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Nach Kritik von Premier Sunak BBC erklärt, warum sie Hamas nicht »Terroristen« nennt

Wie bezeichnet man die Hamas? Für die britische Regierung ist sie eine terroristische Organisation. Premier Sunak kritisiert die BBC. Die öffentlich-rechtliche Anstalt pocht auf ihre Neutralität.

Man kann der BBC nicht vorwerfen, sie verschweige, was in den Krisengebieten der Welt vorginge. Das Korrespondentennetz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Großbritanniens wird vielerorts bewundert für seine Dichte. Auch im aktuellen Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Hamas ist das nicht anders; die BBC berichtet von vor Ort, aus Gaza wie aus dem Süden Israels. Hier als Beispiel ein eindringlicher Bericht des erfahrenen BBC-Reporters Jeremy Bowen vom Dienstag:

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Doch weder aus Bowens Mund noch von seinen Kolleginnen und Kollegen wird man hören, dass die Hamas-Mitglieder als »Terroristen« bezeichnet werden. Sie werden von BBC-Journalisten als »militants« oder »gunmen« bezeichnet. Diese Wortwahl stößt auf wachsende Kritik in Großbritannien.

Verteidigungsminister Grant Shapps warf der BBC in deren Programm »Today« auf Radio 4 vor, sie interessiere sich nicht besonders für die Hamas-Täter. »Es wäre hilfreich, wenn die BBC die Dinge beim Namen nennen würde«, sagte er – im Original mit der idiomatischen Formulierung »to call a spade a spade« (auf Deutsch wortwörtlich: einen Spaten einen Spaten nennen). In einer früheren Äußerung hatte Shapps befunden, die BBC müsse ihren »moralischen Kompass reparieren«.

Terrororganisation nach Parlamentsbeschluss

Die BBC hatte am Mittwoch eingeräumt, dass es Beschwerden gegeben habe, weil der Sender nicht die Bezeichnung »Terroristen« für die Hamas verwende. In einer Erklärung  dazu betonte der Sender, es seien in seinen Programmen immer wieder auch Stimmen zu Wort gekommen, die die Angreifer als »Terroristen« bezeichnet hätten. Auch habe man in der Berichterstattung sehr wohl erwähnt, dass viele westliche Regierungen die Hamas als Terrororganisation einstufen.

Dies gilt auch für Großbritannien. Am 19. November 2021 gab es einen Parlamentsbeschluss , mit dem Hamas verboten wurde. Hamas-Mitgliedern oder deren Unterstützern drohen damit Strafen bis zu 14 Jahren Gefängnis. Grundlage dafür  ist das Terrorismusgesetz aus dem Jahre 2000.

Die BBC betonte ihre redaktionelle Unabhängigkeit. Ihre Rolle sei es, präzise zu erklären, was geschehe, damit das Publikum zu seinen eigenen Einschätzungen kommen könne. In der Erklärung bezog sich der Sender auf seine Sprachrichtlinien . In denen heißt es unter anderem, in der »schwierigen und emotionalen« Thematik Terrorismus mit »bedeutenden politischen Untertönen« bedürfe es der »Sorgfalt beim Verwenden von Sprache, die Werturteile transportiert«.

Die Folge daraus in den Richtlinien: »Wir sollten den Begriff ›Terrorist‹ nicht ohne Zuschreibung verwenden.« Das Wort selbst könne »eher ein Hinderungsgrund als eine Hilfe« sein, wenn es um das Verstehen eines Sachverhalts gehe.

»Vor allen Dingen kein Platz zum Schimpfen«

Zu den Kritikern der Zurückhaltung der BBC beim Terrorismusbegriff zählt Premierminister Rishi Sunak. Er sagte bereits im Laufe der Woche : »Dies ist nicht die Zeit für Mehrdeutigkeit, wir sollten es als das ausrufen, was es ist.« Ein Downing-Street-Sprecher zitierte Sunak mit den Sätzen: »Hamas sind Terroristen. Es obliegt unserem nationalen Rundfunksender, dies anzuerkennen.«

Solche Äußerungen wiederum treffen die BBC ins Mark ihres Selbstverständnisses als regierungsunabhängiges Medium. Ihr Auslandschef John Simpson twitterte auf X, die BBC habe im September 1939 ihrem Personal Regeln ausgegeben, wie über den beginnenden Krieg zu berichten sei: »Seid offen und ehrlich, hieß es darin – und vor allen Dingen dürfen Tiraden keinen Platz haben.« Dies seien »weise Worte, auch heute noch komplett passend«, so Simpson weiter.

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Auf der Website der BBC erklärte sich der leitende Redakteur ausführlicher . Terrorismus sei ein aufgeladener Begriff, schrieb Simpson, mit dem Gruppen bezeichnet würden, deren Taten man moralische ablehne. »Es ist einfach nicht der Job der BBC, den Leuten zu sagen, wen sie unterstützen und wen sie verdammen sollen«, so Simpson, »wer die Guten sind und wer die Bösen.«

Selbstverständlich bezeichne man die Geschehnisse als »Gräueltaten«, betonte der BBC-Auslandschef. Der Horror, den die Reporter bei ihrer Arbeit zu sehen bekämen, bliebe in ihren Gedächtnissen. Aber es bleibe die Pflicht, so objektiv wie irgend möglich zu berichten. Man schlage sich auf keine Seite: »Wir verwenden keine aufgeladenen Worte wie ›böse‹ oder ›feige‹. Wir sprechen nicht von ›Terroristen‹«. Diese Linie habe man auch während der Bombenangriffe der IRA durchgehalten, trotz intensiven Drucks der damaligen Regierung unter Margaret Thatcher.

Aufsichtsbehörde: Sender entscheiden über Vokabular

Fünf namhafte Anwälte haben in der Sache einen Brief an die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom geschrieben, aus dem die »Times« zitiert. Sie argumentieren, mit der Wahl weniger abwertender Bezeichnungen für die Hamas-Täter verstoße die BBC gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit, da die Hamas nach britischem Recht als terroristische Organisation eingestuft sei.

Dem »Telegraph« sagte ein Ofcom-Sprecher, die Verantwortung für redaktionelle Richtlinien liege beim einzelnen Sender. Wenn sie die Grundregeln der angemessenen Genauigkeit und der angemessenen Unparteilichkeit einhielten, könnten die Sender selbst entscheiden, welches Vokabular sie verwendeten.

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