metalls durch die Korrosion
deutlich in Erscheinung.
Die ca. 2 mm breiten und 1 mm tiefen Tauschierkanäle
für die Einlagen der Klingen waren höchstwahrscheinlich
schon vor dem Guss an den Wachsmodellen angelegt.
Zumindest gelang es in Tauschierexperimenten nicht, Gruben dieser Breite und Tiefe aus der harten Bronze auszuheben. Demnach kommt allenfalls die Nachbearbeitung der
Kanäle durch Ziselierung in Betracht. Da die Schwerter mit
rund 1o Masse-% Zinn aus einer höherlegierten und damit
wesentlich härteren Bronze als die Himmelsscheibe bestehen7, konnten dafür nur gehärtete Werkzeuge aus noch
zinnreicherer Bronze eingesetzt werden (Abb. 4). Die Form
der Kanäle weicht unterdessen von der der Gruben für die
Tauschierplattierungen ab. So lassen sich hier bestenfalls
nur schwache Unterschneidungen der Kanalränder erkennen, die nicht zwangsweise bewusst so ausgeführt worden
sein müssen. Um den eingelegten Kupferstreifen dennoch
genügend Halt zu verschaffen, raute man die Kanalböden
durch Nachziselierung leicht auf, sodass sich das weiche
Metall bestens verkeilen konnte. Diese Maßnahme war vor
allem bei den ganz offensichtlich erst nach dem Guss mit
meißelartigen Punzen eingegrabenen Kanälen auf den Griffschalen unerlässlich, weil diese im Querschnitt dreieckig
gehalten sind8. Trotzdem war der Verlust der Einlagen an
manchen Stellen des Griffes, sicherlich begünstigt durch die
intensive Korrosion, nicht zu vermeiden.
Da das Metall durch das gesamte Tauschierverfahren prozessbedingt Unebenheiten zurückbehält, musste die Oberfläche abschließend durch Schleifen und Polieren geglättet
werden, um den ästhetischen Gesamteindruck nicht zu
beeinträchtigen. Schleifspuren von diesem Arbeitsschritt
sind an mehreren Stellen der Schwerter noch zu sehen.
7 Zur genauen Metallzusammensetzung siehe
Beitrag Pernicka in diesem Band.
Abb. 11 Detail der Tauschierung mit darüber hinweglaufenden ziselierten
Linien und gepunzten Punktreihen auf Schwert 1 von Nebra.
Schleif- und Polierarbeiten sind im Übrigen auch bei der
Herstellung der Himmelsscheibe vorauszusetzen.
Eingefasst werden die tauschierten Streifen auf den Klingen beider Schwerter von Bündeln aus nahezu perfekt ziselierten Linien, die kaum Ansatzstellen des benutzten Werkzeuges erkennen lassen. Im Fall des einen Schwertes
(Schwert 1) laufen die Linien teilweise über die Kupferstreifen hinweg, sodass die Ziselierung hier erst im Anschluss an
die Einlegearbeit stattgefunden haben kann (Abb. 11). Daran
zeigt sich auch, dass die feinen Verzierungen keinesfalls
mitgegossen worden sein können. Analoges gilt darüber
hinaus für die in die Ziseluren dieses Schwertes eingepunzten Punktreihen, bei denen dem Handwerker jedoch wiederholt Fehler unterliefen9. Bei genauer Betrachtung lassen sich
ferner qualitative Abweichungen zwischen den Ziseluren
der beiden Schwerter erkennen, die sich vorrangig in der
unruhigen Linienführung bei Schwert 2 äußern. Ob die Qualitätsunterschiede in der Handwerkstechnik der Metallverzierungen auf den Schwertern auf die Herstellung durch
mehrere Handwerker verweisen, bleibt allerdings Spekulation. Nichtsdestotrotz stellen die Schwerter mit ihrer reichen Verzierung, insbesondere mit den seltenen Tauschierungen und den ziselierten Goldmanschetten zwischen Griff
und Knauf, wertvolle Belege frühbronzezeitlicher Handwerkstechnik dar.
Farbästhetische Aspekte der Funde von Nebra
Die Kombination verschiedenfarbiger Metallarten sollte an
archäologischen Objekten in erster Linie farbliche Kontraste
erzeugen oder bestimmte Partien betonen, um so auf den
Betrachter reizvoller zu wirken. Tauschierungen waren dabei
nur eine mögliche Variante, zwei Metalle miteinander zu verbinden. Zweifellos gehen von den subtilen Farbunterschieden entsprechende Impulse aus, die das Objekt ästhetischer
erscheinen lassen, doch ist gerade im polierten Zustand der
Metalle der erwünschte Farbkontrast nicht allzu überzeugend.
8 Der dreieckige Querschnitt der Kanäle kommt
durch die geschärften Punzen zustande.
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9 An einigen Stellen rutschten dem Handwerker
die Punzschläge von einer ziselierten Linie in
die danebenliegende.
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Abb. 12 Kopie der Himmelsscheibe im blanken
Metallzustand. Die Goldauflagen heben sich nur
schlecht vom kupferfarbenen Untergrund ab.
Die Bronze ist an der Luft ungleichmäßig angelaufen.
So würden die goldenen Auflagen der unkorrodierten
Himmelsscheibe vor einem kupferfarbenen Hintergrund
blass wirken und regelrecht untergehen (Abb. 12)10. Die
Kupferstreifen auf den einst goldgelben Schwertern träten
ihrerseits nur schwach hervor (Abb. 13a), sodass in beiden
Fällen dem angestrebtem Kontrasteffekt nur unzureichend
Genüge getan wäre. Ohnehin ist nur schwer nachvollziehbar, dass die Scheibe mit ihrer Darstellung eines nächtlichen
Sternenhimmels in der Eigenfarbe des Kupfers vorgelegen
haben soll, wenn doch ein dunkler oder sogar schwarzer
Hintergrund zum einen authentischer, zum anderen wesentlich kontrastvoller anmutet (Abb. 6)11. Außerdem neigt blankes, ungeschütztes Metall immer dazu, sich rasch mit einer
Primäroxidschicht zu überziehen. Da das an Luft meist ungleichmäßig geschieht, wären die Gegenstände schnell fleckig
und unansehnlich geworden.
Deshalb und vor allem aufgrund des nur schwachen Farbkontrastes ist denkbar, dass die Objekte nach ihrer Fertigung
bestimmten Prozeduren unterzogen wurden, um sie stellenweise farblich aufzuwerten. Beispielsweise könnten durch
Patinierung, d. h. durch künstliche Korrosion der Metalloberfläche, dunkelviolette bis fast schwarze Schichten erzeugt
worden sein, die gleichzeitig einen gewissen Korrosionsschutz geboten hätten. Der niedrige Anteil an Legierungselementen sowohl im Grundmetall der Himmelsscheibe als auch
in den eingelegten Streifen der Schwerter könnte dabei
durchaus ein Indiz für eine derartige Behandlung sein, zumal
sich solche Metalle mit in der Vorgeschichte möglichen
Methoden leichter patinieren lassen12. Es ist jedoch ausgesprochen schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, eine künstliche
Korrosionsbehandlung an mittel- und nordeuropäischen Metallfunden, so auch an den Funden von Nebra, nachzuweisen.
a
b
5 cm
Abb. 13 Tauschierte Proben im experimentellen Nachvollzug. a Unpatinierte, polierte Probe; b In abgestandenem Urin patinierte Probe. Beide Proben
bestehen aus hochlegierter Zinnbronze (CuSn1o) mit eingelegtem reinem Kupfer. An der patinierten Probe wird die Selektivität der Korrosionsmethode
für verschiedene Metalle deutlich.
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Abb. 14 Detail des ziselierten Schiffes (Länge ca. 6,7 cm) auf einem der beiden Krummschwerter von Rørby, Dänemark, ca. 16oo v. Chr.
Die Ziertechniken der Funde von Nebra im europäischen
Vergleich
So einzigartig die Nebra-Funde aus kulturhistorischem und
astronomischem Blickwinkel sind, so wenig stehen sie in
technologischer und metallästhetischer Hinsicht innerhalb
der Frühbronzezeit Europas gänzlich singulär da. Zwar sind
bezüglich der Tauschiertechnik nur wenige vergleichbare
Beispiele bekannt; gerade was jedoch ziselierte und punzierte Muster betrifft, sind eine Fülle von Artefakten in
gleicher oder ähnlicher Weise verziert. Vermutlich muss
man davon ausgehen, dass auch die für die Nebra-Funde
beanspruchte Metallfärbung (Patinierung) weit öfter an
Metallen angewendet wurde, als es bei der Betrachtung der
natürlich korrodierten Oberflächen den Anschein haben
mag. In den nachstehenden Abschnitten wird versucht, die
an den Gegenständen von Nebra zur Anwendung gekommenen Verzierungstechniken in den europäischen Kontext zu
stellen und durch experimentelle Untersuchungen zu rekonstruieren. Ergänzend wird auf die bisher nicht besprochene
1o Der geringe Zinngehalt der Himmelscheibe
hat keinen merklichen Einfluss auf die Eigenfarbe des Kupfers.
Technik der Arsenierung eingegangen, die an den Funden
von Nebra nicht auftritt.
Ziselierung
Filigrane Linienverzierungen sind neben Punkten und Wülsten an archäologischen Objekten aus der Bronzezeit die häufigsten und zugleich beliebtesten Verzierungselemente zur
ornamentalen oder figürlichen Gestaltung. Die feinen Linien,
wie man sie stellvertretend von den Schwertern aus Nebra,
den beiden Krummschwertern aus Rørby, Dänemark
(Abb. 14; Rønne 2oo4), den Dolchklingen aus den Hortfunden von Dieskau, Saalkreis, oder auch von den spätbronzezeitlichen Hängebecken aus Demker, Lkr. Stendal, (Abb. 15)
kennt, sollen nach Ansicht einiger Wissenschaftler bereits
an den Modellen für das Wachsausschmelzverfahren, der
Hauptgussmethode der Bronzezeit, vorhanden gewesen und
folglich mitgegossen worden sein. Praktische Versuche mit
verschiedenen Kupfer-Zinnlegierungen (Zinnbronzen) und
11 Die heute grüne Farbe der Scheibe ist Folge
der langen Bodenkorrosion und entspricht
nicht ihrer ursprünglichen Erscheinung.
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12 Für nähere Informationen dazu siehe
Abschnitt zur Patinierung weiter unten.
