Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 5/20 R

Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen - Verjährungsfristen - Verwaltungsakt

Verhandlungstermin 04.03.2021 12:00 Uhr

Terminvorschau

D. P.  ./.  Bundesagentur für Arbeit
Die Beklagte nahm die Bewilligung von Arbeitsentgeltzuschüssen für Arbeitnehmer der Klägerin zurück und verlangte zeitgleich die Erstattung überzahlter Beträge (bindende Bescheide vom 19.8.2011). Mit Schreiben vom 14.12.2011 forderte sie den offenen Betrag in Höhe von 4444,59 Euro und setzte Mahngebühren fest.

Im Oktober 2017/Januar 2018 forderte die Beklagte erneut den offenen Betrag zuzüglich der Mahngebühren. Die Klägerin machte geltend, die Forderungen seien wegen Verjährung erloschen (Schreiben vom 30.1.2018/2.3.2018). Die Beklagte widersprach dem (Schreiben vom 9.2.2018/16.8.2018). Einen Widerspruch der Klägerin gegen das Schreiben vom 9.2.2018 wies sie zurück. Das Schreiben vom 2.3.2018 wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag und lehnte diesen ab.

Nach Verbindung der beiden Klageverfahren hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die geltend gemachten Forderungen wegen Verjährung erloschen seien. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt werde, dass die mit den Erstattungsbescheiden geltend gemachten Forderungen verjährt seien. Das Spannungsverhältnis zwischen § 50 Abs 4 SGB X und § 52 Abs 2 SGB X könne nur dergestalt aufgelöst werden, dass von einem Vorrang der Verjährungsregelung in § 50 Abs 4 SGB X gegenüber derjenigen in § 52 Abs 2 SGB X ausgegangen werde. Erst zusätzliche Verwaltungsakte zur Durchsetzung des Anspruchs unterfielen der 30jährigen Verjährungsfrist. Die Mahnung vom 14.12.2011 sei kein Verwaltungsakt iS des § 52 Abs 1 SGB X.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 52 Abs 2 SGB X und § 50 Abs 4 SGB X.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Mannheim - S 11 AL 862/19, 14.08.2019
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 8 AL 3185/19, 26.06.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 7/21.

Terminbericht

Auf die Revision der Beklagten hat der Senat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben, soweit das Schreiben vom 9.2.2018 und die angegriffenen Bescheide aufgehoben worden sind. Bei dem Schreiben vom 9.2.2018 handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt; der Widerspruch hiergegen sowie der Überprüfungsantrag sind daher im Ergebnis zu Recht ohne Erfolg geblieben. Die Revision der Beklagten ist aber unbegründet, soweit die Vorinstanzen festgestellt haben, dass die mit den Erstattungsbescheiden geltend gemachten Forderungen verjährt sind. § 50 Abs 4 Satz 1 SGB X verknüpft den Beginn der Verjährung bei Ansprüchen eines Sozialleistungsträgers auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen mit einem den Erstattungsanspruch konkret festsetzenden schriftlichen Verwaltungsakt im Sinne des § 50 Abs 3 SGB X und dessen Unanfechtbarkeit. Die vierjährige Verjährungsfrist bewirkte den Eintritt der Verjährung mit Beginn des Jahres 2016. Die Klägerin hat sich auf die Verjährung berufen, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre.

Aus § 52 SGB X, der nach § 50 Abs 4 Satz 3 SGB X unberührt bleibt, ergibt sich keine abweichende Verjährungsfrist. Die 30jährige Verjährungsfrist findet Anwendung allein bei Erlass eines Verwaltungsakts im Sinne des § 52 Abs 1 SGB X. § 52 Abs 1 SGB X setzt eine bereits laufende Verjährungsfrist hinsichtlich des vom Sozialleistungsträger geltend gemachten Anspruchs aus einer anderen Rechtsgrundlage voraus, weil nur "gehemmt werden kann", was bereits zu laufen begonnen hatte. In den Fallgestaltungen des § 50 SGB X kann erst ein weiterer Bescheid eine bereits laufende Verjährungsfrist des nach § 50 Abs 3 SGB X festgesetzten Erstattungsanspruchs hemmen. Bei der vierjährigen Verjährungsfrist des § 50 Abs 4 SGB X handelt es sich zudem um eine Sonderregelung zu Beginn und Lauf der Verjährung, welche die 30jährige Verjährungsfrist des § 52 Abs 2 SGB X als speziellere Vorschrift verdrängt. Wenn der Gesetzgeber den Lauf einer 30jährigen Verjährungsfrist unmittelbar bereits mit dem Erlass eines Erstattungsbescheids hätte verbinden wollen, hätte er anstelle der in § 50 Abs 4 Satz 1 SGB X festgelegten vierjährigen Verjährungsfrist auf eine entsprechende Anwendung des § 52 Abs 2 SGB X verweisen können. Aus der Entstehungsgeschichte und späteren Gesetzesänderungen ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Die Mahnung vom 14.12.2011 einschließlich des Mahngebührenbescheides führten nicht dazu, dass die vierjährige in eine 30jährige Verjährungsfrist übergegangen ist.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 7/21.

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