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Di 27.05.14 21:00 | rbb Fernsehen - Die rbb Reporter: Tödliche Polizeikugeln - Wenn psychisch Kranke Opfer sind

Film von Norbert Siegmund

Am Vormittag des 28. Juni 2013 kommt es zu dem Vorfall, der auch international für Aufsehen sorgt: Im Zentrum Berlins erschießt ein Polizist einen nackten Mann, der im Neptunbrunnen badet, mit einem Messer hantiert und sich für den Messias hält. Ohne Warnschuss, gezielt in den Oberkörper. Einen Kranken, der eigentlich Hilfe brauchte. Dennoch wird das Ermittlungsverfahren gegen den Schützen schnell eingestellt. Begründung: Notwehr. Kein Einzelfall.

Alle zehn Tage schießt in Deutschland ein Polizist gezielt auf einen Menschen, sagt die Statistik. Allein im letzten Jahrzehnt starben in Deutschland rund 80 Menschen durch Polizeikugeln. Was die offiziellen Zahlen nicht preisgeben, Rund zwei Drittel der Getöteten sind nicht etwa Schwerstkriminelle, sondern Verwirrte oder Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Viele dieser Opfer hätten nicht sterben müssen, wenn sich Polizisten der besonderen Klientel angemessen verhalten hätten. Doch oft fehlt es an Erfahrung. Seit Jahren beklagen Polizeiwissenschaftler Ausbildungsdefizite, Mängel bei der Fähigkeit, Situationen richtig einzuschätzen, eine fehlende ausgefeilte Strategie im Umgang mit psychisch Kranken. Statt eingeübter Besonnenheit zeigten Beamte vielfach einen polizeitypischen Jagdtrieb, der Situationen erst eskalieren lasse. Das sich stets wiederholende Muster: Polizisten wollen einen „Verwirrten“ stellen und erschießen ihn schließlich in „Notwehr“ - in einer Situation, in der die meisten Opfer laut Medizinern und Psychiatrieerfahrenen selbst in Panik sind und aus ihrer Sicht ebenfalls in Notwehr handeln. Rechtlich bleiben solche Fälle fast immer folgenlos. Staatsanwaltschaften neigen dazu, selbst höchst fragwürdige Tötungsfälle aus Polizeiperspektive zu bewerten und Notwehr anzuerkennen. Meist stellen sie die Ermittlungsverfahren schnell ein. Deshalb findet eine öffentliche Aufarbeitung durch Gerichtsverfahren in der Regel nicht statt - und das Problem der „zu Tode Geretteten“ bleibt in der gesellschaftlichen Tabuzone.

rbb Reporter Norbert Siegmund spricht mit Angehörigen der Getöteten, rekonstruiert anhand von Zeugenaussagen, Akten und zufällig entstanden Handyvideos drei Berliner Fälle und fragt nach den politischen Konsequenzen.

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