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Abb. 15 Ziselierte Verzierungen auf einem spätbronzezeitlichen Hängebecken aus Demker,
Lkr. Stendal.
Lehmgussformen haben jedoch mehrfach gezeigt, dass der
normale Schwerkraftguss nicht ausreicht, um feinste Verzierungselemente exakt wiederzugeben. Daraus muss man
schließen, dass die teilweise perfekt ausgeführten Linienverzierungen an den Objekten – wie im Fall der beiden
Nebra-Schwerter – erst nach dem Guss durch Ziselieren
mittels Punzen angebracht wurden. Ohnehin erscheint ein
Mitgießen der Muster wenig sinnvoll, zumal viele Objekte
nach dem Guss so starke Umformungen oder Nachbearbeitungen erfuhren, die die zarten Zierelemente kaum unbeschadet überstanden haben dürften. Allenfalls ein Vorgeben der Verzierungen am Wachsmodell ist denkbar. Im
Anschluss an Guss und Nacharbeit erfolgte dann die eigentliche Ziselierung.
Umfangreiche Untersuchungen verzierter Artefakte aus
den Beständen des Landesmuseums für Vorgeschichte in
Halle (Saale) und anderer Institutionen im Zuge des Forschungsprojektes FOR 55o untermauern maßgeblich die
These, dass Linienverzierungen in der Frühbronzezeit überwiegend durch Ziselierung erzeugt wurden. Bei sorgfältiger
Betrachtung sind die Spuren dieser spanlosen Bearbeitungstechnik an den Funden meist schon mikroskopisch anhand
von Schlagmarken oder anhand von Linien zu erkennen, die
infolge des Abgleitens der Werkzeuge entstanden sind.
Metallographisch, also an angeschliffenen und polierten
Proben von Artefakten, lassen sich durch Ziselierung verursachte Werkstoffveränderungen jedoch häufig noch besser
nachvollziehen, zumal sie Hinweise im Gefüge hinterlassen
können. Hier sprechen zuvorderst nichtmetallische Einschlüsse13, die sich den eingebrachten Vertiefungen angepasst haben (Abb. 16), sowie aufgrund der Materialverdichtung verschlossene Hohlräume klar für einen Verformvorgang
durch Ziselieren14. Gleitlinien und verformte Metallkristal-
13 Oxidische oder sulfidische Metallverbindungen vom Herstellungsprozess des Metalls.
14 Ergänzend sei erwähnt, dass Hohlräume auch
durch normale Umformung verdichtet werden, sodass nur bei einem klaren Unterschied
lite bieten für den Fall, dass nach der Verzierung nicht geglüht wurde, ein zusätzliches Indiz. Ferner deuten verstärkte
interkristalline Korrosionserscheinungen, ausgehend von
den eingebrachten Vertiefungen, auf erhöhte Spannungen
im Metall und damit auf Verformung hin (Abb. 16). Auf diese
Weise ist mit einiger Sicherheit nachweisbar, dass der Großteil der Metallobjekte mit Liniendekor der älteren Bronzezeit
ziseliert worden ist. Gravieren oder sogar sauberes Gießen
dünner Linien war dagegen unter frühbronzezeitlichen Bedingungen nicht möglich15.
Dies scheint sich jedoch spätestens in der jüngeren Bronzezeit (13oo–8oo v. Chr.) geändert zu haben. Neben Ziseluren weisen Gegenstände dieses Zeitabschnittes verstärkt
gegossene Zierelemente auf, die aber weitaus weniger exakt
ausfallen als ziselierte Linien. Möglicherweise wurde den
Bronzelegierungen der Spätbronzezeit deshalb der bei Ana-
Abb. 16 Ungeätzter Anschliff eines spätbronzezeitlichen Armreifs aus
Göhlitzsch, Lkr. Merseburg-Querfurt, Hellfeld. Die gestreckten Einschlüsse
im Kernmetall folgen den ziselierten Vertiefungen (Pfeile), von denen verstärkte interkristalline Korrosion ausgeht.
zwischen den Hohlräumen in der Nähe der
Verzierungen und dem übrigen Metall begründete Anzeichen für eine Ziselierung
bestehen.
15 Gegen das Gravieren in der frühen Bronzezeit
sprechen sich u. a. auch Drescher (1957; 1968)
und Armbruster (2ooo, 56) aus.
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Abb. 17 Ergebnis des experimentellen Nachvollzugs der ziselierten Verzierung des Krummschwertes von Rørby.
lysen oftmals festgestellte Bleianteil (teilweise mehr als 5
Masse-%) bewusst zugesetzt, um das Fließvermögen und die
Wiedergabefähigkeit des Metalls zu verbessern und damit
den Guss feiner Verzierungen zu ermöglichen.
Auch bei den für das Ziselieren verwendeten Werkzeugen, die sich nur selten im archäologischen Fundgut finden
(Drescher 1968; Armbruster 2oo1), zeichnet sich im Verlauf
der Bronzezeit eine Weiterentwicklung ab. Während im
älteren Abschnitt der Bronzezeit nur Zieh- und Perlpunzen
(letztere zum Punzieren von Punktmustern16) zum Einsatz
kamen, belegen die Werkspuren an Gegenständen der Spätbronzezeit, dass sich die Handwerker bereits halbrunder
Schrotpunzen, Flachpunzen und Musterpunzen (profilierter
Punzen) aus Bronze bedienten.
Der Nachteil bronzener Ziselierwerkzeuge gegenüber solchen aus Stahl der nachfolgenden Eisenzeit (ca. 8oo v. Chr.
bis Christi Geburt) und späterer Epochen ist jedoch die verhältnismäßig schnelle Abnutzung. So müssen die Punzen
bei der Verzierung eines Objektes gegebenenfalls mehrmals
nachgeschliffen werden, weil die Schneiden rasch abstumpfen oder wegbrechen.
Nichtsdestotrotz konnten beim experimentellen Nachvollzug hervorragende und den archäologischen Vorbildern
vergleichbare Ziselierergebnisse erzielt werden. Dabei waren selbst scharfe Rundungen, wie sie beispielsweise an
einem der Schwerter von Rørby auftauchen, ohne große Probleme zu ziselieren (Abb. 17). Auch zeigten die Versuche,
dass hochlegierte Zinnbronzen mit etwa 1o Masse-% Zinn
problemlos mittels Punzen aus Bronze mit 16 Masse-% Zinn
zu bearbeiten sind17. Damit sprechen nach den Untersuchungen an den Originalen auch die praktischen Experimente eindeutig für die generelle Anwendung der Ziselierung und
Punzierung in der frühen Bronzezeit. Das Mitgießen der fili-
16 Der Unterschied zwischen Ziselieren und Punzieren besteht darin, dass bei letzterem mit
einzelnen Punzschlägen ein wiederholbares
Muster erzeugt wird (z. B. Punktreihen), wäh-
granen Linien oder das Gravieren kann hingegen ausgeschlossen werden.
Tauschierung
Wesentlich seltener als ziselierte Linien oder Ornamente
sind an frühbronzezeitlichen Metallartefakten nördlich der
Alpen Tauschierungen als Zierelemente zu beobachten.
Hierunter versteht man Metalleinlagen in Form fester Verbindungen aus mindestens zwei Metallen. Eines der Metalle,
das sogenannte »Dekormetall«, wird dabei in einen schmalen Kanal oder eine größere vertiefte Fläche des zweiten
Metalls, des sogenannten »Grundmetalls«, hineingeschlagen. Der Halt wird beim Tauschieren – im Gegensatz zu anderen Fügetechniken (z. B. Löten oder Schweißen) – zumeist
nur durch den beim Hineinpressen verursachten Druck
gegen die Wände des Grundmetalls oder durch randliches
Einklemmen in eine Tauschiergrube gewährleistet. Für eine
bessere Fixierung können die Kanäle oder Gruben am
Grund und an den Rändern aufgeraut sein.
Entsprechend ihrer Ausführung werden die Metalleinlagen als Streifen- bzw. Band- und Flächentauschierungen
bezeichnet. Bei sehr schmalen Kanälen verwendet man häufig auch den Begriff »Drahttauschierung«. Wird ein größeres
Blech Dekormetall nur an seinen Rändern durch Überschmiedung einer Wulst oder mit Hilfe eines weiteren
Metalls in einer Vertiefung befestigt, spricht man von einer
Tauschierplattierung oder auch von Fassen. Davon zu unterscheiden sind reine Plattierarbeiten, bei denen dünne Bleche, vorrangig aus edlem Metall, zum Überdecken unedlerer
dienen, wobei die Fixierung der Bleche durch Überfangen,
Umbiegen oder Einklemmen, meist auf der Rückseite des
Metallträgers, erreicht wird. Eine Plattierung kann entweder
rend beim Ziselieren durch »Ziehen« der
Punze z. B. längere, zusammenhängende
Linien entstehen (Armbruster 2ooo).
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17 Die Experimente und Untersuchungen an Originalfunden werden ausführlich in Schwab
u. a. (im Druck a) vorgestellt.
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Abb. 18 Goldtauschiertes Krokodil (Länge ca.
2o cm) aus el-Faiyum, Ägypten, 19. Jh. v. Chr.,
mit einer schwarz-violetten, künstlich erzeugten
Korrosionsschicht.
vollständig oder teilweise erfolgen. Im ersten Fall ist vorderseitig vom Grundmetall nichts mehr zu sehen (Abb. 2).
Neben diesen Varianten unterscheidet man noch eine Reihe
weiterer Metalleinlegearten, die allerdings erst in späteren
Epochen auftraten (Wolters 2oo6).
Die Technik des Tauschierens, die diesseits der Alpen
erstmals in der Frühbronzezeit erschien, erfordert neben
einigem handwerklichen Geschick vor allem Materialkenntnisse und ein gewisses Maß an Erfahrung. Außerdem ist
Geduld gefragt, zumal es sich gegenüber dem Ziselieren
oder Punzieren um eine aufwendigere, wenngleich nicht
übermäßig komplizierte Ziertechnik handelt. Der hohe Aufwand relativiert sich jedoch mit dem Ergebnis: Durch die
Kombination verschiedener Metallarten bzw. Legierungen
ergeben sich bi- oder polychrome Effekte, die auf den unterschiedlichen Eigenfarben der Metalle beruhen und besonders ansprechend wirken. So lassen sich z. B. mit Silber
und Kupfer oder mit Kupfer und Gold interessante Farbkombinationen erreichen. Allerdings ist der erzielte Farbkontrast wegen des hohen Metallglanzes meist nicht sonderlich
stark ausgeprägt. Deshalb wird seit Längerem angenommen,
dass man zur Hervorhebung wahlweise Einlagen oder
Grundmetalle durch Patinierung absichtlich färbte.
