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Berti Vogts war der Tiefpunkt der Filmgeschichte

Mit Bayerns Boateng versucht sich wieder mal ein Sportler als Kinoheld. Diese cineastischen Ausflüge gingen meistens schief

Durch die Ungnade der späten Geburt haben viele Fußballfans keine Ahnung, wie der FC Bayern zu seinem Zweitnamen FC Hollywood kam. In den glorreichen 70er-Jahren ist es passiert, und die Gründe dafür waren a) der hohe Glamourfaktor am Hofe des Kaisers, b) die schrillen Nerzmäntel, in die sich der Franz, der Maiersepp und Bomber Müller damals hüllten – vor allem aber c) der verhängnisvolle Hang vieler Bayernweltmeister zum großen Kino.

Immer wieder haben sie die Leidensfähigkeit des Publikums hart geprüft. Paul Breitner versuchte sich beispielsweise im Western „Potato Fritz“ neben Hardy Krüger, und böse Zungen zitierten erschrocken die Bibel: „Er hüllt sich in seltsame Gewänder und irrt ziellos umher.“ Viel Mühe gab sich auch Katsche Schwarzenbeck als Briefträger in der Komödie „Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt“. Der Gipfel war aber Franz Beckenbauer. In „Libero“ (1973) spielte der Kaiser sich selbst, und büschelweise fielen den Kinogängern die Haare aus, als sie merkten: Sein schauspielerisches Talent war über- und die Handlung undurchschaubar. Gelegentlich ist Beckenbauer Stargast bei einer Wiederaufführung und fragt dann gern verzweifelt: „Kann man den Film noch verbieten?“

Vom kaiserlich-bayerischen Komödienstadl ist oft die Rede, aber ein anderer Ex-Weltmeister lässt diese dunkle Vergangenheit jetzt hinter sich: Jérôme Boateng zeigt allen, was FC Hollywood wirklich heißt. Lange genug hat sich der Innenverteidiger neben seinem fußballerischen Können mit seinem Lifestyle-Magazin „Boa“ und einer eigenen Kollektion cooler Brillen begnügt – aber seit ein paar Tagen ist er jetzt auch Filmstar, denn in den Kinos läuft die neue Episode der Science-Fiction-Reihe „Men in Black“, mit Chris Hemsworth, Tessa Thompson, Liam Neeson und ihm. Boateng spielt einen Außerirdischen, und er ist in einer Szene zu sehen, in der er telefoniert.

Das klingt nicht nach viel. Aber es gab andere, schlimmere Zeiten, die Kinogänger machten schon seit den 30er-Jahren die grässlichsten Erfahrungen. Damals drehte Schwergewichtsweltmeister Max Schmeling mit seiner Frau, der Ufa-Leinwandgöttin Anny Ondra, den Film „Knock-Out“, sonderte mit Schmalz eingefettete Sprechblasen ab, und spätestens bei seinem Sprechgesang („Das Herz eines Boxers kennt nur eine Liebe“) eilten viele in Panik zu den Notausgängen.

Als Tiefpunkt der Filmgeschichte gilt allerdings die legendäre Szene mit dem früheren Bundestrainer Berti Vogts im ARD-Tatort „Habgier“ (1999). „Gib dem Kaninchen eine Möhre extra, es hat uns das Leben gerettet“, sagt Vogts zu seinem Nachbarn. Bertis Auftritt, notierte ein faszinierter Kritiker, „ist wegen seiner einzigartigen Hölzernheit Kult“. Ein Kaninchen zu streicheln wäre für Jérôme Boateng jetzt zu kleinkariert. Er hat den direkten Weg auf die Weltbühne genommen, à la Arnold Schwarzenegger. Der spannte seinerzeit neben seinen Muckis einfach geschwind auch die sensiblen Lach- und Backenmuskeln an, gab ausdrucksstark den „Terminator“ und spielte wenig später bereits seine größte Charakterrolle, als Gouverneur von Kalifornien. Traumfabrik Hollywood.

Leider geht es nicht immer gut aus. Schwimmolympiasieger Johnny Weissmüller wurde berühmt als „Tarzan“, aber er bezahlte seinen Ruhm als Dschungelheld teuer. 1971 gastierte er mit einem Schimpansen im ZDF-„Sportstudio“, und der Affe biss Johnny in den Hals, pinkelte ihn an und riss seiner Frau Maria die Perücke vom Kopf, sodass Moderator Dieter Kürten die Entblößte trösten musste: „Sie sehen auch so toll aus.“

Sein Glück in Hollywood suchte auch Footballstar O.J. Simpson, als trotteliger Polizist in der Klamauk-Trilogie „Die nackte Kanone“. Aber als er im richtigen Leben wegen Doppelmordes an seiner Ex-Frau und deren Bekanntem angeklagt wurde, fand ihn keiner mehr witzig. So hinterlassen die einen offene Fragen und die anderen schlechte Filme wie der Basketballkönig Shaquille O’Neal mit seiner Komödie „Urlaubsreif“. Das waren danach auch andere.

Oft hilft nur noch ein Western. Wobei Eric Cantona, der französische Ex-Torjäger, neben Mads Mikkelsen in „The Salvation“ als korsischer Bösewicht zuletzt richtig gut war. Doch keiner wird je Bud Spencer toppen. Unter seinem Geburtsnamen Carlo Pedersoli kraulte der Italiener bei zwei Olympischen Spielen, aber zu höherem Ruhm brachte er es als Haudruff im Kino, mit Terence Hill ließ er es in „Vier Fäuste für ein Halleluja“ sowie ungefähr weiteren sechsundachtzig Spaghetti-Western krachen.

Terence Hill drehte auch gern mit Fußballstars. In „Keiner haut wie Don Camillo“ (1983) durften Carlo Ancelotti und Roberto Boninsegna mitkicken. Letzterer erreichte aber nicht mehr die schauspielerische Höchstform, mit der er als sterbender Schwan anno ’71 auf dem Gladbacher Bökelberg glänzte und für die Annullierung des 7:1-Triumphes der Borussen über Inter sorgte – eine leere Cola-Dose traf ihn bei einem Einwurf am Rücken, und er ließ sich auf einer Bahre wegtragen und rief nach einem Priester für die letzte Ölung, ehe er sich in der Kabine wieder von den Toten erhob.

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Was muss ein Sportstar fürs Schauspielfach mitbringen? Oft reicht verdammt wenig. Mike Tyson spielt immer sich selbst, wie in der Komödie „Hangover“, aber selbst dann müsste er streng genommen noch gedoubelt werden. Axel Schulz, unser alter Meisterboxer, hat in einem TV-Krimi wenigstens eine Leiche halbwegs hingekriegt.

Der beste Boxer unter den Kinostars war jedenfalls Wilhelm von Homburg, egal ob in der TV-Serie „Rauchende Colts“ oder als Gangster in „Stirb langsam“. Eigentlich hieß er ja Norbert Grupe, und unvergesslich bleibt, wie er nach seiner K.-o.-Niederlage gegen den argentinischen Pampastier Oscar Bonavena im ZDF-„Sportstudio“ zu allen Fragen des Moderators Rainer Günzler eisern schwieg – dieses Talent zur wortlosen Charakterrolle brachte der Boxprinz auch im Hitchcock-Thriller „Der zerrissene Vorhang“ (1966) zum Tragen, als Mann im Bus.

Würde Jérôme Boateng den Mann im Bus hinkriegen? Wir werden es nie erfahren. Einmal und nie wieder, sagt der Bayernstar. Genug des großen Kinos.

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