Mehrere Fälle von Ausgrenzung und Aggression gegen Vertreter politischer Meinungen haben den Bundespräsidenten zu einer Anmerkung dazu veranlasst: Er kritisierte in einer Rede in Schloss Bellevue die Störungen von Vorlesungen, die der Mitbegründer der AfD, Bernd Lucke, an der Universität Hamburg halten wollte.

"Was wir gewiss nicht brauchen – lassen Sie mich das aus gegebenem Anlass klar sagen –, sind aggressive Gesprächsverweigerung, Einschüchterung und Angriffe", sagte Steinmeier in einer Rede auf einer Veranstaltung in Berlin. Dies gelte für Politiker ebenso wie für "umstrittene Professoren in Hörsälen".

Lucke ist bis heute umstritten, weil er in der AfD erst die Nationalisten gewähren ließ und sich erst spät – wie seine 2017 aus der AfD ausgetretene Amtsnachfolgerin Frauke Petry – gegen sie stellte. Lucke hatte später eine eigene Partei gegründet, die jedoch erfolglos blieb. Seit er im Mai aus dem Europaparlament ausschied, will er wieder als Dozent arbeiten. An der Universität Hamburg kam er wegen des Protestes zahlreicher Studierender aber bisher kaum zu Wort. 

"Andere zum Schweigen bringen zu wollen, nur, weil sie das eigene Weltbild irritieren, ist nicht akzeptabel", sagte Steinmeier weiter, ohne Lucke dabei namentlich zu nennen. "Der offene politische Streit im Respekt für den anderen ist etwas, was wir uns gegenseitig zumuten müssen. Er ist das Herzstück der Demokratie", hob er weiter hervor.

Die zweite Vorlesung Luckes diese Woche war vorzeitig abgebrochen worden. Die Universität hatte die Störungen verurteilt. Diese seien "mit dem grundgesetzlich garantierten Schutz der Freiheit von Wissenschaft nicht zu vereinbaren", hieß es in einer Erklärung. Scharfe Kritik daran äußerte auch Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne).

Wissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) warnte im Spiegel davor, "den politischen Diskurs zu verengen". Mit Blick auf die Proteste gegen Lucke hob sie hervor: "Es geht nicht, dass sich Studentengruppen oder Aktivisten als Meinungszensoren aufspielen." Am Montag war auch eine geplante Lesung des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) an der Universität Göttingen durch Demonstranten verhindert worden. Die Vorfälle polarisieren: Während die demonstrierenden Studierenden ablehnen, dass Lucke an ihrer Universität überhaupt spricht, finden er und seine Verteidiger, dass die Meinungsfreiheit erfordert, auch unbequeme Stimmen auszuhalten. 

So kritisierte auch FDP-Chef Christian Lindner, in Hamburg und Göttingen seien "Meinungen, die nicht als akzeptabel eingeschätzt worden sind, von den Gegnern niedergebrüllt worden". Lindner beschwerte sich auch, dass ein geplanter Auftritt von ihm an der Universität Hamburg von der Hochschule nicht genehmigt worden sei. Diese hatte ihre Entscheidung damit begründet, dass Veranstaltungen mit parteipolitischer Ausrichtung nicht vorgesehen seien.