Diese Vorgehensweise ist durch zahlreiche dingliche Belege zumindest für den mediterranen Raum und den Vorderen Orient nachweisbar18. Von dort sind im Übrigen auch
die ältesten tauschierten Objekte bekannt. Einige beeindruckende Funde, wie ein ägyptisches Krokodil aus el-Faiyum (Abb. 18) oder das Sichelschwert aus Balât. a-Sichem im
heutigen Palästina (Abb. 19), gehören in das 19. Jh. v. Chr.
Wenige Belege stammen anscheinend sogar schon aus der
2. Hälfte des 3. Jt. v. Chr. (Müller 1987, 41). Damit datieren
sie besonders früh und sind um Einiges älter als die mitteleuropäischen Vertreter (Giumlia-Mair 1996; Giumlia-Mair
1997). Dagegen sind die oft in meisterhafter Form doppelt
tauschierten Dolchklingen aus den berühmten Schachtgräbern von Mykene (Abb. 2o) oder aus Vapheio und Prosymna
in Griechenland etwa genauso alt wie die Himmelsscheibe
und die tauschierten Schwerter von Nebra (Xenaki-Sakellariou/Chatziliou 1989; Papadopoulos 1998). Die fast zwingende Verbindung der mitteleuropäischen Tauschiertechnik
18 Vgl. Abschnitt zur Patiniertechnik weiter
unten.
zum mediterranen Raum oder sogar ihre Herkunft aus diesem Gebiet wurde zwar schon vielfach diskutiert, ist aber bis
heute nicht zweifelsfrei bewiesen.
Die wenigen vorhandenen Nachweise altbronzezeitlicher
Tauschierungen nördlich der Alpen sind, anders als im
Mittelmeerraum, vorrangig auf Waffen oder Kultobjekte
beschränkt19. Diese Tendenz setzt sich in den darauffolgenden Abschnitten der Bronzezeit verstärkt fort, in denen
bevorzugt Schwerter damit verziert worden sind. Insgesamt
sind aus der Frühbronzezeit nur vier Griffplattenschwerter
und eine Dolchklinge mit Metalleinlagen bekannt. Dem stehen rund 5o Exemplare aus der späten Urnenfelderzeit entgegen (Berger in Vorbereitung). Zu den frühbronzezeitlichen
Schwertern gehören die bereits beschriebenen Beispiele aus
dem Hortfund von Nebra (Abb. 1o). Ein weiteres Stück
kommt aus den Marais de Nantes, Dép. Loire-Atlantique,
Frankreich (Schauer 1984). Auch aus Vreta Kloster in Südschweden stammt ein solches Fundobjekt, das der Periode I
der Nordischen Bronzezeit zugerechnet wird und wie die
anderen Schwerter um 16oo v. Chr. einzustufen ist (Montelius 19oo; Oldeberg 1974). Die erwähnte Dolchklinge, wohl
ebenfalls um 16oo v. Chr. anzusetzen, wurde bei Priziac, Dép.
Morbihan, Frankreich, gefunden (Gallay 1981, Nr. 386)20.
Darüber hinaus sind ein etwa gleichaltriges einlagenverziertes Löffelbeil aus Thun-Renzenbühl, Kt. Bern, Schweiz,
(Strahm 1972) sowie der weltbekannte Sonnenwagen von
Trundholm (Kaul 2oo3) zu nennen, der allerdings in die
Periode II der nordischen Frühbronzezeit (um 135o v. Chr.)
datiert wird und damit erheblich jünger als die zuvor genannten Objekte ist.
Wie die Himmelsscheibe von Nebra, so ist auch der Sonnenwagen einseitig teilweise mit Goldblech tauschierplattiert (Abb. 21). Während die dünnen Auflagen bei der Himmelsscheibe an ihren Rändern durch überschmiedete Wülste
gehalten werden (Tauschierplattierung »Typ Nebra«,
Abb. 2c), stabilisiert ein ringförmiger, im Querschnitt vierkantiger Kupferstreifen in einer Nut das große Goldblech an
dem Kultobjekt von Trundholm. Beim Sonnenwagen wurden also Plattierung und echte Einlagentechnik miteinander
kombiniert; sie bilden damit einen eigenständigen Typ der
Tauschierplattierung, die Tauschierplattierung vom »Typ
19 Im mediterranen Raum treten Tauschierungen an Waffen, vor allem aber an Statuetten
und Gefäßen auf.
2o Gallay (1981, Nr. 386) hält es für möglich, dass
es sich nicht um Tauschierungen, sondern um
durchgehende Goldstifte handelt.
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5 cm
Abb. 19 Klinge des Sichelschwertes aus Balât. a-Sichem, Palästina, 19. Jh. v. Chr. Wie die mykenischen Dolche weist auch dieser Fund eine Doppeltauschierung aus goldhaltigem Kupfer mit eingelegten Partien aus Elektrum auf. Der Kupferstreifen ist zudem dunkel patiniert.
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Abb. 2o Detail eines von mehreren doppelt tauschierten Prunkdolchen (ca. 16oo v. Chr.) aus den
mykenischen Schachtgräbern mit der Darstellung einer Jagdszene. Der schwach goldhaltige
Bildträger (Mittelrippe) aus einer Kupferlegierung mit Arsen ist ebenfalls dunkel patiniert.
5 cm
Trundholm« (Abb. 2d). Ein identischer Streifen, nur ohne
Goldblech, findet sich auf der Rückseite des Wagens wieder,
ohne eine bestimmte Befestigungsfunktion wie auf der
Vorderseite zu erfüllen. Eventuell diente er an dieser Stelle
einem rein ornamentalen Zweck.
Die verbleibenden frühbronzezeitlichen Objekte sind
allesamt in echter Tauschiertechnik ausgeführt (Abb. 2a).
Die Schwerter besitzen dabei die für die frühe Bronzezeit
offenbar charakteristische Verzierung mit Streifeneinlagen
in Form eines lang gezogenen V, das sich hängend entlang
der Klinge erstreckt. Die Einlagen werden immer von ziselierten Linienbanddreiecken flankiert. Im Fall des Schwertes
aus Vreta Kloster ist das eingearbeitete, tauschierte V als
Wellenlinie gestaltet (Abb. 22).
Das Fundobjekt aus der Umgebung von Nantes weist seinerseits neben einer zweifachen V-Verzierung zusätzlich
tauschierte Rauten und Ringe im Heftbereich auf. Außerdem sind die V-förmigen Einlagen mit Zickzacklinien aus
Gold versehen (Abb. 23). Aufgrund dieser Eigenheit des
Schwertes spricht man hier von einer Doppeltauschierung,
die in ihrer technischen Ausführung stark an die tauschierten Dolche aus den Schachtgräbern von Mykene erinnert
(Abb. 2o). Deshalb soll diese Art der Tauschierung, in Anleh-
nung an die späthelladischen Vertreter, als Doppeltauschierung vom »Typ Mykene« bezeichnet werden (Abb. 2e). Eine
solche doppelte Tauschierung des mykenischen Typs zeigt
auch das angesprochene schweizerische Beil, bei dem rautenförmige Goldblättchen zweireihig in einem breiteren
Metallband liegen, das selbst in das Bronzegrundmetall eingelassen ist (Abb. 24a). Die oft benutzte Bezeichnung der goldenen Einlagen als »Goldstifte« sollte aus Verwechslungsgründen möglichst vermieden werden, zumal der Vergleich
von Vorder- und Rückseite des Fundes zeigt, dass es sich
nicht um durchgehende Stifte handelt (Abb. 24b).
Streng genommen könnte die Tauschierplattierung des
Typs Trundholm ebenso als Doppeltauschierung gelten. Da es
aber keinen metallischen Bildträger wie bei den anderen
Artefakten gibt, in den ein zweites Metall eingearbeitet ist,
und überdies die Befestigungsintension im Vordergrund
steht, ist die Ansprache als Tauschierplattierung vorzuziehen.
Von besonderem Interesse und für eine weiter gehende
technische Interpretation unabdingbar ist bei den beschriebenen Objekten die Kenntnis der genauen Metallzusammensetzung aller Tauschierkomponenten. Deshalb wurden
im Laufe des DFG-Projektes FOR 55o Proben des Metalls der
Schwerter mit Hilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse auf ihre
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Abb. 21 Detail der Tauschierplattierung auf der Scheibe des Sonnenwagens von Trundholm, Dänemark, ca. 135o v. Chr., mit den Resten des eingeschlagenen Kupferstreifens.
chemische Zusammensetzung überprüft21. Sinnvollerweise
stammen die Proben sowohl vom Grundmetall als auch von
den Einlagen, damit vergleichende Aussagen möglich sind.
Aus den Messungen geht hervor, dass jedes Schwert in derselben Kombination aus unlegiertem Kupfer und hochlegierter Zinnbronze besteht. Die Bronze repräsentiert hierbei
das harte Grundmetall, wohingegen das Kupfer die weiche
Einlage darstellt. Nach diesen Befunden entspricht die technische Umsetzung der Untersuchungsobjekte der im Altertum allgemein üblichen Tauschierweise, bei der in der Regel
ein weicheres in ein härteres Metall hineingetrieben wurde.
Tauschierungen von Eisen in Kupferlegierungen aus der
späten Bronze- und frühen Eisenzeit verdeutlichen jedoch,
dass dies technisch nicht unbedingt erforderlich ist. Zumindest beim Schwert aus Schweden sorgt das Analyseergebnis
der chemischen Untersuchung für eine Überraschung, da es
bis dahin als harzinkrustiert galt (Montelius 19oo, 75;
Schwab u. a. im Druck). Bei einem ähnlichen, allerdings
umgekehrten Fall ist nach neueren Untersuchungen ein tauschiertes Rasiermesser der mittleren Nordischen Bronzezeit
nur mit einer schwarzen, pechartigen Substanz und nicht,
wie vormals erwogen, mit Eisen ausgelegt (Kaul 2oo3, 41).
