Rhein-Main

Verkehrsplanung

Bemalte Straßen alleine lösen keine Verkehrsprobleme

Seit vielen Jahren wird über ein Verkehrskonzept für die Innenstadt diskutiert. Aktuelle Versuche der Verkehrsberuhigung enden oft in der bloßen Verdrängung des Autos und erweisen sich in ihrer Wirkung vielfach als kontraproduktiv. Das Institut für Stadtbaukunst macht einen ersten Vorschlag.
Von Christoph Mäckler
Wirrwarr aus Asphalt: Rund um den Eschenheimer Turm winden sich die Fahrbahnen zu einem hässlichen Knäuel. Stadtvermessungsamt

Das heutige Verkehrskonzept der Frankfurter Innenstadt beruht noch immer weitgehend auf der städtebaulichen Idee der „autogerechten Stadt“ aus den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts. Das seinerzeit deutschlandweit verbreitete Konzept ging davon aus, dem Automobil bei der Verkehrsplanung einer Stadt den absoluten Vorrang zu gewähren.

Heute beginnen einige Städte Verkehrsbauwerke dieser „autogerechten Stadt“ zurückzubauen. Eines der aufsehenerregendsten Projekte war vor wenigen Jahren der Abriss des „Tausendfüßlers“, einer Hochstraße in Düsseldorf, die mit ihren Rampenanlagen in die Innenstadt hineinragte.

Auch Frankfurt verfügte über derartige Projekte. So diskutierte man seinerzeit beispielsweise eine Planung, in der der „Schaumainkai“ mit seiner Platanenallee von einer Hochstraße überbaut werden sollte, um die Auffahrten zu den Brücken verkehrstechnisch kreuzungsfrei gestalten zu können.

Auch das Loch an der Hauptwache resultiert aus der Planung eines solchen Verkehrskonzeptes: Eine Hochstraße, die über die „Freßgass’“ ins Westend führen sollte, versperrte mit einer dafür vorgesehenen Verkehrsrampe den Fußweg zwischen Hauptwache und Schillerstraße/Große Eschenheimer Straße. In der Folge sollte der Fußgänger die beiden Straßen über die unterirdische sogenannte B-Ebene erreichen.

Mit dem Verkehrskonzept der Innenstadt beschäftigt sich die Frankfurter Stadtpolitik aber schon seit fast 200 Jahren, weil das Straßensystem der Stadt über Jahrhunderte vorwiegend in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet war. Die Mehrzahl aller Straßen, zum Beispiel die Hasengasse, die Domstraße, die Neue Kräme, der Kornmarkt, die Buchgasse und die Fahrgasse, wurden alle auf den Main hin ausgerichtet, weil sich unterhalb des Römerbergs mit dem Mainhafen das wirtschaftliche Zentrum der Stadt befand. Dies führte dazu, dass die Verkehrsführung mit der Erweiterung der Stadt im 19. Jahrhundert bis heute mit großen Schwierigkeiten behaftet ist.

Das Problem besteht darin, dass der Verkehr bis zum heutigen Tage in Ost-West-Richtung, also parallel zum Main, abgewickelt werden muss, weil alle Neubauten der Stadterweiterung, Obermainbrücke, Untermainbrücke, Osthafen, Westhafen, sowie die ostwestlich angrenzenden Neubaugebiete (Bahnhofsviertel, Fischerfeldviertel), die im 19. Jahrhundert entstanden, außerhalb des alten Stadtzentrums und damit außerhalb der alten Wallanlagen errichtet wurden.

Obwohl es noch keinen Automobilverkehr gab, wurde das Ost-West-Verkehrsaufkommen so groß, dass man sich Ende des 19. Jahrhunderts zum Straßendurchbruch der Braubachstraße inmitten des alten Stadtzentrums entschloss. Nach dem Zweiten Weltkrieg ergänzte man diesen Durchbruch mit der neu geschaffenen Berliner Straße sowie einer Verbreiterung der Zeil.

Noch im Generalverkehrsplan der frühen Sechzigerjahre stellten die Berliner Straße und die Zeil die wichtigsten Ost-West-Verbindungen der Stadt dar. Auf die Sperrung der Zeil für den Autoverkehr im Jahre 1972 und die Umwandlung dieser breitesten Stadtstraße Frankfurts in eine Fußgängerzone folgte das Verkehrskonzept einer Umfahrung der Innenstadt über den Anlagenring.

Damit wurde der Autoverkehr gebündelt in die citynahen Wohngebiete der Stadt gelenkt. Noch heute wird der Verkehr in einem drei- bis fünfspurigen Einbahnstraßensystem über den Wallanlagenring durch die schönsten Wohngebiete Frankfurts geführt. Dass dieses Verkehrssystem veraltet ist, ist nicht zuletzt mit dem Leerstand großer Kaufhäuser an der Zeil deutlich geworden. Die Trennung des Verkehrs in reine Verkehrs-Trassen für den motorisierten Individualverkehr und in Fußgängerzonen, in denen nicht einmal Fahrradverkehr zugelassen ist, führt deutschlandweit zur Verödung unserer Innenstädte und bedarf einer Korrektur.

Der Versuch, dem Durchgangsverkehr in der Innenstadt Frankfurts durch Straßensperrungen und Straßenverengungen, die mit dem Aufmalen von Farbe einhergehen, etwas entgegenzusetzen, ist ohne ein umfassendes Gesamtverkehrskonzept nicht realisierbar. Nicht nur, dass derartig massive Bemalungen und Sperrungen im städtischen Straßenraum hässlich sind, sie reduzieren das Verkehrsaufkommen auch nicht, sondern führen ausschließlich zu einer Verdrängung des Automobilverkehrs in die Wohngebiete der Stadt oder zerstören historische Orte nachhaltig, wie die beiden folgenden Beispiele verdeutlichen.

