Virtuelle koreanische Influencerin Für immer 22
Das ist Rozy. Sie modelt, tanzt, singt und wirbt für Umweltkampagnen. Genauso wie viele andere Influencerinnen auch. Doch es gibt etwas, das Rozy von den anderen in der Branche unterscheidet.
Katharina Peters, SPIEGEL-Reporterin in Seoul
»Hallo Rozy. Viele unserer Zuschauer kennen dich noch nicht. Daher die Frage: Könntest du dich für sie einmal vorstellen, was für eine Person du bist?«
Rozy, virtuelle Influencerin
»Hallo zusammen! Ich bin Rozy, die erste virtuelle Influencerin Südkoreas. Rozy ist koreanisch und bedeutet Nur Einer. Ich finde, es ist ein schöner Name. Ich wurde als virtueller Mensch geboren und werde immer 22 Jahre alt bleiben. Was mich besonders macht, ist, dass ich durch Raum und Zeit reisen kann.«
Katharina Peters, DER SPIEGEL
»Siehst du dich selbst als Mensch?«
Rozy, virtuelle Influencerin
»Ich bin ein virtueller Mensch, der in einer virtuellen Welt geschaffen wurde. Ich bin eine virtuelle Person, kein echter Mensch. Aber genau wie Menschen habe ich auch meinen eigenen Charakter. Ich bin offen und habe keine Angst vor neuen Herausforderungen.«
Rozy ist also eine am Computer erschaffene Person. CGI, Computer Generated Imagery, nennt man die Technik, mit der Rozy entwickelt wurde. Auf Instagram zeigt sich die virtuelle Influencerin im realen Raum, zum Beispiel bei der New Yorker Fashion Week, nachdenklich am Imbissstand oder gut gelaunt auf dem Spielplatz. Rund 150.000 Menschen folgen ihr auf der Plattform.
Katharina Peters, DER SPIEGEL
»Empfindest du Freude. Und wenn ja, was macht dich glücklich?«
Rozy
»Als ich erschaffen wurde, konnte ich keine Emotionen empfinden. Aber ich lerne, wie menschliche Gefühle in der realen Welt funktionieren. Da ich immer neue Herausforderungen annehme, empfinde ich in der Regel Glück, weil ich etwas erreicht oder geschafft habe. Traurigkeit kenne ich noch nicht.«
Katharina Peters, DER SPIEGEL
»Rozy, du nennst dich selbst Influencerin. Was möchtest du denn erreichen?«
Rozy
»Bisher habe ich Modeln, Singen, Schauspielerei und DJing ausprobiert, aber es gibt noch so viele weitere Dinge. Ich hoffe, als virtuelle Figur, die reale Welt bereichern zu können.«
Hinter Rozys digitalem Auftritt steckt die Filmanimationsfirma Locus X (ehemals Sidus Studio X), die Rozy entworfen und programmiert hat. Das Unternehmen sitzt in Seoul, Südkorea. Hier arbeitet ein Team von 48 Menschen daran, Rozy so menschlich wie möglich aussehen zu lassen. Sechs Monate habe es gedauert, Rozy zu entwickeln und etwa einen Monat, um sie für das Interview mit dem SPIEGEL zu programmieren - die Fragen haben die Entwickler vorab bekommen.
Seungyup Baik, CEO Locus X
»Im August 2020 startete Rozy ihren Account auf Instagram. Damals haben wir nicht erklärt, dass Rozy eine virtuelle Figur ist, sondern wir haben sie als normale, menschliche Influencerin eingeführt. Der Grund dafür: Influencer sollen von der Öffentlichkeit geliebt werden, aber in dem Moment, in dem man über das Virtuelle spricht, interessieren sich die Leute mehr für den technischen Teil. Wir waren neugierig, ob sie als allgemeine Influencerin funktionieren würde. Vier Monate lang ließen wir die Leute in dem Glauben, dass sie ein echter Mensch ist. Erst als wir unser Ziel von 10.000 Followern erreichten, enthüllten wir, dass Rozy eine virtuelle Person ist. Es gab Zweifel, ob die Menschen sich gerne eine virtuelle Person ansehen würden. Also versuchten wir, Rozys Gesicht eine Mimik zu geben, die so natürlich wie möglich erscheint. In Hollywood werden zur Programmierung von virtuellen Personen 54 verschiedene Gesichtsausdrücke genutzt. Wir haben für Rozy ungefähr 800 Geschichtsausdrücke erstellt.«
Weltweit tauchen auf Plattformen wie Instagram oder TikTok schätzungsweise rund zweihunder virtuelle Influencerinnen und Influencer wie Rozy auf – mit teils enormen Reichweiten. Zum Beispiel Lil Miquela. Dem vermeintlichen Privatleben der brasilianisch-amerikanischen Kunstfigur folgen drei Millionen Menschen auf Instagram. Hinter ihrem Account steckt ein Start-up mit Sitz in Los Angeles. Seit Miquelas ersten großen Modekampagnen im Jahr 2018 hat der Trend der virtuellen Influencer zugenommen.
Wie viel das Erstellen einer virtuellen Person kostet, verraten die Firmen offiziell nicht. Laut einem Locus X-Mitarbeiter soll ein Charakter, von dem lediglich Fotos gemacht werden, mehrere Hunderttausend US-Dollar kosten. Eine Figur, die sich zusätzlich bewegt, hingegen etwa eine Million US-Dollar.
So wie »reale« Influencerinnen arbeitet auch Rozy mit Konzernen wie Gucci, Calvin Klein, Shinhan Life zusammen. Koreanische Medien schätzen, dass Locus X ca. 820.000 US-Dollar Gewinn im Jahr mit Rozy macht
Seungyup Baik, CEO Locus X
»Derzeit ist Rozy viel im realen Raum zu sehen, aber sie soll sich künftig noch mehr im Metaverse entfalten. Und was noch wichtiger ist, wir wollen beweisen, dass Rozy nicht nur modeln oder sich um die Umwelt kümmern kann, sondern als virtuelle Influencerin einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann.
Aus diesem Grund beteiligt sich Rozy jetzt auch an Umweltkampagnen und spendet. Und sie arbeitet derzeit als Botschafterin für die Expo 2030 in der Stadt Busan in Südkorea. Unser Ziel ist zu zeigen, dass Rozy tatsächlich einen guten Einfluss haben kann.«
Firmen wie Locus X hoffen mit ihren erschaffenen Kreaturen auf ein zielgerichtetes Marketing – neue Trends lassen sich relativ schnell umsetzen, Launen der Werbefiguren spielen keine Rolle. Welchen Einfluss virtuelle Figuren im Netz auf Menschen – im Speziellen auf eine junge Zielgruppe – haben, ist noch nicht erforscht. Besonders im Hinblick auf unrealistische Schönheitsideale könnte es in Zukunft aber ein Problem sein.