Gerade derartige Beispiele verdeutlichen die dringende Notwendigkeit der gründlichen Überprüfung von Metallfunden, damit mögliche, bisher nicht erkannte oder vielleicht
fälschlich identifizierte Tauschierungen ausfindig gemacht
werden können. Häufig genug werden Intarsien durch Kor21 Die Messungen wurden mit einem energiedispersiven Röntgenspektrometer am ehemali-
rosionsschichten überdeckt oder fehlen ganz, was ihre korrekte Erkennung und Ansprache erheblich erschweren
kann.
Eine den Klingen vergleichbare Metallzusammenstellung
findet sich auf den ebenfalls tauschierten Griffhalbschalen
der beiden Nebra-Schwerter wieder, deren Rückseiten wohl
aus organischem Material bestanden. Ob die Griffe der anderen Schwerter ähnlich einlagenverziert waren, lässt sich
nicht entscheiden, da sie bei beiden verloren gegangen sind.
Möglich ist, dass sie komplett aus organischem Material
bestanden, was ihr Fehlen erklären würde. Keine genauere
Aussage kann bislang auch zur Materialkombination des
Löffelbeils von Thun-Renzenbühl getroffen werden, weil
entsprechende chemische Analysen im Rahmen des Projektes »Studien zu den Anfängen der Metallurgie« (SAM) in
den 6o er Jahres des 2o. Jh. offensichtlich nur unvollständig
erfolgten (Junghans u. a. 1968, Analysen-Nr. 2853). Die folglich noch ausstehenden Messungen an den Dekormetallen
sollen in Kürze nachgeliefert werden. Solange muss man,
den Angaben in der Literatur folgend (Strahm 1972), davon
ausgehen, dass die bronzezeitlichen Handwerker hier wohl
gleichermaßen die Kombination eines weichen Kupferstreifens mit Zinnbronze wählten, in den sie Zierelemente aus
Gold oder Elektrum einlegten.
Den Schwertern und dem Beil stehen die Himmelsscheibe
und der Sonnenwagen sowie der kleine Dolch aus Frankreich gegenüber, bei denen jeweils Goldelemente in oder auf
gen Institut für Archäometrie der TU Bergakademie Freiberg vorgenommen.
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5 cm
Abb. 22 Oberer Klingenbereich des Schwertes aus Vreta Kloster, Schweden, ca. 16oo v. Chr., mit den teilweise noch erhaltenen bräunlich gefärbten Tauschierungen (Pfeil).
Bronze fixiert wurden. Was die Himmelsscheibe anbelangt,
so enthält das Grundmetall nur etwa 2,6 Masse-% Zinn. Verglichen mit den Zinngehalten der vier Schwerter und dem
Beil mit 7–12 Masse-% ist dieser Anteil recht gering und
scheint den technischen Erfordernissen bei der Herstellung
der Scheibe geschuldet zu sein. Sowohl das Einschlagen tie-
fer Gruben als auch eine mögliche Patinierung im Anschluss
daran dürften durch den geringen Zinnzusatz begünstigt
worden sein. Die exakte Zusammensetzung der Grundmetalle des Sonnenwagens und des Dolches sind indessen
nicht bekannt, weil diesbezüglich anscheinend keine Analysen vorgenommen wurden. Es ist aber zu vermuten, dass
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5 cm
Abb. 23 Oberer Klingenabschnitt des Griffplattenschwertes aus den Marais de Nantes, Frankreich, ca. 16oo v. Chr., mit prächtigen dunkel gefärbten Kupfertauschierungen und Goldeinlagen.
diese beiden Objekte wie die übrigen Gegenstände aus Zinnbronze bestehen.
Trotz der wenigen Belege der frühen Tauschiertechnik
nördlich der Alpen lässt sich dennoch verallgemeinernd herausstellen, dass die Menschen in der frühen Bronzezeit
offenbar nur Kupfer oder Gold in Bronze bzw. Kupfer einzulegen pflegten. Silber spielte, obwohl zu dieser Zeit (22oo–
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16oo v. Chr.) schon längst bekannt, in der Einlegetechnik
diesseits der Alpen keine Rolle. Damit unterschied sich diese
Region grundlegend von den mediterranen Kulturkreisen,
in denen Silber oder Gold-Silberlegierungen (Elektrum) oft
als Dekormetalle auftraten. Das einzige mitteleuropäische
Beispiel für einen Dolch, an dem man silberne Tauschierungen zu erkennen glaubte, stammt aus dem frühbronzezeit-
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a
5 cm
b
Abb. 24 Ausschnitt des Löffelbeils von Thun-Renzenbühl, Schweiz, 17.–16. Jh. v. Chr., mit markanter Doppeltauschierung. a Vorderseite; b Übereinanderprojizierte Schauseiten des Beils zur Verdeutlichung der Lage der eingelegten Goldblättchen (schwarz: Einlagen der Vorderseite; weiß: Einlagen der Rückseite).
lichen Hortfund von Gau-Bickelheim, Lkr. Alzey-Worms (ca.
17. Jh. v. Chr.; Lindenschmit 1864, Taf. 2; Wolters 2oo6, 54o).
Der Dolch ist jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit wie
mehrere vergleichbare Objekte auf natürliche Weise infolge
der langen Bodenlagerung durch Arsenanreicherung »versilbert« worden. Dies legen entsprechende Experimente und
Untersuchungen zu künstlichen Metallüberzügen nahe22,
wenngleich diese Ansicht noch der eingehenden Überprüfung durch weitere Studien bedarf.
Dessen ungeachtet ist anhand von Werkspuren an den
frühen Artefakten nachweisbar, dass die für die Tauschierungen nötigen Tauschierkanäle oder -gruben, soweit nachzuvollziehen, entweder erst nach dem Guss (z. B. mit Schrotpunzen) oder bereits davor eingebracht wurden. Bevorzugt
breitere und tiefere Aussparungen, wie jene am Sonnenwagen von Trundholm und am Beil von Thun-Renzenbühl, entstanden im Guss, denn ihre Herstellung durch Ausheben
mit Bronzemeißeln bereitete erhebliche Schwierigkeiten.
Daran scheint sich bis zur Spätbronzezeit nur wenig geändert zu haben.
Die genaue Herkunft der Tauschiertechnik bleibt nach
den neuen Untersuchungen letztlich weiterhin unklar. Daran
können auch die Funde von Nebra nur wenig ändern. Sie liefern aber zumindest einige Indizien: Die offensichtliche
stilistische Ähnlichkeit der beiden Schwerter mit bronzezeitlichen Fundstücken aus dem Apa-Hajdúsámson-ZajtaKomplex ist dabei auffällig und könnte auf Impulse aus Südosteuropa verweisen. Das Gold der Himmelsscheibe selbst
könnte den Metallanalysen zufolge aus Siebenbürgen stammen und würde demnach auf Kontakte in dieselbe Region
deuten.
Schon länger ist bekannt, dass dem Karpatenraum eine
besondere Stellung in der Bronzezeit zukam, zumal die
ansässigen Kulturen engere Kontakte zum ägäischen Kulturraum unterhielten. Von dort aus strahlten minoischmykenische Kulturelemente vereinzelt in den Norden und
Nordosten Europas aus, wobei in diese Gebiete mitunter
fremde Objekte importiert wurden (Werner 1952; Schauer
1984). Auf umgekehrtem Weg gelangten so nordische und
mitteleuropäische Produkte in den Süden. Es erscheint nun
22 Vgl. Abschnitt zur Arsenierung weiter unten.
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keinesfalls abwegig, dass hierdurch gleichermaßen technologisches wie handwerkliches Wissen ausgetauscht wurde,
sodass die Kunst des Tauschierens, wenn auch über Zwischenstufen, das Europa nördlich der Alpen erreicht haben
könnte.
Gerade die beiden Artefakte aus Thun und Nantes, die
mit ihren markanten Doppeltauschierungen erstaunliche
Gemeinsamkeiten mit den frühmykenischen Dolchen aufweisen, machen eine Herkunft aus dem ägäischen Kulturraum wahrscheinlich. Leider liegen ausgerechnet aus der
Region Südosteuropas keine tauschierten Funde vor, wodurch eine lückenlose Rekonstruktion des Technologietransfers misslingt. Solange sich diese spärliche Fundlage
nicht erhellt, ist die Herkunftsfrage für die Tauschiertechnik
nicht verlässlich zu klären.
Welche Position bei allem die mit unzähligen Goldstiftchen versehenen Dolchgriffe oder -knäufe aus Holz bzw.
Bernstein der westeuropäischen älteren Bronzezeit (Atlantische Bronzezeit) einnehmen, ist dabei völlig unklar, zumal
außerhalb ihres Verbreitungsgebietes in Südengland und
der Bretagne kaum Vergleiche existieren23. Unverkennbar
ist jedoch, dass hier die gleiche ästhetische Motivation der
Kontrastierung und Hervorhebung wie bei den tauschierten
Metallobjekten weiter östlich zugrunde liegen dürfte.
Künstliche Metallüberzüge auf Arsenbronzen
Bevor im Verlauf der Frühbronzezeit die gezielte Herstellung von Zinnbronze aufkam und sie danach schnell zur
Hauptlegierung der Bronzezeit avancierte, waren Kupferlegierungen mit Arsen oder reines Kupfer dominierend. Vor
allem das sogenannte »Arsenkupfer« (auch »Arsenbronze«
genannt) wurde zu Beginn der Bronzezeit fast überall massenhaft verwendet. Die Gehalte an Arsen in den Metallfunden schwanken dabei erheblich, liegen aber meistens unterhalb von 3 Masse-%. Höhere Arsenanteile werden hingegen
nur selten beobachtet. Objekte mit einem Arsenanteil in der
Legierung von 18 Masse-% oder sogar mehr, wie ihn einige
Beispiele aus dem Kaukasus aufweisen, stellen die große
Ausnahme dar (Ravich/Ryndina 1995)24. Im Gegensatz zur
klassischen Zinnbronze, die eindeutig bewusst durch das
Legieren von Zinn und Kupfer erzeugt wurde, bestehen aber
noch immer erhebliche Unklarheiten darüber, ob man arsenhaltiges Kupfer genauso gezielt herstellte. Häufig wird
davon ausgegangen, dass Kupfer-Arsenlegierungen zufällige Produkte bei der Verhüttung kupfer- und arsenhaltiger
Erze seien, die in der Natur nicht selten miteinander vergesellschaftet sind (z. B. als Fahlerze). Demgegenüber befürworten andere Erklärungsansätze eine absichtliche Rohstoffauswahl und Metallproduktion (Ottaway 1994, 136 f.;
Lechtman/Klein 1999).
