Anfang dieser Woche verkündete Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), dass Deutschland künftig auch Gepard-Panzer liefern wird.
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Anfang dieser Woche verkündete die deutsche Verteidigungsministerin, dass Deutschland künftig auch Gepard-Panzer in die Ukraine liefern wird.

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#Faktenfuchs: Wer zahlt für Waffenlieferungen an die Ukraine?

In dieser Woche hat die Bundesregierung ihren Kurs geändert – und beschlossen, auch Panzer an die Ukraine zu liefern. Darüber hinaus liefert Deutschland seit Beginn des Krieges auch leichtere Waffen. Doch wer bezahlt das eigentlich? Ein #Faktenfuchs

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine diskutiert Deutschland über Waffenlieferungen: Welche Waffen sollen geliefert werden? Welche hat Deutschland vorrätig und welche könnten von ukrainischen Soldaten überhaupt eingesetzt werden – ohne lange Ausbildungszeiten?

Auf Twitter häufen sich Behauptungen und Gerüchte rund um die Waffenlieferungen. Ein Thema, das dabei immer wieder auftaucht: Wer zahlt am Ende eigentlich dafür?

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Auf Twitter diskutieren User darüber, wer für die Waffenlieferungen zahlt.

"Warum ist es die Pflicht der deutschen Steuerzahler für Waffen der Ukraine zu bezahlen?", schreibt ein User. Ein anderer vermutet: "(...) Am Ende des Tages darf die Ukraine sich die Waffen aussuchen und wir bezahlen das denn [sic], ohne die eigenen Bestände zu schrumpfen."

Doch stimmt das überhaupt? Zahlt Deutschland für die Waffenlieferungen an die Ukraine?

Die Rüstungsexporte unterliegen der Geheimhaltung

Die kurze Antwort lautet: Ja, Deutschland zahlt – soweit bisher bekannt. Ob Waffenlieferungen aus dem Bestand der Bundeswehr oder Bestellungen der Ukraine bei deutschen Rüstungsunternehmen – in beiden Fällen erklärt die Bundesregierung, dass sie die Kosten tragen wird. Das gilt auch für den angekündigten Ringtausch, bei dem Nato-Partner wie Slowenien Waffensysteme an die Ukraine liefern sollen, die Deutschland ihnen dann ersetzt.

Allerdings: Details der Waffenlieferungen in die Ukraine hält die Bundesregierung streng geheim. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat immer wieder betont, dass dies auf expliziten Wunsch der Ukraine geschehe – um zu verhindern, dass Russland dadurch einen militärischen Vorteil erhalte. Vieles ist also nicht öffentlich. Zudem sind etwa beim Ringtausch oder bei den zugesagten Geldern für ukrainische Rüstungsbestellungen viele Details noch nicht ausgehandelt.

Für die lange Antwort muss man etwas weiter ausholen.

Wie Deutschland die Ukraine militärisch unterstützt

Grundsätzlich gibt es vier verschiedene Wege, über die Deutschland dem ukrainischen Militär Waffen und Ausrüstung zukommen lässt – oder es künftig tun will. Bei keinem der vier Wege ist bisher vorgesehen, dass die Ukraine für die Hilfen zahlen muss.

1. Lieferungen aus dem Bestand der Bundeswehr

Schon seit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine in einer Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar eine "Zeitenwende" konstatierte, beliefert Deutschland die Ukraine mit Waffen. Bisher erfolgten die Lieferungen vor allem aus Beständen der Bundeswehr. Auf Nachfrage teilt eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministerium dazu mit: "Die Ausrüstungsgegenstände, die aus den Beständen der Bundeswehr kommen, wurden unentgeltlich an die Ukraine bereitgestellt und geliefert."

Während die Bundesregierung anfangs noch offener kommunizierte, was geliefert wird, hält sie die Waffenexporte inzwischen geheim. Bundestagsabgeordnete können zwar eine Liste der Exporte einsehen, dürfen diese Informationen aber nicht weitergeben.

Dennoch dringen immer wieder Informationen darüber an die Öffentlichkeit, was Deutschland bisher geliefert hat. So erfuhr etwa die Deutsche Presse-Agentur (dpa) aus ukrainischen Regierungskreisen, dass Deutschland seit Beginn des Krieges unter anderem rund 2.500 Luftabwehrraketen, 900 Panzerfäuste mit 3.000 Schuss Munition, 100 Maschinengewehre und 15 Bunkerfäuste mit 50 Raketen sowie 100.000 Handgranaten geliefert hat. (Stand: 21.04.22)

Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, hält diese Liste im Gespräch mit dem #Faktenfuchs für glaubwürdig. Zumindest habe "dem keiner widersprochen".