So wurde die Alte Brücke vor wenigen Wochen ganz im Sinne der „autogerechten Stadt“ durch neuerliche Straßenbemalungen über Nacht wieder zur Verkehrs-Trasse degeneriert, obwohl sie mit ihrer letzten Sanierung durch den damaligen Verkehrsdezernenten Stefan Majer bewusst von funktionalistischen Verkehrslenkungsmalereien frei gehalten worden war. Das Brückenbauwerk hat eine weit über Frankfurt hinausreichende historische Bedeutung, warum also wurde dieser städtebauliche Fehler der Siebzigerjahre, der die Brücke zum reinen Verkehrsbauwerk degradiert, erneuert und der historische Ort damit wieder zerstört?

Wie die städtebauliche Schönheit eines Parks durch einen Verkehrsknoten zerstört wird, mag das Beispiel der Wallanlagen am Eschenheimer Turm verdeutlichen. Mit der Sperrung der Hauptwache und der damit verbundenen Kappung des Verkehrs zwischen Großer Eschenheimer Straße und Kaiserstraße wurde vor wenigen Jahren eine massive Erweiterung der Verkehrsspuren am Eschenheimer Turm notwendig.

Ein Luftbild zeigt das Chaos eines zusätzlich vom Individualverkehr belasteten Verkehrsknotens, der die Eschersheimer Wallanlagen durchschneidet, ihren Landschaftsraum zurückdrängt und eine Überquerung für den Fußgänger (oder auch für den Radfahrer) weitgehend unmöglich macht. An der Hauptwache wohnt seit einem halben Jahrhundert niemand mehr. Warum also die Sperrung? Beide Beispiele zeigen, wie städtebauliches Unwissen der politischen Entscheidungsträger zu einer massiven Verschlechterung des öffentlichen Raumes, der Straßen und Plätze für den Bewohner einer Stadt führen kann. Das Deutsche Institut für Stadtbaukunst hat in enger Abstimmung mit einem großen regional tätigen Verkehrsplanungsbüro ein Verkehrskonzept Innenstadt erarbeitet, das davon ausgeht, dass die seit 50 Jahren bestehenden nicht mehr zeitgemäßen Verkehrs-Trassen der Stadt Frankfurt wieder in Stadtstraßen überführt werden. Dies bedeutet zunächst, dass das mehrspurige Einbahnstraßensystem im Innenstadtbereich aufgehoben wird.

Weitgehend alle Verkehrswege werden auf zweispurige Straßen mit Gegenverkehr umgearbeitet. Im Einzelnen sieht das Verkehrskonzept folgende Maßnahmen vor:

■ Auflösung von mehrspurigen Einbahnstraßen: Durch eine damit einhergehende Verkürzung der Wegstrecken entstehen ein geringeres Verkehrsaufkommen und ein langsamerer, gleichmäßigerer und somit stadtverträglich-„harmonisierter“ Verkehrsfluss.

■ Anpassung des Geschwindigkeitsbedürfnisses aller Verkehrsteilnehmer (Radverkehr, Linienbus, querend: Fußgänger/Mobilitätseingeschränkte) durch Aufhebung der mehrspurigen Einbahnstraßen und der damit einhergehenden Verlangsamung der Geschwindigkeit im Innenstadtbereich.

■ Planung neuer Knotenpunkt- und Streckenstandards: eine Spur je Richtung in der Strecke (und gegebenenfalls Busspur oder eigener Gleiskörper für die Straßenbahn), an den Knotenpunkten mit zusätzlicher Linksabbiegespur.

■ Ausbau dauerhafter Radverkehrsanlagen auf eigenen/erhöhten Fahrwegen (Beispiele sind Kopenhagen und Stockholm) statt aufgemalter Verkehrsspuren.

■ Verdichtung des Bus- und Straßenbahnnetzes unter Ausbau individueller, möglichst umsteigefreier Fahrtrouten.

■ Umsetzung städtebaulicher Schönheit und ökologischer Notwendigkeiten durch Anlage und bewusste Gestaltung von baumbestandenen Stadtstraßen, Alleen, Boulevards und Stadtparks.

■ Zeitgerechte Bewirtschaftung von Parkflächen und Parkhäusern im öffentlichen Straßenraum, Sonderparkplätze (Behinderte, Anlieger, Einzelhandel). Erleichterungen für Anlieger- und Lieferverkehr beziehungsweise Sonderberechtigte (Familien, Mobilitätseingeschränkte, Personenwagen mit Mehrfachbesetzung, soziale Kriterien).

■ Prinzipielle Aufhebung innerstädtischer Straßensperrungen in Ost-West-Richtung: Notwendige Ost-West-Durchquerungen müssen sich gleichmäßig verteilen und verlangsamen: Statt vierspurig über die Berliner Straße oder dreispurig über Einbahnstraßen wie der Bleichstraße, der Seilerstraße oder den Wallanlagenring (bei gleichzeitiger Verödung der gesperrten Zeil und der nördlichen Mainuferstraße) braucht es eines beruhigten Zweirichtungsverkehrs in Stadtstraßen mit breiten Gehwegen und Radweganlagen auf der Zeil, der Berliner Straße oder am nördlichen Mainufer.

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