Wiederholt haben in der Vergangenheit auch die immer
wieder an prähistorischen Arsenkupfergegenständen auftretenden stark arsenhaltigen Oberflächenschichten zu Diskussionen geführt. Diese Oberflächenschichten verleihen
23 Ob ein ähnlich verziertes Schwert aus den
Kammergräbern von Dendra in Griechenland
als Vorbild für die Goldstiftzier fungierte, ist
den an sich kupferfarbenen Objekten eine silbrig-glänzende
Erscheinung und erwecken den Eindruck einer bewussten
»Versilberung« der Metalloberfläche. Bis heute ist allerdings
ungeklärt, ob es sich hierbei wirklich um eine intentionelle
»Arsenierung« aus ästhetischen Motiven heraus handeln
kann. Metallkundliche Untersuchungen haben zwar verschiedentlich gezeigt, dass die meist nur wenige 1o µm dicke
Oberflächenschicht aus der Anreicherung der arsenreichen
γ’-Phase Cu3As (28,1 Masse-% Arsen), mineralisch α-Domeykit, resultiert, verlässliche Rückschlüsse auf eine bewusst
künstliche Erzeugung waren damit aber bis heute nicht
möglich. Grund dafür ist, dass die für die Schichtbildung
verantwortlichen Vorgänge nicht zwangsläufig auf eine
kontrollierte Erzeugung hindeuten müssen.
Als Ursachen für die Anreicherung zog man auf der einen
Seite Seigerungserscheinungen (umgekehrte Blockseigerung
oder Arsenschweiß) durch den Guss (Meeks 1993; Scott
2oo2) sowie Ausscheidungsvorgänge während der Bodenlagerung infolge intensiver Umformung der Objekte (Budd
1991; Meeks 1993) in Betracht. Auf der anderen Seite wurde
die Zementation von Arsendämpfen durch thermische Zersetzung von Arsenmineralen erwogen (Smith 1973). Erstgenannter Prozess soll in ganz ähnlicher Weise für silberne
Metallüberzüge auf Zinnbronzen verantwortlich sein (Zinnschweiß).
Welcher der drei erwähnten Prozesse für die Schichtbildung bei arsenhaltigem Kupfer verantwortlich ist, scheint
von Fall zu Fall verschieden zu sein. Bei einem der bekanntesten Beispiele, einer hethitischen Stierstatue aus Horoztepe
in Nordostanatolien (ca. 21oo v. Chr.), die allerdings aus Zinnbronze besteht, wurde als Ursache für die silberne Schicht
beispielsweise eine künstliche Behandlung der Oberfläche
mit Arsenverbindungen in Erwägung gezogen (Smith 1973).
Dagegen wird bei mehreren frühbronzezeitlichen sogenannten »atlantischen Dolchklingen« aus Zentral- und Westeuropa eine Kombination von Seigerungseffekten und Ausscheidungen für wahrscheinlich gehalten (Budd 1991;
Meeks 1993). Bekannte Funde solcher Dolche stammen u. a.
vom Gräberfeld bei Singen am Hohentwiehl, Lkr. Konstanz,
sowie aus dem oben bereits erwähnten Hortfund von GauBickelheim (Hundt 1971; Krause 1988, 58–62).
Der Singener Dolch (ca. 2ooo v. Chr.) aus Grab 76
(Abb. 25) wurde bereits durch die Arbeitsgruppe »Studien
zu den Anfängen der Metallurgie« chemisch untersucht. Die
dabei festgestellten erhöhten Arsenwerte von etwa 4 Masse-%
wurden damals auf die mitbeprobte arsenreiche Oberflächenschicht zurückgeführt (Krause 1988, 56–63; 192; AnalysenNr. HDM 2o8). Eine im Rahmen des Forschungsprojektes
FOR 55o mit einem energiedispersiven Röntgenfluoreszenzsystem durchgeführte Analyse am präparierten Anschliff
einer Probe desselben Dolches verdeutlicht jedoch, dass es
sich insgesamt um eine stark arsenhaltige Legierung mit ca.
5 % Arsen handelt. Die metallographische Untersuchung
der Probe zeigt ein heterogenes, mit Gleitlinien und Restdendriten durchsetztes Schmiedegefüge. Beidseitig der
eher fraglich (Persson 1931, 35). – Zu den südenglischen und bretonischen Exemplaren
siehe Gerloff 1975.
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24 Metallographische Untersuchungen legen
nahe, dass ein großer Anteil des Arsens als
nichtmetallische Einschlüsse oder intermetallische Phasen vorliegt.
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Abb. 25 Dolch aus Grab 76 des Gräberfeldes
von Singen am Hohentwiel, Lkr. Konstanz,
wahrscheinlich um 2ooo v. Chr., mit silbriger
Oberflächenschicht (»Arsenierung«). Die Klinge
ist zusätzlich mit einem ziselierten Linienbanddreieck und gepunztem Pointillé-Muster verziert.
5 cm
Klinge finden sich die Reste der maximal 4o µm dicken,
porösen Oberflächenphase ohne erkennbare eutektische
Struktur, die stellenweise auch im Kern und vor allem an der
Schneide auftritt (Abb. 26–27). Zudem sind entlang der
Korngrenzen dünne Bänder der gleichen Phase zu sehen.
Dem Arsenanteil zufolge (27,5–29 Masse-%) handelt es sich
auch hier um die an einigen anderen Artefakten beobachtete
intermetallische Domeykit-Phase. Anders als bei der an der
Stierstatue aus Horoztepe durchgeführten röntgendiffraktometrischen Untersuchung, die durch die Präsenz der
hexagonalen Hochtemperaturmodifikation β-Domeykit oder
Cu3-xAs (γ-Phase) auf einen thermischen Prozess und damit
möglicherweise auf eine bewusste Erzeugung hinweist
(Smith 1973), entspricht das Röntgendiffraktogramm der
Oberfläche des Singener Dolches einwandfrei der kubischen
Modifikation α-Domeykit (γ’-Phase). Somit liefert dieser
Dolch keinerlei Hinweise auf eine bewusste Arsenierung der
Art von Horoztepe.
Zum besseren Verständnis und zur Klärung der der
Schichtbildung und Gefügecharakteristika zugrunde liegenden Prozesse am Beispiel des Singener Dolches wurden entsprechend dem europäischen IMMACO-Programm synthetische Kupfer-Arsenlegierungen mit 5 % Arsen hergestellt
und unterschiedlich bearbeitet (Beldjoudi u. a. 2oo1). Das
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Abb. 26 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen des Gefüges der
Probe des Singener Dolches, Rückstreumodus. Deutlich sind als weiße
Bereiche auf der Oberfläche und als Schlieren im Kernmaterial die Arsenanreicherungen in Form von α-Domeykit zu erkennen.
Abb. 27 Mikrostruktur derselben Probe
wie in Abb. 26, nur
unter Hellfeldbedingungen des Lichtmikroskops, geätzt mit
salzsaurem FeCl3.
Auch hier sind die
Arsenausscheidungen
(hellblau) auf der
Oberfläche und interkristallin zu sehen.
Augenmerk lag dabei auf der Entstehung eines Metallüberzuges und zusätzlich auf dem Gießverhalten, den Schmiedeeigenschaften sowie dem Korrosionsverhalten der Legierungen. Die Untersuchungen und die Auswertung der Ergebnisse
dauern zz. noch an. Allerdings konnten bereits aufschlussreiche Ergebnisse bezüglich der Arsenanreicherung
durch die Schmiedeversuche gewonnen werden. Entlang
von Korngrenzen traten durch wiederholtes Umformen und
Tempern die schon am Singener Dolch und anderen archäologischen Objekten nachgewiesenen Anreicherungen von
Cu3As in Form feiner Bänder auf. Die Beobachtungen an
den präparierten Anschliffen verdeutlichen damit, dass die
interkristallinen, arsenreichen Ausscheidungen – anders als
bisher angenommen (Budd 1991; Meeks 1993) – schon während des Formgebungsprozesses von Objekten aus Arsenkupfer entstehen können und nicht erst bei der Bodenlagerung auftreten.
Eine silbrige Oberflächenschicht konnte durch die
Schmiedeversuche indessen nicht erzielt werden. Es ist aber
noch nicht abzusehen, wie sich die Kupfer-Arsenlegierungen über einen längeren Zeitraum und bei Korrosion verhalten. Möglicherweise findet die Ausscheidung von α-Domeykit auch nach der Formgebung interkristallin und eventuell
zusätzlich auf der Metalloberfläche statt, sodass sich dadurch silberne Schichten ergeben.
Patinierung
Unter Patinierung oder Patinieren versteht man die künstliche Korrosion eines Metalls durch Behandlung in korrosiven Medien mit dem primären Zweck, die Oberfläche durch
die Ausbildung von Korrosionsschichten farblich zu gestalten. Ob diese Verzierungstechnik bereits in vorgeschichtlicher Zeit bei Metallen zur gezielten Beeinflussung ihrer
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Erscheinung Anwendung fand, wird in der Fachwelt seit
Langem diskutiert. Allerdings gehört – im Gegensatz zu den
vorher beschriebenen Ziertechniken – das Färben von Metallen durch künstliche Korrosion zu denjenigen Techniken
der Vorgeschichte, über deren Anwendung mit Abstand am
wenigsten bekannt ist, weil es an Funden mangelt und häufig Spuren fehlen. Bislang gibt es für den Raum nördlich der
Alpen keinerlei wissenschaftliche Studien, die sich diesem
Aspekt systematisch und tiefer gehend widmen. So verwundert es kaum, dass bisher keine patinierten Artefakte vorgeschichtlicher Zeitstellung aus Mittel-, Nord- und Westeuropa sicher identifiziert wurden. Im Rahmen des Projektes
»Aufbruch zu neuen Horizonten« wird daher erstmals der
Versuch unternommen, die Technik der Patinierung für die
Bronzezeit nördlich der Alpen anhand relevanter Metallfunde interdisziplinär und mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden zu verfolgen, um so möglicherweise eine
Forschungslücke zu schließen.
Erschwert wird diese Studie, wie angedeutet, allerdings
durch mehrere Gesichtspunkte. Zunächst muss man sich
vergegenwärtigen, dass heutiges Ästhetikempfinden keineswegs ohne Weiteres auf bronzezeitliche Verhältnisse übertragen werden kann. Zwar spielten Farben, Farbeindrücke
und Kontraste seit jeher eine wichtige und treibende Rolle
im künstlerischen und handwerklichen Schaffen des Menschen; dennoch haben sich im Laufe der Zeit Geschmack
und Stil vielfach geändert. So mögen wir heutzutage z. B.
bestimmte Farbkombinationen als ästhetisch erachten, die
damals durchaus als nicht ansprechend empfunden wurden.