2. Waffenkäufe bei der deutschen Rüstungsindustrie auf Kosten des Staates

Immer wieder hatten Vertreter der Bundeswehr in den vergangenen Wochen davor gewarnt, dass bei den Lieferungen aus ihren Beständen bald eine Grenze erreicht sei. Das noch verbleibende Material würde gebraucht, um Deutschlands militärische Verpflichtungen im Rahmen der Nato wahrzunehmen sowie die eigene Verteidigungsfähigkeit gewährleisten zu können. Ob das tatsächlich so ist oder es schlicht eine politische Entscheidung ist, ist unter Militärexperten umstritten.

Mitte April kündigte der Bundeskanzler auf einer Pressekonferenz eine zweite Phase der Waffenlieferungen an: Künftig solle die Ukraine auch direkt Waffen bei der deutschen Rüstungsindustrie bestellen können – auf Kosten des deutschen Staates.

"Wir haben die deutsche Rüstungsindustrie gebeten, uns zu sagen, welches Material sie in nächster Zeit liefern kann", so Scholz am 19. April. Was die Ukraine davon gebrauchen könne, werde dann geliefert. "Wir stellen ihr das für den Kauf notwendige Geld zur Verfügung", versprach der Kanzler. Und dann später: "Es ist unsere Absicht, diese Lieferung zu bezahlen."

Ob das Geld in Form von Krediten zur Verfügung gestellt wird oder Deutschland die Kosten endgültig übernimmt, dazu will sich ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf Nachfrage nicht konkret äußern. Die Exporte müssen jeweils noch vom Bundessicherheitsrat – einem speziellen Ausschuss des Bundeskabinetts, dem hochrangige Minister angehören – genehmigt werden.

Sicher ist immerhin, wo genau das Geld bereitgestellt wird: Konkret soll das über das Instrument der "Ertüchtigungshilfe" geschehen. Über diesen Haushaltstitel leistet die Bundesregierung "Hilfe zur Selbsthilfe" für Staaten, die in krisengefährdeten Regionen liegen. Der rund 200 Millionen Euro schwere Topf soll nun im Zuge eines Nachtraghaushaltes auf zwei Milliarden Euro aufgestockt werden, wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums dem #Faktenfuchs bestätigt. Für die Mehrausgaben nimmt der Fiskus neue Schulden auf.

Rund eine Milliarde der zusätzlichen Gelder, so Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der Regierungspressekonferenz vom 20. April 2022, sollen direkt der Ukraine zugute kommen. Die Bundesregierung könne damit ukrainische Einkäufe bei deutschen Rüstungsunternehmen bezahlen oder Ausgaben im Rahmen des zusätzlich geplanten Ringtausches finanzieren. Mit weiteren 400 Millionen will Deutschland seinen Beitrag zur Aufstockung der Europäischen Friedensfazilität bestreiten.

3. Die Europäische Friedensfazilität (Englisch: European Peace Facility)

Die Europäische Friedensfazilität ist ein Finanzierungsinstrument, mit dem die EU gemeinsame militärische Interessen finanziert. EU-Mitgliedstaaten zahlen gemäß ihres Bruttonationaleinkommens in den Topf ein, das Geld kommt nicht aus dem regulären EU-Haushalt.

Entscheidet sich ein Mitgliedstaat einen Drittstaat militärisch zu unterstützen – zum Beispiel, indem es für dieses Land Waffen oder Ausrüstung kauft oder ihm überlässt – kann er diese Ausgaben durch die EU-Friedensfazilität erstattet bekommen. Seit Beginn des Krieges hat sich die EU darauf geeinigt, über diesen Mechanismus Hilfen für die Ukraine in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Deutschland übernimmt davon – wie oben bereits erwähnt – rund 400 Millionen.

Der "Fazilitätsausschuss", der sich aus je einem Vertreter jedes EU-Mitgliedstaats zusammensetzt, entscheidet letztlich über die Erstattung von Hilfen. Wenn die Hilfsmaßnahme beziehungsweise die Lieferung mit den Kriterien der Europäischen Friedensfazilität übereinstimmt, bekommt das Mitgliedsland seine Ausgaben erstattet. Die Kriterien sind allerdings nicht öffentlich, wie eine EU-Quelle dem #Faktenfuchs mitteilt.

4. Ringtausch: Kompensation für Nato-Partner, die die Ukraine beliefern

Der sogenannte "Ringtausch" ist ein weiterer Mechanismus zur militärischen Unterstützung der Ukraine, den Bundeskanzler Olaf Scholz am 19. April ins Spiel gebracht hat. Dabei liefert die Bundesregierung nicht direkt an die Ukraine – sondern kompensiert Nato-Partner, die ihrerseits Waffen an die Ukraine geliefert haben, mit neuerem Gerät.

