Angebote zur Unterstützung im Alltag

Eine ältere Hand ruht in einer jüngeren Hand

Der Alltag in der häuslichen Pflege verlangt Pflegebedürftigen und Pflegenden viel ab. Die hohe Belastung führt oft dazu, dass wenig Zeit und Kraft bleibt für den Haushalt, gewohnte Beschäftigungen oder sinnvolle Betreuung. Hier kommen die „Angebote zur Unterstützung im Alltag“ ins Spiel.

pflege.de erklärt, wie sich die Alltagsunterstützung von anderen Angeboten unterscheidet, welche Leistungen es in Ihrem Bundesland gibt und welche Möglichkeiten Sie zur Finanzierung haben.

Inhaltsverzeichnis

Angebote zur Unterstützung im Alltag: Definition

Angebote zur Unterstützung im Alltag sind ein zusätzlicher Baustein bei der pflegerischen Versorgung, bei dem es nicht um körperliche Pflege geht. Sie sollen Pflegebedürftige und Angehörige bei der Bewältigung des Alltags unterstützen. Außerdem ermöglichen sie Pflegebedürftigen mehr Selbständigkeit und helfen ihnen, soziale Kontakte zu pflegen.

Die Definition der Angebote ist in Paragraf 45a SGB XI sehr allgemein. Das liegt daran, dass die einzelnen Bundesländer die weiteren Einzelheiten festlegen. Was also konkret angeboten wird und wo diese Angebote zu finden sind, ist in jedem Bundesland anders geregelt.

Die Angebote zur Alltagsunterstützung können auch von Laien erbracht werden, wenn auch zum Teil unter fachlicher Anleitung. In vielen Bundesländern kann auch die unkomplizierte Hilfe unter Nachbarn als Alltagsunterstützung gelten. Dann bezahlt die Pflegeversicherung auch dafür kleinere Beträge aus. (1)

Info
Veraltet: „Niedrigschwellige Betreuungsangebote“

Angebote zur Unterstützung im Alltag gibt es seit 2017. Davor gab es ähnliche Angebote, die damals oft „niedrigschwellige Betreuungsangebote“ genannt wurden. Diesen Begriff gibt es seit 2017 nicht mehr. Die entsprechenden Angebote und Leistungen gelten heute oft als Alltagsunterstützung.

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Leistungen nach Paragraf 45a SGB XI

Paragraf 45a im Elften Buch des Sozialgesetzbuches ist in ganz Deutschland die Grundlage für Angebote zur Unterstützung im Alltag. Freiheiten haben die einzelnen Bundesländer beim Anerkennungsprozess und bei der Frage, wer als Anbieter welche Dienste anbieten darf.

In 45a sind Ziele und Rahmenbedingungen festgelegt. Vorgegeben ist außerdem, dass bestimmte Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Angebote vorhanden sein müssen. Aber auch hier bestimmen und regeln die Bundesländer alle weiteren Einzelheiten. (1)

Alltagsunterstützungen sind nach 45a SGB XI Leistungen dieser Art:

  1. Betreuungsangebote für Pflegebedürftige
  2. Angebote zur Entlastung von Pflegenden
  3. Angebote zur Entlastung im Alltag für Pflegebedürftige

Mehr zu den einzelnen Bereichen lesen Sie im Folgenden.

Betreuungsangebote für Pflegebedürftige

Diese Unterstützungsangebote umfassen die Betreuung in Gruppen und Einzelbetreuung von Pflegebedürftigen. Sie können von Fachpersonal oder von ehrenamtlichen Helfern unter pflegefachlicher Anleitung angeboten werden. (1)

Betreuungsangebote sind insbesondere:

  • Einzelbetreuung
  • Tagesbetreuung in Kleingruppen
  • Betreuungsgruppen für Menschen mit Demenz

Angebote zur Entlastung von Pflegenden

Entlastungsangebote für Pflegende umfassen sowohl direkte Entlastung als auch beratende Unterstützung. Die beratende Unterstützung zielt darauf ab, Pflegende zu ihrer Rolle besser zu informieren und dadurch langfristig zu entlasten. (1)