Im Gegenzug sind so manche stilistische Eigenarten des
Altertums aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehbar.
Deshalb ist die Gefahr groß, die Anwendung einer hauptsächlich der Ästhetik dienenden Technik wie der Patinierung für archäologische Objekte zu veranschlagen, bei
denen, vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, eine
Metallfärbung sinnvoll bzw. dekorativ wäre, die aber entsprechend damaligen Schönheitsidealen oder Ansichten bei
den Gegenständen gar nicht angewendet wurde. Fehlinterpretationen und voreilige Schlüsse sind deswegen ohne eingehende Überprüfung durch die Naturwissenschaften sehr
leicht möglich.
Zusätzlich erschwert wird die Untersuchung der Patiniertechnik durch die jahrtausendelange Bodenlagerung und die
damit einhergehende Korrosion von Metallobjekten. Die auf
Kupfer, Bronze und anderen Kupferlegierungen auftretenden, oft als »Edelpatina« bezeichneten hell- bis dunkelgrünen, teilweise fast schwarz wirkenden natürlichen Korrosionsschichten lassen die Artefakte zwar aus moderner Sicht
»schön« erscheinen, sie verfälschen aber fast immer die
ursprüngliche Wirkung der Objekte in entscheidender
Weise. Grund dafür ist die Überlagerung oder Umbildung
der prähistorischen Oberfläche. In der Folge bleiben uns die
künstlerische Intention des Handwerkers und eine etwaige
gewollte Metallfärbung meist verborgen. Ferner behindern
natürliche Korrosionsschichten maßgeblich den Nachweis
der Patinierung mittels naturwissenschaftlicher Methoden,
da sie größtenteils identische Korrosionsprodukte enthalten. Eine verlässliche Trennung künstlich und natürlich entstandener Korrosionsprodukte ist in den wenigsten Fällen
möglich. Da zudem die Bandbreite auftretender Farben
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natürlicher und intentioneller Korrosionsschichten nahezu
identisch ist, gibt es ohne begründeten Anlass kaum eine
Möglichkeit, patinierte Objekte im Fundgut ausfindig zu
machen, geschweige denn eine Patinierung nachzuweisen.
Trotz der Schwierigkeiten ist es den Wissenschaftlern in
den letzten beiden Jahrzehnten des 2o. Jh. gelungen, eine
Vielzahl künstlich korrodierter Bronzeartefakte zu bestimmen. Diese stammen ausnahmslos aus dem mediterranen
Raum und sind dem ägyptischen, mykenischen sowie dem
Kulturkreis des Vorderen Orients zuzuschreiben. Die ältesten sicher belegten Gegenstände sind mit dem schon
erwähnten Krokodil (Abb. 18) und dem Sichelschwert
(Abb. 19) vom Beginn des 2. Jt. v. Chr. aus Ägypten und Palästina bekannt (Giumlia-Mair 1995; Giumlia-Mair 1997). Bei
allen Objekten fallen sofort die dunklen, fast schwarz
gefärbten, häufig in blauen und violetten Nuancen schimmernden Korrosionsschichten auf Kupferlegierungen ins
Auge. Außerdem ist allen Beispielen gemein, dass sie zusätzlich in Tauschiertechnik mit verschiedenen Kombinationen
aus Gold, Silber und Kupferlegierungen verziert sind25.
Besonders letztgenanntem Umstand verdanken diese
Artefakte und vor allem die an ihnen praktizierte Metallfärbung ihre Entdeckung. Eine Patinierung tauschierter Objekte lässt sich nämlich aus ästhetischer Sicht begründen:
Die Zusammenstellung verschiedener Metalle im blanken,
glänzenden Zustand bietet trotz unterschiedlicher Eigenfarben meist nur schwache Farbkontraste, sodass sich Tauschierungen unter diesen Voraussetzungen aus heutiger
Sicht als wenig effektvoll erweisen (Abb. 13a). Durch die Veränderung der Eigenfarbe eines der Metalle, z. B. durch
Schwärzung26, kann der Kontrast erheblich gesteigert und
somit eines oder mehrere der Metalle hervorgehoben werden (Abb. 13b). Die Anwendung der Patinierung an den vielen tauschierten Objekten aus dem Mittelmeerraum ist
danach plausibel zu erklären. Im Weiteren bedeutet dies,
dass Tauschierungen in diesem Kulturraum meist eine Patinierung bedingen und dadurch gleichzeitig Indikator für
eine künstliche Metallfärbung sein können, deren Identifizierung deshalb erheblich leichter fällt. Als weiterer Anhaltspunkt für eine intentionelle Färbung wird hier immer
der auffallend hohe Edelmetallgehalt der patinierten Kupferpartien angesehen, der für die dunklen Patinafarben verantwortlich sein soll.
Ähnliche ästhetische Beweggründe könnten auch bei
Gegenständen außerhalb der Mittelmeerregion eine künstliche Korrosionsbehandlung motiviert haben. Dass das keineswegs abwegig ist und starke Farbkontraste an Metallobjekten in der Bronzezeit auch anderswo erwünscht gewesen
sein müssen, zeigen die vielen mit schwarzen oder dunkelbraunen, harzigen Massen inkrustierten Vollgriffschwerter
und -dolche aus Nordeuropa (Ottenjann 1969). Da diese
25 Zu den wohl bekanntesten, in perfekter Tauschiertechnik verzierten Objekten gehören die
aus den Schachtgräbern von Mykene und
anderen Orten Griechenlands geborgenen Dolche mit Vogel-, Wassertier- und Raubtierdarstellungen (Xenaki-Sakellariou/Chatziliou
1989; Papadopoulos 1998), bei denen ein dunkel gefärbter Bildträger aus einer Kupferlegierung der Kontraststeigerung diente (Abb. 2o).
Waffen möglicherweise tauschierte und zugleich dunkel
patinierte Vorbilder imitieren, konzentriert sich die Studie
zur Patiniertechnik nördlich der Alpen zuvorderst ebenfalls
auf tauschierte Objekte. Nicht zuletzt rechtfertigt die immer
wieder erwogene Herkunft der Tauschiertechnik Mittelund Nordeuropas aus dem Mittelmeerraum diese Vorgehensweise. Ferner werden in die Untersuchung auch Funde
einbezogen, die auf andere Weise Metallzusammenstellungen zeigen27, denn auch bei diesen ist eine bewusste Kontrastierung denkbar.
Als Untersuchungsobjekte dienen zunächst die wenigen,
weiter oben im Abschnitt zur Tauschiertechnik beschriebenen frühbronzezeitlichen Funde. Die Einlagen der tauschierten Schwerter sowie möglicherweise der breite Streifen des
Schweizer Beils bestehen, wie herausgestellt wurde, aus
nahezu reinem Kupfer. Hochlegierte Zinnbronze mit bis zu
12 Masse-% Zinn wurde als Grundmetall verwendet. Demnach liegt der Hauptunterschied zu den tauschierten Funden aus dem Mittelmeerraum in der chemischen Zusammensetzung der eingelegten Metallpartien. Den patinierten
Intarsien der mediterranen Objekte wurden fast immer
1–3 % Gold, häufig auch einige Prozent Silber absichtlich
beigemischt, um gezielt die dunklen Korrosionsschichten zu
erzeugen (Giumlia-Mair 1996; Giumlia-Mair 1997).
Mittels röntgendiffraktometrischer Analysen, die Aussagen zur Art der Korrosionsprodukte erlauben, wurde als
farbgebendes Mineral in den patinierten Stellen der mediterranen Objekte ausnahmslos Cuprit identifiziert. Dieser ist
normalerweise rot bis rötlich-braun gefärbt, doch durch den
Zusatz von Gold oder Silber soll dieses einwertige Kupferoxid (Cu2O) die angesprochene blau- bis violett-schwarze
Färbung annehmen können28. Korrosionsversuche mit goldhaltigen Kupferlegierungen im Rahmen des Forschungsprojektes FOR 55o bestätigen den großen Einfluss von Gold auf
die Patinabildung und liefern farblich identische Korrosionsschichten. Zusätzlich konnte festgestellt werden, dass die
erzielten Schichten bei natürlicher Korrosion ausgesprochen farbstabil bleiben, was den noch immer violetten Eindruck nach der langen Bodenlagerung erklärt. Ein erhöhter
Edelmetallgehalt in der Legierung scheint somit in Verbindung mit den markanten Patinafarben offenbar als verlässlicher Indikator für eine künstliche Korrosion geeignet zu
sein, zumal Gold in geringen Gehalten weder Einfluss auf
die Eigenfarbe des Kupfers noch nachhaltig auf seine Härte
nimmt.
Da allen bislang analysierten Artefakten mit Einlagen
nordwärts der Alpen jedoch entsprechende Edelmetallanteile fehlen, wäre damit – abgesehen von der Tauschierung
an sich – das wichtigste Erkennungsmerkmal einer Patinierung hinfällig. Außerdem sollten nach den Aussagen in der
Literatur an diesen Objekten keine den mediterranen Ver-
Erst seit einigen Jahren ist klar, dass es sich
bei dem Bildträger um eine patinierte Kupferlegierung handelt und dass er nicht – wie bis
dahin angenommen – aus Niello besteht.
26 Korrosionsschichten können durch künstliche
Korrosion eine Vielzahl von Farben annehmen, die man durch bestimmte Chemikalien
gezielt steuern kann.
27 Beispielsweise Plattierungen, Umwicklungen,
Steckverbindungen und Vernietungen.
28 Mitunter werden auch Eisen und Arsen als
farbgebende Legierungsbestandteile dunkler
Korrosionsschichten angesehen, und zwar bei
solchen Objekten, bei denen sich die schwarze
Farbe der Patina aufgrund der Abwesenheit
von Edelmetall nicht erklären lässt.
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tretern vergleichbar dunklen, intentionell erzeugten Korrosionsschichten auftreten. Dennoch zeigt in erster Linie das
reich verzierte Schwert aus den Marais de Nantes sichtlich
dunkel gefärbte Kupferstreifen, die mit den eingelegten
Zickzackbändern aus Gold und dem Bronzegrundmetall
bestens kontrastieren (Abb. 23). Die Tauschierungen der
übrigen Schwerter sind zwar durch natürliche Korrosionsvorgänge stark überprägt; trotzdem sind auch hier stellenweise dunkle Partien zu erahnen.
