Wegen Glaubens inhaftiert

Porträt der iranischen Christin Shamiram Issavi

Die iranische Christin Shamiram Issavi ist eine der vier verurteilten Christ_innen

Im Iran sind vier Personen christlichen Glaubens zu Haftstrafen zwischen 5 und 15 Jahren verurteilt worden, weil sie von ihrem Recht auf Religionsfreiheit Gebrauch gemacht haben, unter anderem durch die Teilnahme an Weihnachtsveranstaltungen und das Ausrichten von Hauskirchen. Sollten Victor Bet-Tamraz, Shamiram Issavi, Amin Afshar-Naderi und Hadi Asgari inhaftiert werden, so würde Amnesty International sie als gewaltlose politische Gefangene betrachten.

Appell an

Ayatollah Sadegh Larijani

c/o Public Relations Office

Number 4, Deadend of 1 Azizi

Above Pasteur Intersection

Vali Asr Street, Tehran, IRAN

Sende eine Kopie an

Stellvertreter für Menschenrechte und Internationale Angelegenheiten im Justizministerium

Mahmoud Abbasi

Number 1638, Below Vali Asr Square

Vali Asr Avenue

Tehran

IRAN

Botschaft der Islamischen Republik Iran

S. E. Herrn Ali Majedi


Podbielskiallee 65-67

14195 Berlin

Fax: 030 84 353 133

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Bitte heben Sie die Verurteilung und das Strafmaß gegen Victor Bet-Tamraz, Shamiram Issavi, Amin Afshar-Naderi und Hadi Asgari auf, da sie lediglich aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf Religions-, Glaubens-, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit verurteilt wurden.
  • Beenden Sie bitte die Drangsalierung, willkürliche Festnahme und Inhaftierung von Personen christlichen Glaubens im Iran, einschließlich derjenigen, die zum Christentum konvertiert sind.
  • Respektieren Sie das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dies schließt auch die Freiheit ein, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. Dieses Recht ist im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verbrieft, dessen Vertragsstaat der Iran ist.

Sachlage

Der Pastor Victor Bet-Tamraz und seine Ehefrau Shamiram Issavi, ethnische assyrische Christ_innen, sowie die konvertierten Christen Amin Afshar-Naderi und Hadi Asgari sind zu Haftstrafen zwischen 5 und 15 Jahren verurteilt worden. Die vier Christ_innen sind allein aufgrund ihres Glaubens ins Visier geraten. Die Behörden werfen ihnen "illegale Kirchenaktivitäten" vor, die "die nationale Sicherheit gefährden". Grundlage hierfür sind friedliche Aktivitäten wie z. B. die Teilnahme an privaten Weihnachtsveranstaltungen, das Ausrichten und Abhalten von Hauskirchen, und die Teilnahme an christlichen Seminaren im Ausland. Alle vier sind derzeit gegen Kaution auf freiem Fuß und warten auf den Urteilsspruch des Berufungsgerichts.

Am 26. Dezember 2014 wurden Victor Bet-Tamraz und Amin Afshar-Naderi sowie eine weitere Person von Sicherheitskräften in Zivil festgenommen, die sich während einer privaten Weihnachtsveranstaltung Zutritt zu der Teheraner Wohnung von Victor Bet-Tamraz verschafft hatten. Daraufhin brachte man sie in das Evin-Gefängnis, wo sie keinen Kontakt zu ihren Rechtsbeiständen und nur wenig Kontakt zu ihren Familien aufnehmen durften. Einige Monate später kamen sie gegen Kaution frei. Am 21. Mai 2017 stellte man Victor Bet-Tamraz, Amin Afshar-Naderi und die dritte Person gemeinsam mit Hadi Asgari vor Gericht, der separat am 26. August 2016 in der Stadt Firūzkuh in der Provinz Teheran festgenommen worden war. Im Juli 2017 wurden alle Angeklagten von der Abteilung 26 des Teheraner Revolutionsgerichts zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil sie "eine Gruppe von mehr als zwei Personen gegründet haben in der Absicht, die nationale Sicherheit zu gefährden". Der Vorwurf bezieht sich allein auf ihre kirchlichen Aktivitäten. Amin Afshar-Naderi erhielt darüber hinaus eine zusätzliche Gefängnisstrafe von fünf Jahren, weil er in einem Facebook-Posting "islamische Heiligkeiten beleidigt" haben soll. Dabei war ein von ihm geteilter satirischer Beitrag gemeint, der im Stil des Koran verfasst war und in dem es um den starken Preisanstieg für Hühnchen im Iran ging. Hadi Asgari wurde im April 2018 gegen Kaution freigelassen.

Am 19. Juni 2017 wurde Shamiram Issavi, die Ehefrau von Victor Bet-Tamraz, von der Staatsanwaltschaft im Evin-Gefängnis vorgeladen und auf der Grundlage von Aktivitäten angeklagt, die mit der Ausübung ihres christlichen Glaubens zusammenhängen. Im Januar 2018 wurde sie von der Abteilung 26 des Revolutionsgerichts wegen "Mitgliedschaft in einer Gruppe, deren Zweck es ist, die nationale Sicherheit zu gefährden" zu fünf Jahren Haft verurteilt, und erhielt noch eine weitere fünfjährige Gefängnisstrafe wegen "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit".

