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Form und Funktion: Eine Seite aus „Im Labyrinth der Erinnerungen“.

© Schreiber & Leser

Comic-Abenteuer: Von Gier getrieben

In Frankreich ein Star, hierzulande noch zu entdecken: Mit „Im Labyrinth der Erinnerungen“ wurde jetzt ein weiterer Titel von Andreas ins Deutsche übertragen.

Er hat wahrlich ein Päckchen zu tragen: Immer wieder krallt sich der rätselhafte rothaarige Mann namens Cythraul an einem verschnürten Stoffbündel fest, sobald es neugierige Blicke auf sich zieht. Was hat er vor? Ist er auf der Suche oder auf der Flucht?

Andreas lebt in Frankreich, ist aber immer mal wieder in Deutschland zu Besuch, hier beim Comic-Salon 2016.
Andreas lebt in Frankreich, ist aber immer mal wieder in Deutschland zu Besuch, hier beim Comic-Salon 2016.

© Lars von Törne

Bei einer Familie, die ihn für eine Nacht beherbergt, erfährt er von den Goldschätzen in der Grabstätte eines vor langer Zeit verstorbenen Druiden. Auf der Suche danach begibt er sich auf eine abenteuerliche Reise durch die Unterwelt.

Ausgangspunkt der Comic-Erzählung „Im Labyrinth der Erinnerungen“ (Schreiber und Leser, 56 S., 16,95 €) ist ein von Cythraul begangener Mord, dessen Umstände erst am Ende aufgeklärt werden.

Bereits 1985 hat Comiczeichner Andreas das Werk im französischen Original als Album veröffentlicht. Nachdem der Comic 2015 in Frankreich neu aufgelegt wurde, ist er nun erstmalig auf Deutsch erschienen. Der in Sachsen-Anhalt geborene Andreas, mit vollem Namen Andreas Martens, lebt seit langem in Frankreich und genießt dort weitaus größeren Ruhm als hierzulande.

Experimentelle Seitenstruktur, dynamische Perspektiven

„Im Labyrinth der Erinnerungen“ erkundet Andreas die keltische Sagenwelt. Auf seinem Weg durch die Unterwelt begegnet Cythraul nordischen Gottheiten und altehrwürdigen Druiden. Je weiter er voranschreitet, desto mehr rufen Erlebnisse die düstere Vergangenheit des erfolglosen Schauspielers hervor, die in mehreren Rückblenden rekonstruiert wird. Wie ein Getriebener, von Gier erfüllt, zieht es ihn immer weiter, bis er den Schatz gefunden glaubt.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Schreiber & Leser

Mit feinen Strichen und zeichnerischer Raffinesse erschafft Andreas seinen Protagonisten. Charakteristisch sind Cythrauls spitze Nase und sein ausgeprägtes Kinn, zum Teil grotesk verzerrt. Seine facettenreiche Mimik lässt ihn lebendig erscheinen.

Bemerkenswert ist auch die experimentelle Seitenstruktur: Schmale Panelstreifen, mal horizontal, mal vertikal, zeigen kleine Ausschnitte oder fragmentieren das Geschehen.

Großformatige und scheinbar endlose Landschaften, auf die Cythraul im Reich unter der Erde stößt, wirken da wie ein Ruhepol. In Grau- und Weißtönen gehalten umgibt sie etwas Mystisches. An anderen Stellen muten sie naturalistisch an, wenn Andreas sie in detailreichen Zeichnungen und in dezenten Grüntönen darstellt. Abwechslung verschafft auch sein dynamisches Spiel mit Perspektiven.

Gegenwart, Vergangenheit, Erdengeschehen und Jenseits

In seiner Geschichte verknüpft Andreas mehrere Erzählebenen: Gegenwart, Vergangenheit, Erdengeschehen und Jenseits. Dazu kommen Exkurse in die nordische Mythologie.

Auch wenn die komplexe Handlung zum Teil überfrachtet wirkt, sind die verschiedenen Handlungsstränge deutlich erkennbar und laufen am Ende, wie zu erwarten, zusammen. Eindrucksvoll bedient sich Andreas dabei der ganzen Palette dessen, was im Comic möglich ist. Ein visueller Genuss.

Birte Förster

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