Ausflugstipp Die schwarze Seele der Ardennen
Stavelot/Sourbrodt · Die Abtei im belgischen Stavelot zeigt derzeit eine sehenswerte Ausstellung über den Comic-Künstler Didier Comès. Zugleich bietet ein neuer Reiseführer Tipps für kurze oder längere Ausflüge in die nahen Ardennen.
Versteckte Schätze in den Ardennen: Wer aus der deutschen Eifel über die Grenze nach Belgien und weiter in Richtung Hohes Venn fährt, der kommt, je nach Route, durch Sourbrodt. Meistens rollt man einfach durch und weiter – und übersieht, dass der Ort erst in den Nebenstraßen seinen Charme entwickelt. Und wenn man dann die neu gebaute Brauerei am Fuß des Hochmoors passiert, ist man schon wieder raus.
Dabei wurde in Sourbrodt 1942 einer der stilistisch beeindruckendsten Comic-Zeichner des Nachbarlandes geboren: Didier Comès. Ihm und seinem Werk ist derzeit eine große Ausstellung in der Abtei von Stavelot gewidmet. Sie dauert bis Januar 2020, es bleibt also noch viel Zeit für einen Abstecher nach Stavelot. Und vielleicht ja nach Sourbrodt.
Auch wegen des Biers: Die oben erwähnte Brauerei nennt sich „Peak Beer“. Sehenswert, probierenswert, mit tollem, sehr abenteuerlichen Kinderspielplatz auf der Rückseite. „Peak“ – Berggipfel also, weil sie direkt unter dem höchsten Punkt Belgiens steht, der Botrange mit ihren sensationellen 694 Metern Höhe. Drei weniger als der Schwarze Mann in der Eifel.
Aber zurück zur gezeichneten Kunst: Comics werden im Nachbarland deutlich mehr geschätzt als bei uns, ihre Autoren verehrt. Doof für Deutschland, bestens für Belgien, zumal das Land wirklich große Zeichner und Szenaristen hervorbrachte.
Comès ist hier wenig bekannt, seine Alben bei uns kaum noch zu bekommen. Sehr schade ist das, denn er gehört zu den interessantesten Comic-Künstlern überhaupt. Gerade die Ardennen, ihre Geschichte, ihre Atmosphäre und ihre Mythen haben sein Werk geprägt. Comes konnte zudem allein mit schwarzer Tusche und reduziertem Strich Stimmungen und Spannung erzeugen wie nur wenige andere Künstler.
Interessant ist er aber auch wegen seiner Biografie: Denn der 1942 während der deutschen Besatzung mitten in den Krieg hinein geborene Comes – den Akzent auf dem „e“ setzte er später selbst hinzu – wurde getauft auf den Vornamen Dieter Hermann. Sourbrodt war damals Teil des Deutschen Reichs. Die Mutter stammte aus Malmedy, Comes‘ Vater war ein deutschprachiger Ostbelgier – und, wie so viele seiner Landsleute, zwangsrekrutiert und an die Ostfront geschickt worden. Nach seiner Rückkehr und der Befreiung von den Besatzern steckte man ihn trotzdem zuerst ins Gefängnis. Und taufte den Sohn in Didier um.
Weshalb der sich auch einen deutsch-belgischen „Bastard“ nannte. Die Prägung durch die Kriegserfahrungen, die Zerrissenheit einer deutsch-belgischen Identität, das alles zeigt sich auch in Comes‘ Bildern und Geschichten. Und die belegen, was für ein außerordentlicher Künstler dieser „Bastard“ war.
Die Ausstellung in Stavelot zeigt unter anderem zahlreiche Originalseiten – ganz nah kommt man da der Kunst des 2013 gestorbenen Zeichners und kann erkennen, mit welchen handwerklichen Mitteln er arbeitete. Auch wenn man einem Geheimnis nicht auf die Spur kommt: Wie er zu solch bestechender zeichnerischer Qualität gelangen konnte. Allein wie seine Schneelandschaften getuscht sind, ist schlicht hinreißend.
Und wenn er die Ardennen, heißt es im sehr guten Begleittext zur Ausstellung, „nicht unter einer dicken Schneeschicht gefangen hält, verleiht er seiner Landschaft eine herbstliche Melancholie, die ein seltsames Gefühl der Beklommenheit vermittelt. Im Wind emporwirbelnde tote Blätter sowie ein tief hängender, bewölkter und bedrohlicher Himmel sind zu Comès‘ Markenzeichen geworden.“ Liest man das, will man gleich wieder hin.
Im Museumsladen zu haben ist eine Kurzbiografie mit zahlreichen Abbildungen unter dem Titel „Didier Comès – Leuchtendes tiefes Schwarz“. Sie kostet nur fünf Euro, dank Förderung durch die König-Baudouin-Stiftung.
Kurz: sehenswert. Wie ja auch Stavelot selbst und natürlich die Abtei. Deswegen ist sie auch einer der Ausflgstipps in einem neuen Buch des Eupener Grenz-Echo-Verlags, das „100 Orte in den Ardennen“ präsentiert. Der Verfasser Rolf Minderjahn kennt diese Gegend bestens, er führt den Leser auf eine Reise in ein immer noch – und vielleicht ja auch zum Glück – nicht von den Massen entdecktes Land voller Überraschungen zwischen Burgzinnen und tiefen Wäldern.
Oder, wenn man gerade ohnehin schon in Stavelot ist, zu einem Abstecher ins nahe Coo, mit tollem, doppelten Wasserfall und dem Freizeitpark, der großen und kleinen Gästen jede Menge Spaß bietet. Tut ja vielleicht ganz gut, nachdem man sich von Didier Comès in die Düsternis des Ardennerwalds hat führen lassen.
Die Ausstellung über Didier Comès in Stavelot dauert bis 5. Januar 2020, sie ist täglich von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet, außer am 25. Dezember und am 1. Januar. Eintritt: 6 Euro. Information im Internet unter www.abbayedestavelot.be
Das Buch von Rolf Minderjahn hat 216 Seiten, viele Abbildungen, ist im Handel erhältlich und kostet 15 Euro.