In der Tat schließt das Fehlen von Edelmetallen im Kupfer eine Patinierung nicht grundlegend aus: Einerseits könnten genauso gut andere Patinafarben zur Kontrastierung
bewusst erzeugt worden sein, andererseits kann Kupfer
auch durch die Kupferverbindungen Tenorit (CuO), Chalkosin (Cu2S) oder Covellin (CuS) geschwärzt werden. Mit den
entsprechenden Korrosionsmedien ist es sogar möglich,
Kupfer ohne jeden Edelmetallanteil allein durch Cuprit dunkel zu patinieren (siehe unten). Anders als dieser, dessen
Farben sehr variabel sind, weisen Tenorit und die Kupfersulfide jedoch konstante braun- bis blau-schwarze Farbtöne
auf. Deshalb ist es wenig überraschend, dass Kupfersulfide
vermehrt als farbgebende Verbindungen auf künstlich
gefärbten, z. T. tauschierten Bronzen nachgewiesen wurden
(Willer 1994).
Einem möglichen Zusammenhang zwischen Tenorit und
Patiniertechnik wurde dagegen bis jetzt noch nicht nachgegangen. Dabei könnte gerade dieses zweiwertige Kupferoxid
wertvolle Hinweise auf eine künstliche Metallfärbung
geben, da es unter natürlichen Korrosionsbedingungen nur
in Ausnahmefällen entsteht (Scott 2oo2, 95) und zudem
seine braune bis schwarze Eigenfarbe, vergleichbar den Kupfersulfiden, unabhängig von der Legierungszusammensetzung ausbildet. Sollte sich Tenorit beispielsweise zu signifikanten Anteilen in den Korrosionsschichten tauschierter
Artefakte finden lassen, könnte hiermit ein möglicher Anhaltspunkt für künstliche Korrosion gegeben sein. Es muss
jedoch ausgeschlossen werden, dass die Objekte hohen Temperaturen ausgesetzt waren, denn unter diesen Verhältnissen bildet sich Tenorit bevorzugt. Da aber Analysen zu den
Korrosionsprodukten an den Untersuchungsobjekten zz.
noch ausstehen, können bis auf Weiteres keine Aussagen
dazu getroffen werden, worauf die Dunkelfärbungen der
Tauschierungen beruhen29.
Neben dem Nachweis der künstlichen Metallfärbung in
der Bronzezeit wird in der Studie zur künstlichen Korrosion
dem ebenso wichtigen Aspekt möglicher Korrosionsmedien
nachgegangen, mit denen Metallobjekte zur Patinierung behandelt worden sein könnten. Obwohl viele künstlich korrodierte Artefakte mediterraner Herkunft vorliegen, bleibt bis
heute ungeklärt, auf welche Weise und womit man dort im
Einzelnen patinierte, weil prozessbedingte Charakteristika
kaum existieren. Gerne werden zur Erklärung Analogien zu
zeitgenössischen Patiniertechniken in Japan angeführt, wo
noch heute Kupfer-Gold- und Kupfer-Silberlegierungen mit
verschiedenen Lösungen aus Essigsäure, Kupfersulfat und
29 Phasenanalysen der Untersuchungsobjekte
sind im weiteren Verlauf des Projektes
FOR 55o noch vorgesehen.
Kupferacetat (Grünspan) geschwärzt werden (Oguchi 1983;
Giumlia-Mair/Lehr 2oo3). Ähnliche Rezepturen für Patinierlösungen lassen sich zwar durch Schriftquellen bis kurz
nach der Zeitenwende zurückverfolgen (Giumlia-Mair 2oo2),
ihre Anwendung rund 2ooo Jahre früher ist allerdings nicht
belegbar. Unwahrscheinlich ist auch eine Färbung des
Metalls durch starkes Glühen bei ca. 8oo–9oo °C (Rotglut)
und anschließendem Abschrecken in Wasser, wie es der
griechische Gelehrte Pausanias im 2. Jh. n. Chr. beschreibt
(Giumlia-Mair/Lehr 2oo3). Gleiches gilt überdies für die Oxidation von Metall bei hohen Temperaturen, da hierdurch nur
schlecht haftende Oberflächenschichten entstehen. Weiterhin wurde in der Vergangenheit durch umfassende Korrosionsversuche eine Reihe unterschiedlicher Korrosionsmittel
für die Metallfärbung zur Diskussion gestellt, von denen
jedoch nur die wenigsten für eine prähistorische Nutzung in
Betracht kommen (Uno 1929).
Um dem sichtlich rudimentären Kenntnisstand abzuhelfen, wurden ausgedehnte Testreihen mit verschiedenen
Patinierlösungen durchgeführt. Diese sollten hierbei auf
ihre Brauchbarkeit für die bronzezeitliche Metallfärbetechnik, insbesondere für Objekte nördlich der Alpen, überprüft
werden. Dabei wurde großer Wert darauf gelegt, nur Patiniermethoden auszutesten, welche mit Chemikalien arbeiten, die bereits in der Bronzezeit bekannt gewesen sein
könnten. Dazu zählen zuvorderst Pottasche, Soda und
Ammoniak; aber auch Ammoniumchlorid (Salmiak) und
Ammoniumhydrogencarbonat (Hirschhornsalz) waren von
Interesse.
Besonders Ammoniak wurde experimentell größere Aufmerksamkeit geschenkt, denn als wesentlicher Bestandteil
abgestandenen Urins ist er naturgemäß – wenn auch nur
indirekt wegen seines stechenden Geruchs – von alters her
bekannt. Aufgrund seiner alkalischen Eigenschaften und
hohen chemischen Reaktivität auf Metallkationen, insbesondere Kupfer, wurde er zudem nachweislich bereits in der
Vorgeschichte vielseitig eingesetzt: Außer zum Waschen
und Färben von Textilien dienten ammoniakalische Lösungen in Form von Urin vor allem in der Lederproduktion zum
Gerben von Häuten. Darüber hinaus erfuhr er medizinisch
oder kosmetisch mannigfaltigen Einsatz. Es liegt deshalb
nahe, dass ammoniakhaltige Urinlösungen – sei es menschlicher, sei es tierischer Herkunft – auch bei verschiedenen
metallurgischen Prozessen eine Rolle spielten. Zumindest
für das Mittelalter belegen dies Schriftquellen (Smith/Hawthorne 1974; Brepohl 1987; Bartl u. a. 2oo5) und auch bei Plinius (Naturgeschichte, XXXIII–XXXIV; Möller/Vogel 2oo7)
wird Urin mehrfach in Verbindung mit der Metallurgie
erwähnt.
Korrosionsexperimente mit ammoniakalischen Lösungen
wurden zum einen an reinem Kupfer, zum anderen an verschiedenen Kupferlegierungen mit Zinn, Arsen, Blei, Silber
und Gold jeweils in Blechform vorgenommen30, um damit
den Großteil der in der Bronzezeit hergestellten Metalle
abzudecken31. Außerdem wurde sowohl mit kalten als auch
3o Korrosionsexperimente wurden durchgeführt
an: Cu; CuAu2; CuAu3; CuAu1Ag1; CuAg1,5;
CuAg5; CuSn2,5; CuSn1o; CuAs5; CuPb2.
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31 Mit den anderen chemischen Substanzen
wurden ebenfalls größere Korrosionsreihen
durchgeführt. Ihre Auswertung dauert jedoch
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a
b
c
d
e
f
Abb. 28 In kalten ammoniakalischen Lösungen patinierte Blechproben (Maße ca. 4 x 3 cm). a Reines Cu; b CuSn2,5; c CuSn1o; d CuAs5; e CuAu2; f CuAg3.
mit heißen Ammoniak- und Urinlösungen korrodiert. Hierbei zeigt sich die unterschiedlich gute Patinierbarkeit von
Kupfer und seinen Legierungen. Während unlegiertes Kupfer und die Legierungen mit Gold und Silber sehr gute Patinierergebnisse liefern, bilden gerade die Legierungen mit
hohen Zinn- und Arsenzusätzen unter gleichen Bedingungen fast keine oder nur sehr helle und z. T. unansehnliche
Korrosionsschichten aus. Höchstwahrscheinlich wirken diese Legierungselemente in ammoniakalischem Milieu durch
Bildung schützender Schichten korrosionshemmend. Dagegen sind die Korrosionsschichten bei geringeren Zinngehalten mit denen der Legierungen mit Edelmetallen und reinem Kupfer sowie Kupfer-Blei vergleichbar. In allen Fällen
entstehen bei kalter Anwendung der Lösungen – mit geringen Unterschieden – schwarz-blaue bis schwarz-violette, z. T.
dunkelbraune Überzüge. Diese sind überdies sehr kompakt
noch an und soll zusammen mit der ausführlichen Besprechung der Ammoniak- und
Urinexperimente in Berger (in Vorbereitung)
vorgestellt werden.
und gleichmäßig ausgebildet (Abb. 28). Der Glanz der Patina
hängt indes von der Vorbehandlung der Metalle ab, wobei
der höchste Glanz bei sorgfältiger Polierung auftritt. Zudem
scheint sich die Brillanz der Patinafarben durch die Beigabe
von Gold merklich zu verbessern.
Die Charakterisierung der entstandenen Korrosionsschichten auf den Blechen erfolgte durchweg mittels µ-Röntgendiffraktometrie in situ und an Pulverpräparaten32. Exemplarisch wurden Proben metallographisch und anschließend
rasterelektronenmikroskopisch untersucht. Die bisher erlangten Ergebnisse vermitteln ein übereinstimmendes Bild:
Die Schichten auf reinem Kupfer und seinen Legierungen
mit Gold und Silber enthalten lediglich Cuprit. Demnach
scheint allein Cuprit für die intensive dunkelviolette bis
dunkelblaue Farbe verantwortlich zu sein, wie es auch bei
den dunkel patinierten Artefakten aus dem Mittelmeerge-
32 Die Phasenbestimmungen wurden mit einem
µ-Röntgendiffraktometer (GADDS) am Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt in Magde-
burg von M. Schulz und am Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen von
Ch. Berthold vorgenommen.