Angebote zur Entlastung von Pflegenden sind insbesondere:

  • Helferkreise zur stundenweisen Entlastung Pflegender
  • Familienentlastende Dienste für Menschen mit Behinderung

Angebote zur Entlastung im Alltag für Pflegebedürftige

Alltagsunterstützung für pflegebedürftige Menschen soll helfen, allgemeine und pflegebedingte Aufgaben im Alltag und im Haushalt zu erledigen. Dazu gehört sowohl die Haushaltsführung als auch die Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen. (1)

Angebote zur Entlastung im Alltag sind insbesondere:

  • Serviceangebote rund um den Haushalt wie Fensterputzer, Gärtner oder Haushaltshilfen
  • Alltagsbegleiter
  • Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen
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Leistungen und Angebote nach Bundesland

Wie sind die Angebote zur Unterstützung im Alltag in den einzelnen Bundesländern geregelt? Wo findet man konkrete Angebote in der Nähe? Welche Ansprechpartner sind zuständig? Und kann ich über die Alltagsunterstützung auch helfenden Freunden oder Nachbarn eine Aufwandsentschädigung auszahlen?

pflege.de hat alle wichtigen Informationen zu den Regelungen in den 16 Bundesländern für Sie zusammengetragen und aufbereitet. Laden Sie sich die Ergebnisse einfach kostenlos herunter, wählen Sie Ihr Bundesland aus und schon haben Sie alle relevanten Infos zur Verfügung.

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Angebote zur Unterstützung im Alltag: Finanzierung

Menschen mit einem Pflegegrad können zwei unterschiedliche Pflegeleistungen für die Finanzierung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag nutzen. Sie können die beiden Möglichkeiten auch kombinieren.

Möglichkeiten zur Finanzierung:

  • Entlastungsbetrag: 131 Euro monatlich für alle von Pflegegrad 1 bis 5
  • Umwandlungsanspruch: Ab Pflegegrad 2 können Sie ungenutzte Pflegesachleistungen teilweise umwandeln und für Alltagsunterstützung einsetzen

Finanzierung mit dem Entlastungsbetrag

Allen Versicherten mit einem anerkannten Pflegegrad steht der Entlastungsbetrag von monatlich 131 Euro zu (ab 01.01.2025: 131 Euro). Diesen können Sie als Kostenerstattung für anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verwenden.

Alternativ könnten Sie den Entlastungsbetrag auch für Kosten aus der Kurzzeitpflege, der Tages- und Nachtpflege oder teilweise auch der ambulanten Pflege verwenden. Falls Sie den Entlastungsbetrag bisher gar nicht genutzt haben, können Sie den Entlastungsbetrag rückwirkend verwenden. (2)

Finanzierung mit dem Umwandlungsanspruch

Der Umwandlungsanspruch bezieht sich auf Pflegesachleistungen. Diese Sachleistungen sind eigentlich zweckgebunden und können nur für Kosten durch die ambulante Pflege verwendet werden. Aber: Ungenutzte Ansprüche können Sie umwandeln und für Alltagsunterstützung nutzen.

Bis zu 40 Prozent Ihres monatlichen Anspruchs auf Pflegesachleistungen können Sie mit dem Umwandlungsanspruch für die Finanzierung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag verwenden. Anspruch auf Pflegesachleistungen haben Sie in der häuslichen Pflege ab Pflegegrad 2.

Beispiel: Mit Pflegegrad 2 haben Sie Anspruch auf Pflegesachleistungen in Höhe von 796 Euro pro Monat. Bis zu 40 Prozent davon können Sie umwandeln, also 318,40 Euro. Was Sie dafür tun müssen, erfahren Sie im pflege.de Ratgeber Umwandlungsanspruch.

