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Roland Nelles

Die Lage am Morgen Der Papst teilt kräftig aus – und erntet Kritik

Roland Nelles
Von Roland Nelles, US-Korrespondent

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um Papst Franziskus, der sowohl die Nato als auch Russland kritisiert, um die neuesten Coronazahlen in den USA – und um einen Erfolg für Donald Trump.

Päpstlicher Rundumschlag mit Folgen

Papst zu sein, ist auch nicht immer leicht. Das erlebt derzeit Franziskus, der aktuelle Stellvertreter Gottes auf Erden. Er versucht mit allen Mitteln und Wegen, die ihm zur Verfügung stehen, das Morden in der Ukraine zu beenden. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er schon mehrfach die Gräueltaten der russischen Seite verurteilt hat und Russlands Präsident Wladimir Putin aufgefordert hat, die Invasion zu beenden. Bekanntlich will Franziskus auch zu Putin reisen. Die geplante Friedensvisite ist bislang allerdings noch nicht zustande gekommen.

Papst Franziskus in Rom: »Bellen« der Nato

Papst Franziskus in Rom: »Bellen« der Nato

Foto: IMAGO/Maurizio Brambatti Bt / IMAGO/ZUMA Wire

Für reichlich Wirbel sorgt derweil ein Interview, das Franziskus der italienischen Zeitung »Corriere della Sera« gegeben hat. In der Politikersprache würde man wohl sagen, er spricht da Klartext: Franziskus gibt der Nato und ihrer Osterweiterung indirekt eine gewisse Mitschuld an der Krise. Das »Bellen« der Nato an Russlands Tür könnte mit zu Putins Invasion geführt haben, so der Papst.

Im Westen erfährt der Papst dafür Kritik. In Moskau dürften sie solche Töne dagegen gern hören. Schließlich entspricht es in etwa der Erzählung, die Putin und seine Getreuen verbreiten. Was dabei stets unterschlagen wird, ist die Tatsache, dass die östlichen Länder vor allem deshalb unter den Nato-Schutzschirm wollen, weil es sich da besser leben lässt als unter der Knute des Kreml. Hier irrt der Papst also, aber geschenkt.

Unter dem Strich verhält sich der Papst in dieser Krise immer noch um Meilen vorbildlicher als etwa der Moskauer Patriarch Kirill I., der Putins Kriegskurs blind unterstützt. In einer Predigt erklärte Kirill zuletzt, man müsse die Gläubigen im Donbass vor Homosexualität schützen, christliche Werte seien in Gefahr. Franziskus erteilte ihm dafür in seinem Interview eine Rüge: Kirill solle sich von Putin nicht zum »Messdiener« degradieren lassen, warnte Franziskus. Kirill ließ daraufhin mitteilen, er verbitte sich die Kritik.

Für sein Verhalten soll der Moskauer Patriarch übrigens auf der Sanktionsliste der Europäischen Union landen. Da gehört er hin.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Das geschah in der Nacht: In der Großstadt Dnipro sind Eisenbahnanlagen beschossen worden. Zivilisten sollen das Asow-Stahlwerk in Mariupol bald verlassen. Und: Özdemir verurteilt Getreidediebstahl in der Ukraine. Der Überblick.

  • »Wir dachten, dass uns alle vergessen haben«: Die ersten Flüchtlinge aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol haben das ukrainisch kontrollierte Saporischschja erreicht. Sie beschreiben ein Martyrium, das Hunderte Zurückgebliebene weiter durchleben. 

  • Russische Streitkräfte in Kaliningrad simulieren Atomangriff: Die Sorge vor einer nuklearen Eskalation im Ukrainekrieg wächst. Nun hat Moskau nach eigenen Angaben den »elektronischen Start« ballistischer Raketensysteme geprobt. Das dürfte als Signal zu verstehen sein.

  • Diese Rolle spielen Kampfhubschrauber im Ukrainekrieg: MiG-Lieferungen aus Osteuropa, Bayraktar-Drohnen aus der Türkei: Kampfjets und unbemannte Fluggeräte stehen im Ukrainekrieg in den Schlagzeilen. Von Hubschraubern hört man verblüffend wenig. Warum? 

Geberkonferenz für die Ukraine

Die Ukraine benötigt in der derzeitigen Lage nicht nur Waffen, sondern vor allem auch humanitäre Hilfe. In Warschau startet deshalb heute eine internationale Geberkonferenz, bei der Gelder für das Land gesammelt werden sollen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll per Videoschalte zu den Teilnehmern sprechen. Aus Deutschland wird sich Kanzler Olaf Scholz zuschalten.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen benötigen in der Ukraine mehr als zwölf Millionen Menschen dringend humanitäre Hilfe, darunter Nahrung, medizinische Versorgung und Unterkünfte.

Eine Million Coronatote in den USA

Die Vereinigten Staaten haben einen traurigen Rekord erreicht: Seit Ausbruch der Coronapandemie sind nach einer Zählung des Senders NBC eine Million Menschen an den Folgen einer Infektion mit dem Virus gestorben. Gleichwohl hat Covid-19 auch in den USA inzwischen landesweit viel von seinem Schrecken verloren. Die Zahl der täglich gemeldeten Todesopfer ist deutlich zurückgegangen. Sie liegt nun bei etwa 340 pro Tag. Zu den Hochzeiten der Pandemie starben in den USA zeitweise mehr als 4000 Menschen am Tag durch das Virus.

