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Marvels Diversitätsoffensive
Multikulti-Superhelden

Batman, Superman, Spider-Man: Jahrzehntelang haben in Comicverfilmungen fast ausschließlich weiße Männer die Welt gerettet. Doch das Superhelden-Universum dehnt sich fortlaufend aus und will neuerdings mit mehr Vielfalt punkten.

Von Jörg Albrecht | 29.07.2019
Valkyrie kämpft mit Schwertern gegen ihre Gegner
Tessa Thompson als Valkyrie in Thor (imago stock&peoplen (Marvel Studios))
Ein Klimawandel, den selbst ein Donald Trump kaum leugnen kann, ist der, der sich seit einigen Jahren in Hollywood vollzieht. Der "weiße Mann" ist allmählich auf dem Rückzug.
"So etwas wie sie habe ich noch nie gesehen. Denken Sie, es gibt noch andere?"
"Sie ist nur der Anfang."
Sie ist Captain Marvel: die erste Frau im MCU, also im Marvel Cinematic Universe, die es geschafft hat, alleinige Titelheldin eines Films zu werden.
Frau allein rettet die Welt
Mehr als zehn Jahre und ganze 20 Superheldenabenteuer nach dem ersten "Iron Man" mussten vergehen, bis endlich auch einer Frau zugetraut wurde, ohne männliche Unterstützung die Welt zu retten. "Captain Marvel" hat die Kassen klingeln lassen, eine Milliarde Euro weltweit eingespielt und damit den Beweis erbracht, dass auch mit einer Superheldin Geld zu verdienen ist.
"Darauf habe ich mein ganzes Leben lang gewartet. Eine neue Weltordnung. Was jetzt passiert, bestimmt das Schicksal der restlichen Welt."
Ebenfalls mehr als zehn Jahre, allerdings nur 17 Superheldenabenteuer nach "Iron Man", dauerte es, bis auch einem Mann mit schwarzer Hautfarbe zugetraut wurde die Welt zu retten. "Black Panther" hat ebenso die Kassen klingeln lassen und sogar noch ein paar Euro mehr eingespielt.
"Bleib cool!"
"Ich bin immer cool."
Aber sagen wir, wie es ist: Wären beide Filme, die auch als Versuchsballons gestartet worden sind, gefloppt – der Plan, das Marvel-Comic-Universum durch Diversität zu bereichern, käme einem Lippenbekenntnis gleich. Allerdings mit dem Erfolg der beiden Filme im Rücken hört sich die sogenannte "Phase 4", die Marvel-Film-Chef Kevin Feige jetzt ausgerufen hat, geradezu nach einem Masterplan für die multikulturelle Superhelden-Gesellschaft an. Wie hieß es doch gleich in "Captain Marvel"?
"Sie ist nur der Anfang"
Und zwar der Anfang vom Ende der Dominanz des unbesiegbaren weißen männlichen Helden im Latexanzug. Denn nach dem "Avengers: Endgame" im Frühjahr braucht es dringend Nachschub. Diversität also als Riesenchance, zusätzlich befeuert durch die #metoo-Debatte und die "Time´s Up"-Bewegung. Bestes Beispiel dafür ist die völlig neu zusammengestellte Heldentruppe The Eternals. Sie war eines der Highlights von Kevin Feiges Präsentation vor einer Woche auf der San Diego Comic-Con, der weltgrößten Comicmesse.
"The Eternals. Something entirely new, entirely different for the MCU. A group of immortals who have been on earth for 35.000 years. This film is full Jack Kirby."
The Eternals: eine Gruppe Unsterblicher, die seit 35.000 Jahren auf der Erde ist. Ein Film ganz im Geiste von Comicautor Jack Kirby, der sich die Charaktere in den 1970er-Jahren ausgedacht hatte.
Allein der Hauptcast des Films gleicht einer Exkursion zu den Ethnien der Welt:
"Ladies and gentlemen, as Ikaris: Richard Madden, playing Kingo: Kumail Nanjiani, the leader of the Eternals Ajak: Selma Hayek. And finally, unbelievably, playing Thena: Angelina Jolie."
Die Ethnien der Welt
Vom Schotten über den Pakistaner und die Mexikanerin bis zur US-Amerikanerin Angelina Jolie.
Doch nicht nur vor der Kamera – auch bei der Vergabe der Regiejobs will Marvel seine Vielfalt unterstreichen. Plötzlich traut man auch Frauen zu, Actionabenteuer mit Budgets von über 100 Millionen Euro zu inszenieren.
"You guys say big hello to our director: Chloé Zhao."
Mit Chloé Zhao sitzt bei "The Eternals" sogar eine relative Newcomerin auf dem Regiestuhl, die in Peking geboren wurde.
Überhaupt geraten die asiatischen und hier vor allem die chinesischen Kinogänger mehr und mehr in den Fokus von Hollywood. Auch zur Erreichung dieses Ziels scheint Diversität die Erfolgsformel zu sein.
Bisexuelle Heldin
Schwieriger dürfte es werden, den Chinesen die erste offen bisexuelle Superheldin zu verkaufen. Valkyrie wird im nächsten "Thor"-Abenteuer eine größere Rolle bekommen. Das alles wäre vor nicht einmal fünf Jahren noch undenkbar gewesen.
Natürlich ist die Triebfeder der Hollywoodstudios wie immer der kommerzielle Erfolg. Trotzdem ist die Vielfalt vor und hinter der Kamera nicht mehr zu übersehen. Noch bevor vielleicht der nächste Bond weiblich sein wird, schwimmt erst einmal eine schwarze Arielle durch die Weltmeere, und erbt mit Natalie Portman demnächst eine Frau den Hammer von Superheld Thor – und damit wird sie im Marvel-Kino-Universum zur Donnergöttin. Auch das eine Ankündigung auf der Comic-Con.
"For the first time a female Thor. For us is only one person who can play that role: Natalie Portman."
Hollywood hat dazugelernt. Es vollzieht sich ein Klimawandel, der – wie gesagt – nicht geleugnet werden kann. Auch wenn ihn manche aus der alten Männerriege Hollywoods bedauern, wie die "New York Times" in einer anonymen Umfrage unter Filmproduzenten herausgefunden hat. "Ein Aufstand alter Männer" ist das aber nicht, sondern nur das bemitleidenswerte Jammern von Ewiggestrigen.