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im Iran gibt es Anhänger_innen verschiedener christlicher Glaubensgemeinschaften wie z. B. Katholik_innen, Protestant_innen, Armenisch-Orthodoxe und Assyrisch-Chaldäische Christ_innen. Christ_innen sind eine der wenigen religiösen Minderheiten, die in der iranischen Verfassung offiziell anerkannt werden. Allerdings bietet die Verfassung dennoch nur eingeschränkten Schutz für Personen christlichen Glaubens, und zum Christentum konvertierte Personen genießen überhaupt keinen Rechtsschutz. In der Folge werden Christ_innen im Iran wegen ihres Glaubens immer wieder schikaniert, willkürlich festgenommen und inhaftiert, und in unfairen Verfahren vor Gericht gestellt. Häufig werden sie beschuldigt, die nationale Sicherheit zu gefährden, und auf der Grundlage entsprechender Anklagen verurteilt und inhaftiert. Allein im vergangenen Jahr wurden Dutzende Christ_innen, hauptsächlich christliche Konvertit_innen, ins Visier genommen.

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), dessen Vertragsstaat der Iran ist, schreibt das Recht aller Personen auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit fest. Weiter heißt es hierzu im IPbpR: "Dieses Recht umfaßt [sic] die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine [sic] Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. [...] In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen." Der IPbpR schützt überdies das Recht, die Religion bzw. Glaubensrichtung zu wechseln, ohne staatliche Repressalien befürchten zu müssen.

Der ordinierte Priester Victor Bet-Tamraz und seine Familie werden seit Jahren wegen der Ausübung ihres christlichen Glaubens von den iranischen Behörden drangsaliert. Im März 2009 wurde die pfingstlich-assyrische Kirche von Teheran, die Victor Bet-Tamraz damals leitete, durch das Innenministerium geschlossen, weil dort Gottesdienste auf Persisch abgehalten wurden. Christliche Kirchen wie die assyrischen (chaldäischen) und armenischen Kirchen dürfen im Iran Gottesdienste ausschließlich in ihren eigenen Sprachen abhalten, nicht aber auf Persisch. Die pfingstlich-assyrische Kirche von Teheran durfte nach einiger Zeit wieder den Betrieb aufnehmen, allerdings erst nachdem Victor Bet-Tamraz als Kirchenleiter abgesetzt und von den Behörden durch eine andere Person ersetzt wurde. Seither werden die Gottesdienste dort nur noch auf Assyrisch abgehalten.

Auch Ramiel Bet-Tamraz, der Sohn von Victor Bet-Tamraz, wurde ins Visier genommen. Er wurde am 26. August 2016 gemeinsam mit vier weiteren Personen christlichen Glaubens bei einem Picknick in Firūzkuh von Angehörigen des Geheimdienstministeriums festgenommen. Unter den Festgenommenen befanden sich auch Amin Afshar-Naderi – der im Februar 2015 erst wieder freigekommen war – und Hadi Asgari. Die vier Festgenommenen wurden in das Evin-Gefängnis gebracht, wo sie in Trakt 209 festgehalten wurden, welcher dem Geheimdienstministerium untersteht. Im ersten Monat ihrer Inhaftierung durften sie lediglich einmal kurz ihre Familien anrufen. Man befragte sie wiederholt in Abwesenheit eines Rechtsbeistandes zu ihren christlichen Aktivitäten und stellte ihnen auch Fragen zu Victor Bet-Tamraz. Am 10. Oktober 2016 wurde Ramiel Bet-Tamraz gegen Kaution freigelassen. Er wurde am 18. Juni 2018 in einem kurzen Verfahren von der Abteilung 26 des Teheraner Revolutionsgerichts wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" mittels der "Mitgliedschaft in illegalen Hauskirchen" zu vier Monaten Haft verurteilt. Er hat Rechtsmittel gegen den Schuldspruch eingelegt. Amin Afshar-Naderi wurde im Juli 2017 gegen Kaution freigelassen und später zu insgesamt 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Hadi Asgari kam im April 2018 gegen Kaution frei und wurde später zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Der Pastor Yousef Nadarkhani wurde in den vergangenen Jahren immer wieder aufgrund der Ausübung seines christlichen Glaubens inhaftiert. Nun ist er erneut ins Visier der Behörden geraten. Im Juni 2017 klagte man ihn wegen des "Einrichtens einer Hauskirche" und anderer friedlicher glaubensbezogener Aktivitäten der "Gründung einer Gruppe von mehr als zwei Personen in der Absicht, die nationale Sicherheit zu gefährden" an und verurteilte ihn zu zehn Jahren Gefängnis. Darüber hinaus muss er zwei Jahre in Nik Shahr (Provinz Sistan und Belutschistan) im Südosten des Iran im inneren Exil zubringen – eine Stadt, die mehr als 1.600 Kilometer von seiner Heimatstadt Rascht in der Provinz Gilan im Norden des Landes entfernt liegt. Das Urteil wurde im Mai 2018 durch ein Berufungsgericht bestätigt. Yousef Nadarkhani war am 22. Juli 2018 festgenommen worden, als er sich gerade gegen Kaution in Freiheit befand. Sicherheitskräfte in Zivilkleidung verschafften sich Zutritt zu seiner Wohnung und setzten eine Taser-Waffe gegen seinen Sohn ein, was schwere gesundheitliche Folgen für diesen hatte. Die Beamt_innen schlugen Yousef Nadarkhani und setzten auch gegen ihn eine Elektroschock-Waffe ein, obwohl weder er noch sein Sohn Widerstand leisteten. Yousef Nadarkhani wurde zunächst in den Quarantänetrakt des Evin-Gefängnisses gebracht und dann in das Gebäude Nr. 8 – den allgemeinen Trakt – verlegt. Amnesty International geht davon aus, dass er festgenommen wurde, um seine zehnjährige Haftstrafe zu verbüßen.