Zum Inhalt springen

Guantanamo Wärterinnen zwangen Häftlinge zum Sex

In Guantanamo setzen die USA seit Jahren sexuelle Gewalt als Foltermethode ein. Der Häftling Mohamedou Ould Slahi schildert in seinem Tagebuch, wie er von Wärterinnen missbraucht wurde.
Käfige in Guantanamo: Häftlinge schildern sexuelle Gewalt

Käfige in Guantanamo: Häftlinge schildern sexuelle Gewalt

Foto: MLADEN ANTONOV/ AFP

Hamburg - Seit mehr als zwölf Jahren dauert das Martyrium des Mohamedou Ould Slahi an. Er ist Gefangener Nummer 760 im US-Gefangenenlager Guantanamo. Im November 2001 wurde der Mann in seinem Heimatland Mauretanien festgenommen. Die Behörden übergaben ihn nach wenigen Tagen an US-Beamte. Die flogen ihn erst nach Jordanien und brachten ihn im Juli 2002 in ein Lager in Afghanistan. Einen Monat später landete er in Guantanamo.

Dort sitzt Slahi noch immer, obwohl es bis heute keine offizielle Anklage gegen den Mauretanier gegeben hat. 2010 urteilte ein Richter, dass dem heute 44-Jährigen keine Unterstützung der 9/11-Attentäter nachgewiesen werden könne. Trotzdem sitzt der Mann nach wie vor in Guantanamo ein.

Im Sommer 2005 schrieb Slahi ein 460-seitiges Tagebuch. 2012 erstritten seine Anwälte von der US-Militärverwaltung das Recht, die Aufzeichnungen zu bekommen und zu veröffentlichen - allerdings mit Schwärzungen von Namen und anderen Details. Slahis Tagebuch erscheint an diesem Dienstag, der SPIEGEL hat vorab in seiner aktuellen Ausgabe Auszüge dokumentiert.

Unter anderem schildert der Häftling darin, wie er von mehreren weiblichen US-Beamten sexuell missbraucht wurde. "Okay, dann geben wir dir heute eine Lektion in tollem amerikanischem Sex", habe eine Frau zu ihm gesagt. Ihr Name ist in dem Bericht geschwärzt. Dann hätten ihn die beiden Frauen gezwungen, "in absolut entwürdigender Weise bei einem Dreier mitzumachen", schreibt Slahi.

"Gleichzeitig gaben sie obszönes Zeug von sich und machten an meinem Intimbereich rum", berichtet der Mann weiter. "Ich erspare Ihnen die Wiedergabe des widerwärtigen, entwürdigenden Geredes, das ich mir von mittags bis abends um zehn anhören musste." Seine Kleidung hätten ihm die Peinigerinnen dabei nicht abgenommen. "Alles passierte so, dass ich meine Uniform anbehielt", erinnert sich der Gefangene.

Zwangsernährung im Ramadan

Slahi schreibt, dass er während des Missbrauchs Gebete rezitiert habe. Dafür sei er hart bestraft worden. Ein Jahr lang habe er nicht beten dürfen. "Und ich durfte im heiligen Monat Ramadan, im Oktober 2003, nicht fasten; man ernährte mich zwangsweise", berichtet der Häftling.

Eine Befragerin habe ihm gesagt: "Wenn du anfängst zu kooperieren, werde ich aufhören dich zu belästigen. Andernfalls werde ich dasselbe und noch Schlimmeres jeden Tag mit dir machen. Sex mit jemandem zu haben, wird nicht als Folter eingestuft."

Slahi ist nicht der erste Guantanamo-Häftling, der den US-Verantwortlichen sexuellen Missbrauch vorwirft. Im vergangenen Jahr schilderte Shaker Aamer, die letzte britische Insasse in dem Lager, in einem Telefonat mit seinem Anwalt Übergriffe der Wärter. Beamtinnen hätten ihn bei Zellenduchsuchungen regelmäßig auf den Boden gerückt und intensiv durchsucht. "Wir nennen es die Guantanamo-Massage", berichtete Aamer.

Auch der Bremer Ex-Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz schilderte sexuelle Übergriffe. Einmal seien drei Frauen in Spitzenunterwäsche in einen Verhörraum gekommen, in dem er angekettet war. Sie hätten sich auf seinen Schoß gesetzt und ihre Brüste an seinem Rücken gerieben. "Wir könnten ein bisschen Spaß haben", habe eine der Frauen gesagt. Als Kurnaz einer der Frauen eine Kopfnuss verpasste, seien Soldaten in den Raum gestürmt und hätten ihn verprügelt.

Bereits 2005 kam ein vertraulicher Untersuchungsbericht des Pentagon zu dem Schluss, dass Verhörbeamtinnen übergriffig wurden. Unter anderem sollen sie Gefangene provokativ berührt haben. Mehrfach sollen Frauen zudem Häftlinge mit Farbe bespritzt haben. Das sei Menstruationsblut, sagten sie den Männern. Erik Saar, ein ehemaliger Arabisch-Übersetzer in Guantanamo, bestätigte die Vorfälle. Zwei Beamtinnen seien daraufhin vom US-Verteidigungsministerium verwarnt worden.

Slahis Rechtsanwältin Nancy Hollander fordert nun, dass der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen Verschwörung zur Folter angeklagt werden müsse. "Die Konvention gegen Folter, der die USA beigetreten sind, verlangt, dass die Staaten Folterer verfolgen", sagte Hollander dem britischen "Independent". "Warum ist niemand angeklagt worden? Ich spreche von Donald Rumsfeld."

syd