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Roadcomic: Eine Szene aus „West, West Texas“.

© Reprodukt

Neuer Roadcomic von Tillie Walden: Immer der Katze nach

Magischer Realismus plus ein Hauch Twin Peaks: In ihrer Graphic Novel „West, West Texas“ schickt Tillie Walden ihre Protagonistinnen auf Reise ins Ungewisse.

Bea will weg von zu Hause. Irgendwo in Texas sitzt sie in einem Bushaltestellenhäuschen und wartet: eine schmale Gestalt mit zerzausten kurzen Haaren und roter Kapuzenjacke. Doch als der Bus kommt, steigt sie nicht ein.

Intuition? So läuft Bea in einem Tankstellen-Kiosk Lou über den Weg, die mit Auto und winzigem Wohnwagen unterwegs ist. Die beiden kennen sich aus der Nachbarschaft, doch Lou – tough, Wuschelkopf und rote runde Brille – ist mit ihren 27 gut zehn Jahre älter als die kindlich und verletzlich wirkende Bea.

Diese beiden unterschiedlichen Charaktere schickt die texanische Zeichnerin und Autorin Tillie Walden – 23 Jahre und mit ihren queeren Comics ein Star der Indie-Comic-Szene – auf eine Reise ins Ungewisse beziehungsweise zu sich selbst.

„West, West Texas“ (Reprodukt, Übersetzung Barbara König, Handlettering Olav Korth, 320 S., 20 €) ist Waldens neues Buch und das zweite, das nach ihrem viel gelobten „Pirouetten“ auf Deutsch erscheint. Es findet sich auch unter den Top-Titeln der aktuellen Comic-Bestenliste, die alle drei Monate von deutschsprachigen Comic-Kritiker*innen erstellt wird.

Anders als „Pirouetten“, das autobiografisch geprägt und sparsam koloriert war, leuchtet das neue Werk in surreal wirkenden Farben und ist durchdrungen von magischem Realismus à la Haruki Murakami plus einem Hauch Twin Peaks.

Vorsichtiges Herantasten aneinander

Die Seiten sind wunderschön gebaut, mit seitengroßen Bildern, gezoomten Ausschnitten und kreativen Panels, die in einer Sequenz ineinander zu bröckeln scheinen, wenn eine Brücke zu stürzen beginnt, während Lou ihr Auto samt Anhänger in letzter Sekunde darüber jagt.

Die beiden jungen Frauen fahren vorwiegend durch die Nacht, die violette, dunkelblaue oder purpurne Schatten hat, aber auch durch gleißend helle Tage. Die Dialoge sind kurz, das gegenseitige Herantasten vorsichtig, aber nach und nach offenbaren die beiden, was sie von zu Hause fort treibt.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Reprodukt

Dann findet Bea an einer Raststätte eine weiße Katze, auf deren Marke eine Heimatadresse in West Texas steht. Der Ort ist nicht auf der Landkarte verzeichnet, wird aber zum Ziel, weil die Katze nach Hause gebracht werden soll. Es scheint etwas Besonderes mit dem Tier auf sich zu haben: Zwei unheimlich wirkende Männer verfolgen Bea und Lou und sind der Katze auf der Spur.

Dies provoziert einen dramatischen Höhepunkt der Reise, und am Ende haben beide Protagonistinnen ein gutes Stück zu sich selbst und einen Weg für sich gefunden. Vor allem Bea ist über sich selbst hinausgewachsen.

Barbara Buchholz

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