Das Argument der Bundesregierung hierbei ist, dass es gerade im Fall schwerer Waffen wie Panzer zu lange dauere, bis einsatzfähige Systeme von der Industrie bereitgestellt werden können und ukrainische Soldaten für den Umgang mit ihnen ausgebildet seien.

Stattdessen soll der Nato-Partner Slowenien eine größere Stückzahl seiner T-72-Kampfpanzer – die noch aus der Sowjetzeit stammen und mit denen ukrainische Soldaten vertraut sind – an die Ukraine abgeben und aus Deutschland im Gegenzug den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs erhalten.

Wie die dpa aus Regierungskreisen erfuhr, soll Slowenien als Kompensation außerdem auch moderneres Gerät aus Deutschland gefordert haben, darunter den deutschen Kampfpanzer Leopard 2, den Radpanzer Boxer sowie den Schützenpanzer Puma, der in der Bundeswehr als Nachfolger des seit 50 Jahren genutzten Marder eingeführt wird.

Weder die Ukraine noch Slowenien müssen für diese Leistung bezahlen: "Liefern Nato-Partner eigenes Material im Ringtausch, so werden Ersatzlieferungen solidarisch im Rahmen der Nato-Bündnisverpflichtungen geleistet, entweder leihweise oder zu dauerhaftem Verbleib", teilt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums dem #Faktenfuchs mit.

Hat die Ukraine auch selbst in Deutschland Waffen gekauft?

Bei allen derzeit geplanten Arten von Rüstungslieferungen ist also erstmal nicht vorgesehen, dass die Bundesregierung eine Rechnung mitschickt. Doch was ist, wenn die Ukraine auf eigene Faust bei deutschen Rüstungsunternehmen Waffen kaufen will? Ist so etwas seit Beginn des Krieges schon vorgekommen? Sind Direktkäufe geplant? Das Bundeswirtschaftsministerium will sich zu dieser Frage nicht äußern.

Der Militärexperte Thomas Wiegold erinnert sich im Gespräch mit dem #Faktenfuchs aber an mindestens einen Fall, in dem das offenbar vorgekommen ist: Ende März berichteten verschiedene Medien mit Verweis auf die Deutsche Presse-Agentur, dass die ukrainische Regierung bei dem deutschen Waffenhersteller Dynamit Nobel Defence 5.100 Panzerabwehrwaffen gekauft habe.

Die Kosten in Höhe von 25 Millionen Euro, so Wiegold, habe die ukrainische Regierung getragen: "Ob andererseits die Ukraine dafür dann wieder auf anderem Wege von Deutschland oder von der EU das Geld bekommen hat, das weiß ich nicht", sagt der Militärexperte.

Fazit:

Die Bundesregierung leistet militärische Unterstützung an die Ukraine auf vier verschiedene Weisen. Zum einen liefert sie Waffen aus den Beständen der Bundeswehr – kostenlos. Zusätzlich hat man sich Mitte März entschieden, über einen Nachtragshaushalt rund eine Milliarde Euro für Rüstungshilfen für die Ukraine bereitzustellen. Damit kann die Ukraine bei der deutschen Industrie Waffen bestellen und aus diesem Topf soll auch der sogenannte "Ringtausch" finanziert werden (siehe unten). Ob Deutschland endgültig für die Einkäufe bezahlt oder der Ukraine Kredite gewährt, ist allerdings noch unklar. Die Exporte müssen jeweils noch vom Bundessicherheitsrat genehmigt werden.

Drittens zahlt die Bundesregierung 400 Millionen Euro in die Europäische Friedensfazilität ein, ein Finanzierungsinstrument der EU, aus dem EU-Mitgliedstaaten sich bilaterale Waffenlieferungen an die Ukraine erstatten lassen können.

Und viertens hat Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, Waffen im Rahmen eines Ringtausches bereitzustellen. Der Plan: Nato-Partner liefern Waffensysteme an die Ukraine, die dort schnell zum Einsatz kommen können. Um den Verlust zu kompensieren, erhalten die Nato-Partner im Rahmen der Bündnisverpflichtungen neueres Gerät aus Deutschland. Auch hierbei sollen den Partnern keine Kosten entstehen. Womöglich wird ein Teil der Ausrüstung aber nur als Leihgabe gegeben.

Das Bundeswirtschaftsministerium will sich nicht dazu äußern, ob die Ukraine seit Beginn des Krieges in einzelnen Fällen auch schon selbst bei deutschen Unternehmen Waffen auf eigene Kosten eingekauft hat. In der Presse wurde über mindestens einen solchen Fall berichtet. Ob die Ukraine das Geld später zurückerstattet bekam, ist nicht bekannt.

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