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Dossier

Frauen in Gemeinderäten

Petra Raue | 21.02.2025


LV Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen

Perspektiven, Erfahrungen, Bedürfnisse und Fähigkeiten von Frauen sind in der Politik nur unzureichend verankert – das gilt erst recht für die Kommunalpolitik. Ein Grund dafür: Frauen sind in politischen Ämtern deutlich unterrepräsentiert. Dabei gäbe es Wege, das zu ändern.

Die Frauenanteile in Kreistagen und Stadträten der kreisfreien Städte variieren zwischen 22 Prozent in Sachsen und 38,7 Prozent in Hessen. Das zeigen Erhebungen für den Gleichstellungsatlas, der vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend herausgegeben wird. Für die Entwicklung ländlicher Räume ist aber vor allem die Gemeindeebene von großer Bedeutung, denn hier werden die Entscheidungen getroffen, welche Projekte vor Ort angegangen werden sollen. Bundesweite Daten stehen hierzu bisher nicht zur Verfügung. Wie es um die Geschlechterverhältnisse in den Gemeinden bestellt ist, wurde daher im Rahmen der sogenannten 5-Länder-Evaluierung durch das Thünen-Institut betrachtet. Darin haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem untersucht, ob und wie Förderprogramme von fünf Bundesländern für die ländliche Entwicklung zur Gleichstellung von Frauen und Männern beitragen.

In den untersuchten Ländern (Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) zeigt sich in den Gemeinden im Vergleich zur Kreisebene ein deutliches Missverhältnis zwischen den Geschlechtern. Frauen sind sowohl in den Stadt- und Gemeinderäten als auch unter den Bürgermeister*innen nur selten vertreten. Abbildung eins zeigt dies beispielhaft für Hessen. In den kleineren Kommunen liegt der durchschnittliche Frauenanteil unter 30 Prozent und nimmt immer weiter ab, je kleiner die Gemeinde wird. Nur in Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohner*innen wird in den Räten ein durchschnittlicher Frauenanteil von mehr als 30 Prozent erreicht. Es zeigt sich zwar eine kontinuierliche Zunahme des durchschnittlichen Frauenanteils. In den unteren Gemeindegrößenklassen ist die aber marginal. Insgesamt lag der Frauenanteil in den Gemeinderäten der kreisangehörigen Gemeinden bei den Kommunalwahlen 2021 (28 Prozent) um lediglich vier Prozentpunkte über dem Wert von 2016 (24 Prozent). Andere Studien kommen zu ähnlich ernüchternden Ergebnissen. So liegt der Frauenanteil in den Stadt- und Gemeinderäten in Sachsen nach der Kommunalwahl 2024 bei 22 Prozent.

Noch schlechter sieht es bei den leitenden Funktionen in Gemeinden, Städten und Landkreisen aus: Frauen sind kaum vertreten. Abbildung zwei zeigt dies beispielhaft für Niedersachsen. Von 405 hauptamtlichen Bürgermeister*innen waren im Jahr 2020 lediglich 46 oder 11,4 Prozent weiblich. Bei den Spitzen der Kreise und kreisfreien Städte waren es lediglich drei von 46, was einem Frauenanteil von 6,5 Prozent entspricht. Das führt zu entscheidenden Nachteilen für die Bewohnerinnen: Auf kommunaler Ebene werden unmittelbare Entscheidungen zur lokalen Infrastruktur und zur Bereitstellung von Fördermitteln etwa über Programme wie LEADER getroffen.

Auswirkungen auf die politischen Entscheidungen

Eine Reihe von Studien zeigt deutliche Unterschiede in den sozialen und politischen Präferenzen von Männern und Frauen. Frauen nehmen eher ausgleichs- und gemeinwohlorientierte Positionen ein. Einige Studien zeigen, dass sie umwelt- und klimapolitische Aspekte eher problematisieren und offener für Veränderungen sind. Diese unterschiedlichen Präferenzen führen auch zu unterschiedlichen politischen Entscheidungen. Im Europäischen Parlament etwa stimmen Parlamentarierinnen eher für Vorschläge zum Umweltschutz als ihre männlichen Kollegen.