Maskenträgerin in den USA

Maskenträgerin in den USA

Foto: Matt Rourke / dpa

Dafür steigt die Zahl der gemeldeten Fälle derzeit wieder einmal an. In den vergangenen 14 Tagen nahmen die Infektionen um 50 Prozent zu. In der Hauptstadt Washington grassiert das Virus auch unter Spitzenleuten der Regierung. Nachdem Vizepräsidentin Kamala Harris erst vor wenigen Tagen eine Infektion ausgestanden hatte, wurde nun Außenminister Antony Blinken positiv auf das Virus getestet.

Es ist davon auszugehen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch US-Präsident Joe Biden mit dem Virus infiziert wird. Häufiger ist Biden jetzt ohne Maske unterwegs. Der Präsident ist allerdings vollständig geimpft, hat also auch zwei Booster-Impfungen erhalten. Trotz seines fortgeschrittenen Alters wird das Risiko einer schweren Erkrankung in seinem Fall daher von Medizinern für beherrschbar gehalten.

Erfolg für Trump

Der frühere US-Präsident Donald Trump hat auf seinem Weg zurück an die Macht einen symbolischen Etappensieg erreicht. Im US-Bundesstaat Ohio setzte sich bei einer republikanischen Vorwahl der von ihm unterstützte Kandidat J.D. Vance gegen andere Bewerber klar durch. Vance kann sich damit nun bei den Midterm-Wahlen zum Kongress im November um einen der beiden Senatsposten von Ohio bewerben. Er trifft bei der Wahl auf den Kandidaten der Demokraten, Tim Ryan.

Kandidat Vance in Ohio: Bestsellerautor und Politiker

Kandidat Vance in Ohio: Bestsellerautor und Politiker

Foto: GAELEN MORSE / REUTERS

Der Sieg von Vance ist in vielerlei Hinsicht interessant: Es zeigt sich, dass Trump große Teile der republikanischen Parteibasis weiter fest im Griff hat. Obwohl Vance erst zurücklag, ging er nach Trumps offizieller Wahlempfehlung dann doch als Sieger aus dem parteiinternen Rennen hervor. Außerdem ist Vance eine schillernde Figur. Er schrieb vor Jahren den Bestseller »Hillbilly-Elegie«, ein viel gerühmtes, sozialkritisches Buch, das zum Beispiel auch Kanzler Olaf Scholz zu seinen Lieblingsbüchern zählt.

Die große Frage lautet nun, wie es für die vielen anderen Kandidatinnen und Kandidaten weitergeht, die Trump sonst noch unterstützt. In den kommenden Wochen stehen etliche Vorwahlen der Republikaner an, nicht überall gelten die Trump-Leute automatisch als Favoriten. Aber mit dem Erfolg von Vance hat Trump ohne Zweifel einen guten Start in diesen Wahlzyklus geschafft.

Backstage mit der Redaktion

Wie geht es weiter im Verhältnis zwischen Berlin und Kiew? Was wird aus den deutsch-russischen Beziehungen? Und: Wie berichtet der SPIEGEL über den Ukrainekrieg und seine Folgen? Wenn Sie diese und andere Fragen interessieren, empfehle ich Ihnen die Teilnahme an der nächsten digitalen Backstage-Veranstaltung unserer Redaktion unter dem Titel »Deutschland und der Ukrainekrieg«. Sie findet am 10. Mai um 18 Uhr statt.

Unsere Abonnentinnen und Abonnenten haben die Möglichkeit, ihre Fragen an die stellvertretende Leiterin des Auslandsressorts, Özlem Topçu, und den Leiter des Hauptstadtbüros, Martin Knobbe, zu stellen. Sie können sich bis zum 10. Mai um 17.30 Uhr hier anmelden. 

Wir verlosen zudem zehn freie Zugänge für Leserinnen und Leser, die bisher noch kein Abonnement haben. Wer an der Verlosung teilnehmen möchte, schreibt bitte an: info@events.spiegel.de, Betreff: SPIEGEL Backstage Verlosung. Einsendeschluss ist Freitag, 6. Mai bis zwölf Uhr.

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  • Wenn Dauerschmerzen Körper und Seele auslaugen: Probleme mit den Gelenken, Muskeln oder Sehnen – doch bei Untersuchungen fällt nichts auf? Wer unter dem Fibromyalgie-Syndrom leidet, hat oft eine Arztodyssee hinter sich. Wie sich die Krankheit feststellen lässt – und was hilft. 

  • Polen, Esten, Finnen, ihr Antisemiten, Nazis und Kriegsverbrecher!: Den 9. Mai, »Tag des Sieges« über Hitlerdeutschland, wird Putin propagandistisch nutzen. Nicht nur in Kiew wähnt er Nazis. Russland definiert eine eigene »historische Wahrheit« – und wettert gegen seine Nachbarn. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Roland Nelles