Ob der berühmte Manga-Künstler Shigeru Mizuki (u.a. verantwortlich für die eigenwillige Manga-Biographie von Hitler) tatsächlich in seiner Kindheit Dämonen und Geistern, den im japanischen Volksglauben „Yokai“ genannten Kreaturen begegnet ist, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Der Zeichner verstarb 2015 im Alter von 93 Jahren. Sein bezauberndes Werk „Tante NonNon“ legt diesen Gedanken allerdings nah. Die japanische Folklore ist ein zentraler Bestandteil seines Werks und hat über Videospiele, Animé, Manga und viele andere Medien auch längst Einzug in unseren Kulturkreis gehalten. Der nach ihm selbst benannte Held der lose zusammenhängenden Kurzgeschichten lernt dabei von seiner verschrobenen Tante allerlei wilde Theorien über die übersinnlichen Wesen, die sich scheinbar immer wieder bewahrheiten. Da passiert es, dass einer der Geister Shigeru vor einem flüchtigen Gangster rettet, oder eine Warze am Finger des passionierten Zeichners sich als verschlagener Dämon entpuppt, der ihm bei den Matheaufgaben hilft. Gegen einen gewissen Preis, versteht sich.

Tante NonNon“ ist ein bezauberndes, pfiffiges und vor allem erstaunlich zeitloses Buch. Die charmanten und frechen Lausbubengeschichten glänzen mit herrlich verschrobenen Charakteren, wie etwa Shigerus Eltern. Während seine Frau Mutter nicht müde wird, ihre Herkunft aus sehr gutem Hause zu betonen, lebt sein Papa verträumt in den Tag hinein und wirtschaftet das völlig unbedacht angeschaffte eigene Kino in den Ruin.

Das einzige was man an der sprachlich schlüssigen und wie von Reprodukt gewohnt elegant präsentierten deutschen Fassung bemängeln könnte, ist die sehr sparsame redaktionelle Begleitung. Wer sich regelmäßig mit japanischer Folklore befasst, dem mögen einige der Wesen, Gepflogenheiten und Begriffe durchaus bekannt vorkommen. Wer sich unbedarft auf das zeichnerisch angenehm eigenständige Abenteuer einlässt, dem bleibt jedoch nur das angehängte Glossar, ohne Verweise darauf in der Geschichte selbst. Auch wenn es das Erscheinungsbild ein wenig beeinträchtigt, hat sich etwa bei „Usagi Yojimbo“ aus dem Dantes Verlag bewährt, die Erläuterungen kompakt gleich unten auf der jeweiligen Seite mitzuliefern. Das unterbricht den Lesefluss nicht so stark, was gerade bei fantastischen oder mystischen Erzählungen natürlich auch die Atmosphäre stören kann.

Von diesem kleinen Makel einmal abgesehen ist der abgeschlossene Band ein echter Geheimtip für jeden Leser, der sich auch nur entfernt für japanische Sagen und Mythen interessiert. Die bekommt man hier nämlich mit viel Herz und einem schelmischem Augenzwinkern präsentiert. Toll.


Leseprobe


TANTE NONNON, Autor: & Künstler: Shigeru Mizuki, 416 Seiten, broschiertes Softcover, 20,00 Euro, Erschienen bei REPRODUKT