Die Geschichte der Einwanderung nach Deutschland ist eine Abfolge meist unzureichend gesteuerter und verdrängter Entwicklungen. Die wichtigste Phase seit 1945 war die der "Gastarbeiter". Sie endete nach fast 20 Jahren offiziell am 23. November 1973. Seit diesem Tag gilt der von der Bundesregierung verhängte Anwerbestopp für Arbeitskräfte aus dem Süden.

Die Folgen dieser Entscheidung beschäftigen bis heute das Land. Denn ab 1973 wurde aus der Bundesrepublik "versehentlich" das, was die Politik eigentlich verhindern wollte: ein Einwanderungsland.

Angefangen hatte die Zeit der Gastarbeiter 1955. Damals lagen das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung von Millionen "Fremdarbeiter" genannter Arbeitssklaven der NS-Wirtschaft, die aus den besetzten Ländern nach Deutschland verschleppt worden waren, erst ein Jahrzehnt zurück.

Im Zuge des Wirtschaftswunders begann dann ein neues Kapitel der Ausländerbeschäftigung. Die boomende Wirtschaft benötigte zusätzliche Arbeitskräfte, denn das durch die am Kriegsende aus den Ostgebieten Vertriebenen und Flüchtlinge aus der DDR verstärkte Potenzial reichte nicht mehr aus. Deshalb schloss die Bundesregierung 1955 mit Italien die erste Vereinbarung über die staatlich organisierte Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. 

Es folgten weitere Anwerbeverträge mit Spanien und Griechenland (1960), mit der Türkei (1961), Portugal (1964), Tunesien und Marokko (1965) und Jugoslawien (1968). Im Ergebnis unbedeutend blieben nur die Vereinbarungen mit Tunesien und Marokko.

Billige Arbeitskräfte auf Zeit

Zum Abschluss der Verträge drängten vor allem die Unternehmen. Sie waren am Import billiger, williger Arbeitskräfte interessiert. Das galt besonders für Betriebe mit harter und deshalb von Deutschen zunehmend gemiedener Arbeit, zum Beispiel an den Fließbändern in der Autoindustrie oder in der Asbestverarbeitung. Es betraf aber auch Unternehmen beispielsweise in der Textilindustrie, die wegen des internationalen Wettbewerbs keine höheren Löhne zahlen und die Arbeitsbedingungen nicht verbessern wollten oder konnten. 

Auf der anderen Seite stand das Interesse der Entsendeländer. Sie wollten unbeschäftigte Arbeitskräfte exportieren und vom Transfer der Löhne zugunsten der eigenen Zahlungsbilanz  profitieren. 

Zuwanderung ohne Konzepte

Einen Plan, was mit den nach Deutschland geholten Menschen langfristig geschehen sollte, gab es nicht. Vorgesehen war, dass die "Gastarbeiter" nach einer bestimmten Zeit wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und durch andere ersetzt werden sollten. Durch dieses Rotationsprinzip wollte man verhindern, dass sie sich dauerhaft niederließen. Deshalb war auch beabsichtigt, dass sie ohne Familie kamen.  

Die meisten stammten aus wenig entwickelten Regionen, wo sie kaum Chancen hatten, Arbeit zu finden, um sich und ihre Familien zu ernähren. Der Großteil hat keine für Deutschland verwertbare Ausbildung, viele hatten nur kurz die Schule besucht, teilweise waren sie Analphabeten. Deutsch konnte so gut wie keiner.

In den Betrieben arbeiteten sie als un- oder angelernte Billigarbeiter. Anfangs lebten die meisten von ihnen in Sammelunterkünften, die zum Teil von den jeweiligen Betrieben gestellt wurden, oder in heruntergekommenen Wohnungen und Vierteln – abgeschnitten von der deutschen Bevölkerung und weitgehend ohne Kontakt zu ihr. 

Die Gastarbeiter blieben mit ihren Familien, die manche nach und nach nachholten, auf sich gestellt – ohne Perspektive im Niemandsland zwischen zwei Kulturen. Die Abfolge der Anwerbeverträge bewirkte dabei mit der Zeit eine deutliche Verschiebung der nationalen Zusammensetzung der Ausländerbevölkerung. Zunächst standen Arbeitskräfte aus Italien und Griechenland im Vordergrund. In den 1980er Jahren dominierten dann mit weitem Abstand die Türken. Sie stellten nun rund ein Drittel der Ausländerbevölkerung, gefolgt von Jugoslawen, Italienern und Griechen.

Nach dem Bau der Mauer 1961 und dem damit verbundenen Ende des Arbeitskräftezustroms aus der DDR stieg die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer bei anhaltend starkem Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik rasch in die Millionen. Auch in den 1960er und 1970er Jahren dominierte noch die Vorstellung von befristeten Arbeitsaufenthalten, obgleich die Aufenthaltszeiten immer länger wurden.

Daran waren nicht nur viele ausländische Arbeitnehmer interessiert, sondern auch ihre deutschen Arbeitgeber. Denn häufige Personalwechsel bedeuteten für sie auch immer wieder eine aufwendige Einarbeitungszeit. Deshalb hatte das angestrebte Rotationsprinzip von Beginn an keine Chance.