Japan – Weihnacht, Silvester/Neujahr (O’Misoka/O’Shōgatsu 大晦日/お正月)

Im Zuge der Meiji-Restauration (https://t1p.de/uim4) gilt seit 1873 in Japan offiziell der Gregorianische Kalender und damit beginnt das neue Jahr nicht mehr wie in alten Zeiten zu Frühjahrsbeginn, sondern am 1. Januar. Auch die christliche Weihnacht wurde zu einem (Shopping-) Highlight in diesem Land, in dem religiöse Traditionen zwar durchaus noch gelebt werden, aber das Christentum eigentlich kaum eine Rolle spielt (manche sagen, Zeit&Geld seien im 20. Jahrhundert bestimmende Elemente geworden 😉 ). Dies resultiert nun in erhöhter Kauf- und Konsummentalität; in den Hotels und Geschäften laufen die üblichen X-mas-Melodien rauf und runter, Werbeprofis geben ihr Bestes und diverse Angebote fluten über alle Medien die Haushalte. In unserem geruhsamen Ort Oiso am Pazifik hält sich aber alles in Grenzen und es existieren zum Beispiel keine Shopping-Malls. Die Temperaturen sinken hier auch in strengen Wintern selten unter 10°C und aus den Vorgärten blinken den Umherstreifenden von kleinen Bäumen und Sträuchern Kaki, Orangen und andere Zitrusfrüchte leuchtend an. Viele Wolken ziehen vorüber, des Nachts hält der Mond Hof und am Tage begrüßt uns im schönen Schein der Sonne zu einem besonderen Jahresabschied der schneebedeckte Fujisan in seiner wundervollen Grazie und Majestät. Zum kulturellen Jahresausklang fahren wir nach Tokyo rein, ins Stadtviertel Ueno zu einer Munch-Ausstellung und einem Konzert der besten jemals geschriebenen Musiksinfonie (Beethovens Neunte) in der Cultural Hall/Philharmonie.

Zu Abschied des alten und Ankunft des neuen Jahres erhalten die Häuser frischen, farbenfrohen Schmuck in japanischer Symbolik aus landestypischen Naturalien (Reisstroh, Bambus, Baumgrün, Früchte) mit Shide (垂 gezackte Papierstreifen zur Abwehr des Bösen) und in der letzten Woche des Jahres wird das Haus noch einmal gründlich gereinigt. Den Ahnen und kürzlich Verstorbenen wird am hauseigenen Altar (仏壇 Butsudan) oder im Tempel gedacht und wir nehmen uns die Zeit für ausgedehnten Besuch unseres an der Küste befindlichen Spa und Onsen. Nach einem schönen langen Strandspaziergang kommen wir an unserem favorisierten Izakaya (Yuchan ゆうちゃん) im Nachbarort Hiratsuka vorbei, wo wir hin und wieder leckere Speisen und Getränke genießen und werden vom Besitzer hineingebeten. Er hat noch mit Vorbereitungen für die Familie und den Abend zu tun, doch freut sich sichtlich über Abwechslung und ein Schwätzchen und serviert uns als freundlichen kleinen Jahresabschiedsservice ein paar leckere Kleinigkeiten (Sashimi und Sake; Geld mag er dafür am letzten Tag des Jahres gar nicht annehmen, denn das bringe Unglück, meint er). Selten traf ich so ein angenehmes und lebenslustiges Original wie ihn; er betreibt mit seiner Frau, mit zwei Enkeln und weiteren Angestellten sein Izakaya schon viele Jahre und ihr überaus leckeres Angebot an traditionellen japanischen Speisen aller Couleur beschert ihnen volles Haus und viele zufriedene Gäste. Es ist auch einfach wunderbar, bei ihm am Tresen zu sitzen und zuzusehen, wie er – ursprünglich ein professioneller Sushi-Master – die leckersten Speisen zusammenstellt, Muscheln aufbricht, Fische filetiert und dergleichen (bei seinen Sashimi-Kreationen nimmt er sich gar die Mühe, bei den zwar überaus leckeren, doch in manchen Teilen grätenreichen lokalen Fischen, fangfrisch von den Fischern vor unserer Meeresküste angelandet, besonders hartnäckige Grätenpartien mit der Pinzette herauszuzupfen). Auch mag er’s wohl mit meiner Mayu zu schwätzen, denn sie ist eine sehr unterhaltsame Frau, die sowohl japanische als auch unsere inter-kulturellen Angelegenheiten immer humorvoll zu problematisieren versteht. Als wir mal an einem Dienstag vor verschlossener Türe standen, meinte er schmunzelnd an unserem nächsten Abend bei ihm, dass er mit seiner Frau keine rechte Lust aufbringen konnte und sie diesen Tag lieber im Pachinko (japanische Spielhölle, sehr laut, voller Automaten und spielverrückter Leute) und bei Sportwetten verbrachten.