Anerkannte Angebote zur Alltagsunterstützung finden

Viele Details zur Anerkennung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag sind je nach Bundesland individuell geregelt. Einige Leistungen sind jedoch in allen Bundesländern auf ähnliche Art anerkannt und werden auch in den meisten Teilen Deutschlands angeboten.

Weit verbreitete Angebote zur Unterstützung im Alltag sind:

  • Haushaltshilfe: Wenn Sie Unterstützung beim Kochen, Putzen, Fensterputzen oder Waschen benötigen, ist ein Haushaltshilfe vielleicht die ideale Unterstützung. Wenn Sie einen Garten zu pflegen haben, kann auch ein Gärtner als Haushaltshilfe gelten.
  • Einkaufsbegleitung: Wenn Sie gerne noch selbst im Laden einkaufen möchten, aber dies nur in Begleitung können, dann ist eine entsprechende Einkaufsbegleitung eine große Hilfe.
  • Alltagsbegleiter: Ausflüge, Friedhofsbesuche oder Behördengänge sind für viele pflegebedürftige Menschen ohne Unterstützung undenkbar. Begleitdienste können Ihnen helfen, ein Stück weit am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
  • Stundenweise Betreuung: Vielen pflegebedürftigen Menschen macht das Thema Einsamkeit sehr zu schaffen. Besuchs- und Betreuungsdienste können Ihnen helfen, den sozialen Austausch mit anderen Menschen zu erhalten.
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Experten-Tipp

Überlegen Sie, welche alltäglichen Hilfen der pflegebedürftigen Person oder den Pflegenden am meisten helfen würden. Kontaktieren Sie dann regionale Anbieter oder Beratungsstellen, die Ihnen passende Angebote erklären und Zugang zu den Leistungen der Pflegekasse verschaffen können.

Samira  Heinrich
Pflegeberaterin & Pflegesachverständige

Die Pflegekassen und die Pflegestützpunkte kennen in der Regel die anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag. Viele Bundesländer führen außerdem eigene Verzeichnisse. So können Sie eine passende Dienstleistung zur Entlastung im Pflegealltag in Ihrer Nähe finden.

Tipp
Anbieter kennen Finanzierungsmöglichkeiten

Wenn Sie bereits ein interessantes Angebot in Ihrer Nähe gefunden haben, können Sie den Anbieter auch einfach direkt nach Möglichkeiten zur Finanzierung fragen. Die Dienstleister wissen meistens, ob ihr Angebot als Alltagsunterstützung anerkannt wurde.

Häufig gestellte Fragen

Was sind Angebote zur Unterstützung im Alltag?

„Angebote zur Unterstützung im Alltag“ sind ergänzende Betreuungs- und Entlastungsleistungen für die häusliche Pflege. Dazu gehört zum Beispiel Hilfe im Haushalt, stundenweise Betreuung oder Alltagsbegleitung. Zur Finanzierung können Sie den Entlastungsbetrag und umgewandelte Pflegesachleistungen verwenden.

Was bedeutet AZUA, AUA oder AUPA?

Alle drei Abkürzungen stehen für Angebote zur Unterstützung im Alltag nach Paragraf 45a SGB XI. Das sind Betreuungs- und Entlastungsangebote für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige, die unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflegekasse finanziert werden können.

Was sind niedrigschwellige Betreuungsangebote?

Der Begriff ist veraltet. Ähnliche Angebote zur Entlastung der Pflege zuhause finden Sie jetzt unter dem Sammelbegriff „Angebote zur Unterstützung im Alltag“. Das sind ergänzende Betreuungs- und Entlastungsleistungen für die häusliche Pflege wie zum Beispiel Hilfe im Haushalt, stundenweise Betreuung oder Alltagsbegleitung.

Was sind anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag?

Angebote zur Unterstützung im Alltag unterliegen dem Länderrecht. Das heißt, dass jedes Bundesland festlegen darf, wer dort welche Leistungen als Alltagsunterstützung anbieten darf. Eine bundesweite Übersicht gibt es deshalb leider nicht. Auf pflege.de finden Sie Informationen und weiterführende Links zu den Angeboten in jedem Bundesland.

