Polen: Johannes Paul II. soll von kirchlichem Missbrauch gewusst haben, Regierung spricht von Krieg

Eine Dokumentation spaltet das Land, in der behauptet wird, der Papst hätte zu Kindesmissbrauch in der Kirche geschwiegen. Bericht aus Warschau.

Eine Papstprojektion auf dem Präsidentenpalast in Polen.
Eine Papstprojektion auf dem Präsidentenpalast in Polen.Screenshot: Kancelaria Prezydenta / Twitter

Der polnische Sender TVN hat eine Dokumentation über den verstorbenen Papst Johannes Paul II. ausgestrahlt, die für Wirbel im Land sorgt. Die Autoren des Films kommen zu dem Schluss, dass das verstorbene Kirchenoberhaupt über Missbrauch in der katholischen Kirche Bescheid gewusst haben muss. Infolgedessen ist eine öffentliche Debatte in Polen über die Dokumentation und TVN entbrannt. Der Sender wird von amerikanischen Geldgebern finanziert. Nun hat das polnische Außenministerium am Donnerstag den US-Botschafter im Land einberufen

Filmemacher Marcin Gutowski behauptet in der Dokumentation am Beispiel dreier Priester, dass Johannes Paul II von ihren Verbrechen gewusst habe. Belegen will er dies anhand mehrerer Schriftstücke aus Karol Wojtyłas Zeit als Erzbischof. Parallel dazu veröffentlichte der Schriftsteller Ekke Overbeek ein Buch, in dem er ebenfalls über das mutmaßliche Wissen des verstorbenen Papstes schreibt.

Außenministerium von Polen spricht von Praktiken „des hybriden Krieges“

Das polnische Außenministerium erwähnt die Dokumentation in seiner Mitteilung vom Donnerstag nicht explizit, schreibt vielmehr von „Maßnahmen“ eines Fernsehsenders, der „auf dem polnischen Markt investiert“ ist und mit Methoden arbeitet, die „mit den Zielen des hybriden Krieges identisch sind“. Das Ministerium wähnt, dass das Ziel verfolgt werde, „Spaltungen und Spannungen in der polnischen Gesellschaft“ herbeizuführen.

Die polnische Regierung zeigte sich für die Vorwürfe gegen Karol Wojtyła insgesamt unzugänglich. So twitterte Premierminister Mateuz Morawiecki am Mittwoch einen Video-Clip mit Archiv-Aufnahmen von Johannes Paul II sowie einem Statement des Ministers selbst. Er sagt: „Heute tobt der Krieg nicht nur außerhalb unserer östlichen Grenze. Leider gibt es in unserer Gesellschaft Gruppierungen, die bei uns, in Polen, versuchen, einen Krieg auszurufen, keinen militärischen, sondern einen zivilisatorischen.“

Das polnische Parlament – der Sjem – verabschiedete am Donnerstag dann eine Resolution zur Verteidigung des guten Namens des verstorbenen Papstes. Der Beschluss war von der Regierungspartei PiS vorbereitet worden und bezieht sich nicht direkt auf die TV-Berichte, sondern auf – so heißt es – „Lügenanschuldigungen des Sicherheitsdienstes“. So berichtet es die linksliberale Zeitung Gazeta Wyborcza

Regierungsnahe Medien wie der Sender TVP wurden ebenfalls deutlich und stellten den Bericht der TVN-Journalisten infrage. „Viele Jahre nach seinem Tod wird er in seinem Heimatland immer stärker angegriffen durch private Medien, die mit Teilen der Opposition sympathisieren“, hieß es. Auch eine Sprecherin des nationalen Rats für Rundfunk und Fernsehen verurteilte den Film. Die Rede war hier von einer „schädlichen Attacke“.

Papst Johannes Paul II gilt in Polen als Nationalheld. Der amtierende Papst Franziskus sprach seinen Vorgänger im April 2014 heilig. Viele Polen nennen Johannes Paul II auch heute noch „Lolek“– ein Spitzname, den Johannes Paul II als Kind trug. Nach langer Krankheit verstarb Johannes Paul II im Vatikan am 2. April 2005.

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