Die Leute bereiten sich auf einen geruhsamen Jahresausklang vor, Angestellte freuen sich nach dem gemeinsamen Restaurantbesuch mit den Kollegen schon nach der Weihnacht über die freien Tage, am letzten Tag des Jahres (大晦日 O’Misoka) abends laufen auf den Fernsehsendern verschiedenste Unterhaltungsshows, ab 20 Uhr spielt das berühmte NHK-Sinfonieorchester Beethovens Neunte Sinfonie unter der Leitung des deutschen Dirigenten Marek Janowski (Tenor Robert Dean Smith, Bass Bariton Albert Dohmen, Sopran Kanae Fujitani, Mezzo Sopran Etsuko Kanoh). Junge Leute treffen sich auf Parties, viele (besonders Touristen) versammeln sich auf großen Plätzen und an ausgeschriebenen Orten, um Feuerwerke zu bewundern; Gläubige besuchen ihre Tempel für die Fürbitten an die Götter und Liebespaare genießen mit den Freuden der Nacht ihre ungestörte Zuneigung. Wichtige Journalisten, Politiker und Gelehrte diskutieren bis spät in die Nacht die wichtigsten Skandale und Themen in Japan, wie die brisante Geologie und Natur, Ökonomie, Demografie und die Weltpolitik als Verbündeter der U.S.A. mit Nachbarn wie China, Korea und Russland. Im Gegensatz zu Deutschland, wo in der Zeit der Merkelschen Kanzlerschaft die Erkenntnis über die Relevanz politischer Thematik offenbar verlorengegangen ist, das Land wie die E.U. ökonomisch, finanziell und damit auch politisch immer weiter ins Schlingern gerät, und auch zum Jahresende z.B. der Popanz Klimawandel und der Irrweg „Klimaschutz“ in allen Medien aufgeblasen wird, reden die Verantwortlichen hier über reale Probleme und die Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen.

„Der erste Tag des neuen Jahres wird wie in so vielen Ländern mit Entspannung und Feierlichkeit genossen – es gibt besonders leckere Speisen wie extra langgezogene Soba (蕎麦) symbolisch für recht lang anhaltendes Miteinander und lange währenden Erfolg, wie auch Reiskuchen (Mochi 餅) verschiedener Art, man wünscht sich Segen, Glück, gesundes, langes und gemeinsames Leben von den Göttern und ab dem Morgen schon schlürft der Genießer vom edlen Kinpaku (きんぱく) Sake mit Goldblättchen darin.“ (https://t1p.de/u4gd)

Ein morgendlich geruhsamer Spaziergang entlang des Pazifik lässt die Gedanken übers Wasser und zurück durch den Geist schweben. Nachbarn und Freunde wünschen sich ein „Frohes Neues Jahr“ (あけましておめでとうございます), kleine und große Shinto-Schreine sind mit den beschrifteten Lampignons vieler Sponsoren geschmückt und wie andere Einwohner, die nicht ausgeflogen sind, besuchen wir den lokalen Schrein in unserer näheren Nachbarschaft (Rokusho Jinja 神社), verbunden mit kleinen Snacks, Segenswünschen an die Götter (und natürlich Gaben 😉 ) für das neue Jahr und dem zeremoniellen Verbrennen früherer Segnungen, was eine Symoblisierung des Neubeginnes zu jedem Jahresanfang bedeutet.

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