Wie kann ich Angebote zur Unterstützung im Alltag finanzieren?

Wenn Sie einen Pflegegrad haben, können Sie mit dem Entlastungsbetrag von monatlich 131 Euro Angebote zur Unterstützung im Alltag finanzieren. Ab Pflegegrad 2 können Sie außerdem bis zu 40 Prozent Ihres Anspruchs auf Pflegesachleistungen umwandeln lassen und für Alltagsunterstützung verwenden.

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Erstelldatum: 4202.10.32|Zuletzt geändert: 5202.40.82
(1)
Bundesministerium der Justiz (1994): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) – § 45a Angebote zur Unterstützung im Alltag, Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags (Umwandlungsanspruch), Verordnungsermächtigung
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__45a.html (letzter Abruf am 23.01.2024)
(2)
Bundesministerium der Justiz (1994): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) – § 45b Entlastungsbetrag
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__45b.html (letzter Abruf am 23.01.2024)
(3)
Bildquelle
© tota / AdobeStock.com
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Interview

Im Gespräch: Alltagsunterstützung in der Pflege – ein Hürdenlauf

Carolin Favretto
Im Interview
Carolin Favretto
Vorstandsvorsitzende des BdSAD e.V.

Carolin Favretto ist zertifizierte Seniorenassistentin (Plöner Modell) und ganzheitliche Gedächtnistrainerin (BVGT). Sie ist Expertin im Bereich Alltagsbegleitung von Senioren und der Entlastung pflegender Angehöriger und anderer Sorgender. Ihr umfangreiches Wissen lässt Sie auch in der Bundesvereinigung der Senioren-Assistenten Deutschland (BdSAD) e.V. einfließen: Dort ist Carolin Favretto Vorstandsvorsitzende.

Im Rahmen einer umfassenden Studie von pflege.de äußert sich Vorstandsvorsitzende der Bundesvereinigung der Senioren-Assistenten (BdSAD) e. V. Carolin Favretto in einem Interview zum Entlastungsbetrag – einer Leistung der Pflegeversicherung für Pflegebedürftige. Das Interview fand am 23.10.2023 statt.

Sie betont, dass der Entlastungsbetrag zwar eine wertvolle Unterstützung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen darstellt, jedoch mit verschiedenen Hürden im Pflegealltag verbunden ist. Viele Betroffene seien oft nicht ausreichend über ihre Ansprüche informiert und es fehle an klaren Richtlinien, wie die Mittel effektiv genutzt werden können.

Darüber hinaus seien die bürokratischen Prozesse um den Entlastungsbetrag für viele überfordernd. Sie fordert eine einfachere und transparentere Handhabung – damit diejenigen, die Unterstützung im Pflegealltag benötigen, diese auch unkompliziert erhalten.

Frau Favretto, was fällt Ihnen zum Entlastungsbetrag gleich zu Beginn ein?

Carolin Favretto: Seit der Pflegereform 2015 und das damit verabschiedete erste Pflegestärkungsgesetz, kurz PSG I, gibt es in den 16 Bundesländern unterschiedliche Regelungen zum Entlastungsbetrag.

Vorher fokussierte man sich auf Demenz, aber dann wurde dieser Fokus auf alle erweitert, die mindestens den Pflegegrad 1 haben. Der Bund hat dann die Verantwortung den Bundesländern übertragen, zu entscheiden, wer diesen Betrag im jeweiligen Bundesland abrechnen darf. Und so kamen 16 verschiedene „Alltagsförderungsverordnungen“ zustande.

In Schleswig-Holstein zum Beispiel ist es vergleichsweise einfach, sich als Anbieter anerkennen zu lassen. Dies hat nicht nur den Vorteil, dass man als offizieller Anbieter gelistet ist und somit Marketingkosten sparen kann, sondern man darf auch die sogenannten Pflegesachleistungen zu 40 Prozent umwandeln. Das bedeutet, dass Kunden in vielen Fällen von mehr Geld für Alltagsbegleitung profitieren können, besonders wenn kein Pflegedienst involviert ist, was bei Pflegegrad 2 oder 3 oft noch der Fall ist.