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biet der Fall ist. Für Cupritlagen auf Kupfer-Goldlegierungen
und Kupfer-Gold-Silberlegierungen war ein derartiges von
der üblichen roten bis rot-braunen Färbung abweichendes
Farbverhalten bekannt gewesen33. Neu ist allerdings – und
das ist entscheidend –, dass auch völlig reines Kupfer Cuprit
ausbilden kann, der dunkelviolett bis anthrazitgrau erscheint, wenngleich er bezüglich Brillanz und Farbintensität
den Cupritschichten auf Kupfer-Edelmetalllegierungen etwas
nachsteht.
Es ist einleuchtend, dass der Farbeindruck der Korrosionsschichten auf unlegiertem Kupfer nicht auf Fremdstoffe oder Legierungszusätze zurückzuführen ist. Vielmehr
muss die Ursache in der Ausbildung oder im Wachstum des
Cuprits selbst liegen, die bzw. das maßgebend Einfluss auf
die Absorptionseigenschaften für sichtbares Licht hat. Mit
den bisher durchgeführten Untersuchungen kann jedoch
keine eindeutige Erklärung für die Beobachtungen abgegeben werden. Vielleicht spielen hier Faktoren wie Kristallgröße und Schichtdicke des Cuprits eine tragende Rolle,
denen durch entsprechende Analysemethoden nachgegangen werden muss (Berger in Vorbereitung). Dennoch soll
vorerst nicht gänzlich die Existenz kleiner Mengen Tenorit
in den Korrosionsschichten ausgeschlossen werden, der sich
gerade wegen des hohen pH-Wertes bei der Patinierung mit
Ammoniak und Urin neben Cuprit gebildet haben könnte,
jedoch durch die verwendeten Methoden nicht erfasst wurde.
Sollten sich die Ergebnisse durch weitere Analysen jedoch reproduzieren und sich identische Patinae auch weiterhin in Urin erzielen lassen, wäre damit belegt, dass in der
Vorgeschichte Möglichkeiten bestanden, mit einfachen Mitteln dunkelviolett erscheinende Cupritschichten unabhängig von Edelmetallzusätzen zu erzeugen. Komplizierte chemische Behandlungen in verschiedenen chemischen Bädern
mit Säure- und Kupfersalzbeigaben wären dann nicht zwingend notwendig gewesen.
Es versteht sich jedoch von selbst, dass der Nachweis
einer tatsächlich erfolgten Patinierung der tauschierten Artefakte auf diese Weise nicht zu erbringen ist. Dazu sind die
Phasenanalysen an den bronzezeitlichen Fundstücken nördlich der Alpen abzuwarten. Es scheint sich aber schon zum
gegenwärtigen Zeitpunkt abzuzeichnen, dass der Nachweis
wohl kaum gelingen wird. Im Gegensatz zu den Schichten
auf den Kupferlegierungen mit Gold und Silber ist die künstlich erzeugte Färbung der Patina auf reinem Kupfer nicht
gegen fortschreitende natürliche Korrosion stabil. Erste Versuche zeigen, dass in kürzester Zeit unter Bodenlagerungsbedingungen die violette Farbe des Kupferoxids in ein normales Rot-Braun bis Rot übergeht, sodass damit das einzige
greifbare Indiz verschwindet. Folglich wird die Anwendung
der Patiniertechnik nördlich der Alpen höchstwahrscheinlich auch weiterhin als Spekulation im Raum stehen bleiben.
Nichtsdestotrotz liefern die Korrosionsversuche wichtige
neue Erklärungsansätze und geben interessante, bisher
nicht bekannte Einblicke dahingehend, was in der Bronze-
33 Gold soll in kolloidaler Form die Lichtabsorptionseigenschaften des Cuprits beeinflussen
und somit seine Farbe von rot bzw. rot-braun
nach blau oder violett verschieben.
zeit bezüglich Metallfärbung technisch machbar war. Die
Patinierung in Urinlösungen könnte hierbei eine mögliche,
vor allem aber eine einfache Variante gewesen sein, mit der
die tauschierten Artefakte aus Mittel-, Nord- und Westeuropa kontrastiert wurden. Die offenkundige Selektivität der
Methode für unterschiedliche Metalle könnte es sogar ermöglicht haben, die eingelegten Kupferstreifen zu »schwärzen«, ohne Bronzegrundmetall oder Goldeinsätze stark zu
beeinflussen (Abb. 13b). Selbst der Himmelsscheibe von
Nebra wäre mit diesem Verfahren ein dunkles Aussehen zu
verleihen, um die goldenen Auflagen wie vor einem schwarzem Nachthimmel zu akzentuieren34. Möglicherweise erklärt
sich gerade dadurch der im Vergleich zu vielen zeitgleichen
Metallobjekten geringe Anteil an Legierungselementen, zumal eine Patinierung durch höhere Zusätze stark erschwert
wird.
Indessen fällt auf, dass auch ein Teil der mediterranen
Metallobjekte mit der Urinmethode patiniert worden sein
könnte. Edelmetallzusätze sind dabei höchstwahrscheinlich
der besseren Patinierbarkeit sowie dem spürbaren Einfluss
auf Farbintensität und -stabilität der Patina geschuldet. Weshalb allerdings hierzulande auf vergleichbare Legierungszusätze verzichtet wurde, ist vollkommen unklar. Eventuell
gingen entsprechende handwerkliche Kenntnisse bei der
potenziellen Überlieferung der Tauschiertechnik aus dem
Mittelmeerraum verloren.
Resümee und Ausblick
Die Objekte aus dem Hortfund von Nebra vermitteln uns
einen anschaulichen Eindruck davon, zu welchen handwerklichen Meisterleistungen bereits frühbronzezeitliche
Metallurgen in Mitteleuropa imstande waren. Vor allem hinsichtlich der Tauschiertechnik sucht der Fundkomplex überregional seinesgleichen. Mit nur wenigen bekannten Parallelen, deren Fundorte zudem sehr weit auseinander liegen,
lässt sich aber nur schwer nachvollziehen, welchen Stellenwert Tauschierungen zu dieser Zeit besaßen. Es ist jedoch
offensichtlich, dass man anfangs nur exklusive Objekte für
religiöse oder kultische Zwecke damit ausstattete. Nahezu
unmöglich gestaltet sich bei der derzeitigen Fundlage die
Rekonstruktion des Ursprungs der Ziertechnik. Vornehmlich das geradezu unvermittelte und simultane Auftreten
der Tauschierungen gegen Ende der frühen Bronzezeit an
verschiedenen Orten nördlich der Alpen ohne echte Vorläufer macht eine einheimische Entwicklung eher zweifelhaft.
Vermutlich müssen die Wurzeln der Tauschierung im ägäischen Kulturraum gesucht werden, von wo aus diese Technik über das Karpatengebiet in das westliche Mittel- und
Nordeuropa tradiert wurde. Solange keine weiteren tauschierten Exemplare gefunden sind, wird die Antwort auf
die Herkunftsfrage nicht konkreter ausfallen können.
Gleichwohl ist es möglich, die handwerkliche Umsetzung
von Tauschierarbeiten an den meisten Artefakten nachzu-
34 Die Darstellung eines Nachthimmels mit verschiedenen astronomischen Ereignissen und
Gegebenheiten ist einer der Hauptgründe,
weshalb man bei der Himmelsscheibe von
einer ehemals erfolgten Dunkelpatinierung
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ausgeht. Gleiches könnte auch für den Sonnenwagen von Trundholm gelten, da man
annimmt, dass die Rückseite des Kultobjektes
den Nachthimmel darstellt.
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DANIEL BERGER/ROLAND SCHWAB/CHRISTIAN-HEINRICH WUNDERLICH
vollziehen, was für früh- wie für spätbronzezeitliche Vertreter gilt. Während sich in der Wahl der Einlagematerialien
eine spürbare Entwicklung abzeichnet, bleibt die Herstellung der Tauschiervertiefungen beinahe unverändert.
Sowohl gegossene als auch geschlagene Vertiefungen waren
in der gesamten Bronzezeit üblich.
Erhebliche Probleme bestehen nach wie vor im Nachweis
der Metallfärbung durch Patinierung an archäologischen
Objekten nördlich der Alpen. Die durchgeführten Experimente und Untersuchungen machen zwar deutlich, dass
schon in der Vorgeschichte auf einfache Weise künstlich
korrodiert werden konnte; sie zeigen aber auch die Grenzen
der Naturwissenschaften auf. Da es für künstlich korrodierte
Oberflächen kaum Kennzeichen gibt, die Prozessen während der langen Bodenlagerung widerstehen, ist an den
Artefakten analytisch kaum mehr eine Aussage möglich. So
bleibt voraussichtlich auch die mutmaßliche Patinierung
der Himmelsscheibe und der Schwerter sowie der anderen
älterbronzezeitlichen Fundobjekte spekulativ. Solange die
Ergebnisse der Patinauntersuchungen an den Funden nicht
vollständig vorliegen, soll allerdings noch kein endgültiges
Urteil erfolgen.
Vergleichbares gilt für die Oberflächenfärbung mittels
Arsenierung. Hier gelang es bislang nicht, weder eine künstliche Behandlung nachzuweisen noch arsenreiche Schichten
experimentell zu erzeugen. Nach ersten Beobachtungen entstanden jedoch die silbernen Metalloberflächen an einigen
Fundobjekten nicht intentionell. Dem muss aber noch durch
weit mehr Untersuchungen im Labormaßstab nachgegangen werden35.
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Auszug aus einem Prüfbericht der
Landesmaterialprüfanstalt Sachsen-Anhalt 2oo3
Ch.-H. Wunderlich
LDA
16
17
18
19
R. Schwab
LDA
nach Giumlia-Mair 1996, 314
Abb. 3
LDA
2o
21–25
26–27
28
nach Marinatos 1986, Taf. L
LDA
R. Schwab
LDA
Anschriften
Dipl.-Arch. Daniel Berger
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte
Richard-Wagner-Str. 9
D-o6114 Halle (Saale)
dberger@lda.mk.sachsen-anhalt.de
Dr. Roland Schwab
Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie
C5, Zeughaus
D-68159 Mannheim
roland.schwab@cez-archaeometrie.de
TA G U N G E N D E S L A N D E S M U S E U M S F Ü R V O R G E S C H I C H T E H A L L E • B A N D 0 5 • 2 0 1 0
Dr. Christian-Heinrich Wunderlich
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte
Richard-Wagner-Str. 9
D-o6114 Halle (Saale)
chwunderlich@lda.mk.sachsen-anhalt.de
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