In der Parlamentsarbeit zeigt sich, dass ein höherer Frauenanteil zu mehr Unterstützung von Erwerbstätigkeit von Frauen, zu höheren Ausgaben für Kinderbetreuung, Gesundheit und Entwicklungshilfe und zum Teil sinkenden Verteidigungsausgaben führt. Zudem wird die Klimapolitik strenger umgesetzt.

Auch in der Kommunalpolitik machen Frauen einen Unterschied. So zeigte eine Studie in Bayern, dass ein höherer Anteil weiblicher Gemeinderatsmitglieder mit einem Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung einher ging. Das heißt, ein größerer Frauenanteil sorgt dafür, dass Frauenbelang in der Politik angemessen berücksichtigt werden. Über diese unmittelbare Wirkung hinaus haben Frauen weitere Einflüsse: Eine einzige zusätzliche Frau kann die Gesprächsdynamik im Rat verändern und dadurch die Beiträge der anderen Frauen im Gemeinderat effektiver machen.

Studien aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass ein höherer Anteil von Frauen in der Kommunalpolitik mit einer verbesserten Lebensqualität in der Kommune verbunden war. Zudem wirkt sich ein höherer Frauenanteil positiv auf die Haushaltstransparenz aus.

Darum sind Frauen unterrepräsentiert

Die Wissenschaft hat einige Gründe gefunden, warum Frauen in politischen Gremien unterrepräsentiert sind:

  • Frauen wird eine geringere Neigung zum Wettbewerb nachgesagt. Diese Neigung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf soziale Normen zurückzuführen.
  • Männer werden eher ermutigt zu kandidieren als Frauen.
  • Die männlichen Parteiführungen sind gegenüber Frauen voreingenommen, akzeptieren sie seltener als Kandidatinnen und wenn doch, dann landen sie eher auf aussichtslosen Listenplätzen. Nach wie vor gelingt es Frauen nicht, in die geschlossenen Netzwerke der Männer einzudringen. Männer unterstützen sich gegenseitig und reproduzieren die bisherige Machtungleichheit.

Hinzu kommt die stärkere zeitliche Belastung von Frauen durch Erwerbs- und unbezahlte Care-Arbeit. Das heißt, sie haben schlichtweg weniger freie Zeit für (politisches) Engagement.

Auch die (männerdominierte) politische Kultur wirkt zum Teil eher abschreckend auf Frauen und bremst sie aus. So sind Sitzungen bis tief in die Nacht nur schwer mit Familienaufgaben zu vereinbaren. Respektloses Verhalten gegenüber Frauen, etwa das Ignorieren, Unterbrechen und „Überreden“ von Redebeiträgen sind Verhaltensweisen, die gerade auch in ländlichen Räumen immer noch nicht der Vergangenheit angehören.
Neben der Tendenz, Frauen eher für aussichtslose Kandidaturen zu nominieren, führt bei Bürgermeister*innenwahlen auch der Amtsinhaber*innenbonus zu einer Fortschreibung der vorhandenen Überrepräsentanz von Männern. Eine Präferenz der Wähler*innen für ein Geschlecht konnte hingegen nicht festgestellt werden.

Um eine paritätische Vertretung von Frauen und Männern auf der kommunalen Ebene zu erreichen, sind einige Veränderungen erforderlich: Hilfreich sind insbesondere Mentoring-Programme für Frauen. Sie machen Frauen als Vorbilder sichtbar und sorgen für die Vernetzung und die Ermutigung weiterer interessierter Frauen. Auch eine veränderte Sitzungskultur unterstützt das politische Engagement von Frauen. Mit Programmen wie dem Aktionsprogramm Kommune oder dem Helene-Weber-Kolleg werden Frauen in der Kommunalpolitik unterstützt.

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