Worin liegen denn die Unterschiede der einzelnen Bundesländer?

Carolin Favretto: In Hamburg kann ich mich trotz gleicher Qualifikation nicht anerkennen lassen. Das bedeutet, dass meine Dienstleistungen für Kunden in Hamburg als Privatleistung gelten, wenn ich mich auf die 131 Euro des Entlastungsbetrags beziehe.

Im Gegensatz dazu profitieren Kunden in Schleswig-Holstein erheblich mehr, da die Anerkennung dort vergleichsweise großzügig ist. Das ist in meinen Augen ungerecht. In anderen Bundesländern wie Brandenburg, Berlin und Bremen verhält es sich ähnlich wie in Hamburg.

In NRW ist die Anerkennung ebenfalls einfacher, egal ob man professionell oder ehrenamtlich tätig ist. Andere Bundesländer wie Niedersachsen sind komplizierter, während Sachsen und Thüringen besonders schwierig sind. Baden-Württemberg und Bayern stellten ebenfalls eine Herausforderung dar.

Das Hauptproblem ist: Sobald Menschen ihren ersten Pflegegrad erhalten, bekommen sie lediglich einen Brief von ihrer Pflegekasse, in dem steht, dass sie Anspruch auf bestimmte Leistungen haben. Doch anstatt einer Liste von Anbietern aus der Nähe beizufügen, müssen die Betroffenen selbst recherchieren.
Carolin Favretto

Dieses System, bei dem die Kunden die Initiative ergreifen müssen, finde ich ungerecht. Trotz der finanziellen Herausforderungen der Pflege- und Krankenkassen sollte es besser gehandhabt werden.

Bonus
Alltagsunterstützung in Ihrem Bundesland
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Sie sind ja Vorstandsvorsitzende der Bundesvereinigung der Senioren-Assistenten – was ist die Kernaufgabe einer Seniorenassistenz?

Carolin Favretto: Viele Menschen fragen nach hauswirtschaftlichen Diensten und Seniorenassistenz. In unserem Verband bieten wir nicht unbedingt reine Hauswirtschaft an. Stattdessen schließen wir die Lücke zwischen Hauswirtschaft und Pflege. Viele ältere Menschen haben Schwierigkeiten, alleine zum Arzt zu gehen oder mit Behörden zu interagieren.

Zum Beispiel musste eine 91-jährige Kundin von mir ihren Stromzähler ablesen, wusste aber nicht einmal, wo er sich befand. Dies sind nur einige Beispiele, aber diese kleinen Dinge stellen für viele Menschen echte Hindernisse dar, besonders wenn ihre Angehörigen weit weg wohnen oder arbeiten. Eine Unterstützung durch Seniorenassistenten, die zumindest teilweise von der Pflegekasse refinanziert wird, halte ich für äußerst sinnvoll.

Eine kurze Zwischenfrage: Sie haben die Unterschiede in den Bundesländern bezüglich der Handhabung geschildert. Beziehen Sie sich dabei auf den Entlastungsbetrag? Sprechen Sie auch von der Umwandlung der Pflegesachleistung oder geht es lediglich um den 131-Euro-Entlastungsbetrag?

Carolin Favretto: Ich kann in Hamburg nicht mal die 131 Euro Entlastungbetrag abrechnen, weil man sich in jedem Bundesland individuell anerkennen lassen muss für die Abrechnung des Entlastungsbetrages.

Was müssten Sie dafür machen?

Carolin Favretto: In Hamburg ist es so, dass Einzelpersonen keine Anerkennung erhalten können. Sie können jedoch Nachbarschaftshilfe anbieten und dafür eine Aufwandsentschädigung von 5 Euro pro Stunde erhalten. Als professioneller Einzelanbieter, so wie ich es tue, ist eine Anerkennung in Hamburg jedoch nicht möglich.

Pflegedienste oder Betreuungsteams, die Versorgungsverträge mit den Kranken- und Pflegekassen gemäß Paragraf 71 oder Paragraf 72 SGB XI haben, werden automatisch anerkannt. Aber als Solo-Selbstständiger, so wie ich es bin, erhalten Sie diese Anerkennung nicht. Das stellt ein großes Problem dar.

Ehrenamtliche Tätigkeiten sind enorm wichtig, und es ist essenziell, dass sie existieren. Aber das Ehrenamt hat seine Grenzen. Viele Pflegedienste verfügen meist nicht über die Kapazitäten für die Dienstleistungen, die wir anbieten. Sie könnten vielleicht jemanden finden, der einmal wöchentlich oder alle zwei Wochen für hauswirtschaftliche Leistungen kommt. Aber für das, was wir insbesondere im psychosozialen Bereich anbieten, haben viele Pflegedienste einfach keine Kapazitäten.
Carolin Favretto

Und wenn, dann haben sie natürlich auch sehr hohe Löhne. Dann liegt der Stundenlohn in einem Bereich, den die Leute im Grunde dann auch nicht mehr zahlen können, oder?

Carolin Favretto: In Schleswig-Holstein berechnen wir üblicherweise 35 Euro. In Hamburg, obwohl viele Kollegen dort ausgebucht sind und trotz der Tatsache, dass sie dort nicht direkt mit den Kassen abrechnen können, liegt der Preis meistens zwischen 40 und 45 Euro. Selbst in Schleswig-Holstein wird die Verhinderungspflege oder der Entlastungsbetrag in der Regel mit einem Satz von 40 bis 45 Euro berechnet.

Wir hören auch von unseren Leserinnen und Lesern, dass die 131 Euro nicht so viel bringen, weil sie nicht viel dafür bekommen.

Carolin Favretto: Dies ist nur ein Teil in einem größeren Puzzle. Sollten Sie jemanden suchen, der wöchentlich bei Ihnen saubermacht, können Sie, falls Sie Glück haben, mit dem Entlastungsbetrag eine Stunde pro Woche oder alle zwei Wochen finanzieren. Allerdings gibt es mittlerweile Pflegedienste, die einmal im Monat kommen und dann 100 Euro für zwei Stunden berechnen. Das entspricht 50 Euro pro Stunde, aber die Tarife variieren.

Bei meinen Eltern zum Beispiel, die beide pflegebedürftig sind, rechnet der Pflegedienst im Minutentakt. Dort kostet jede Minute 0,70 Euro, was insgesamt 42 Euro pro Stunde entspricht.

Für gewerbliche Anbieter erscheint dieser Betrag sicher gerechtfertigt. Es gibt ja auch die Option, Pflegesachleistungen umzuwandeln, um so mehr Betreuungsstunden zu finanzieren. Ist das auch möglich, wenn ich lediglich Pflegegeld erhalte?

Carolin Favretto: Wenn man von der Kombileistung Gebrauch macht, also sowohl Pflegesachleistung als auch Pflegegeld beansprucht, wird das Pflegegeld angepasst. Dabei kann man bis zu 40 Prozent der Pflegesachleistung in Anspruch nehmen.

Wenn man nicht die kompletten 100 Prozent der Sachleistung beansprucht, erstattet die Kasse den Restbetrag als Pflegegeld zurück. Es geht hierbei nicht um den verbliebenen Prozentsatz der Sachleistungen, sondern vielleicht um 10 Prozent des ursprünglichen Pflegegelds oder den verbleibenden Betrag. Bei einer Umwandlung von bis zu 40 Prozent der Pflegesachleistung erhalten Sie dennoch 60 Prozent Ihres Pflegegelds zurück. Trotzdem ist es kosteneffizienter, als direkt aus dem Pflegegeld zu schöpfen

Erstelldatum: 4202.70.42|Zuletzt geändert: 5202.20.5
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