Gebet der Vereinten Nationen

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Der als Gebet der Vereinten Nationen bekannte Text ist eine Dichtung des US-amerikanischen Dichters und Pulitzer-Preisträgers Stephen Vincent Benét aus dem Jahr 1942.

Benét war von dem Dichter Archibald MacLeish, dem damaligen Leiter der Library of Congress, gebeten worden, einen Text zum Flag Day 1942 zu verfassen.[1] US-Präsident Franklin D. Roosevelt verlas das Gebet am 14. Juni 1942 zum Ende seiner landesweit ausgestrahlten Radioansprache zum Flag Day. Er stellte es dabei in einen Zusammenhang zur Deklaration der Vereinten Nationen, die am 1. Januar 1942 während der Arcadia-Konferenz veröffentlicht wurde.

Text[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Text des Gebets ist im Folgenden vollständig abgedruckt. Die gekürzte Fassung aus dem katholischen Gotteslob (siehe Rezeption) ist kursiv hervorgehoben.

Original Übersetzung

God of the free, we pledge our hearts and lives today to the cause of all free mankind.

Grant us victory over the tyrants who would enslave all free men and nations. Grant us faith and understanding to cherish all those who fight for freedom as if they were our brothers. Grant us brotherhood in hope and union, not only for the space of this bitter war, but for the days to come which shall and must unite all the children of earth.

Our earth is but a small star in the great universe. Yet of it we can make, if we choose, a planet unvexed by war, untroubled by hunger or fear, undivided by senseless distinctions of race, color or theory. Grant us that courage and foreseeing to begin this task today that our children and our children's children may be proud of the name of man.

The spirit of man has awakened and the soul of man has gone forth. Grant us the wisdom and the vision to comprehend the greatness of man's spirit, that suffers and endures so hugely for a goal beyond his own brief span. Grant us honor for our dead who died in the faith, honor for our living who work and strive for the faith, redemption and security for all captive lands and peoples. Grant us patience with the deluded and pity for the betrayed. And grant us the skill and the valor that shall cleanse the world of oppression and the old base doctrine that the strong must eat the weak because they are strong.

Yet most of all grant us brotherhood, not only for this day but for all our years – a brotherhood not of words but of acts and deeds. We are all of us children of earth – grant us that simple knowledge. If our brothers are oppressed, then we are oppressed. If they hunger, we hunger. If their freedom is taken away, our freedom is not secure. Grant us a common faith that man shall know bread and peace – that he shall know justice and righteousness, freedom and security, an equal opportunity and an equal chance to do his best, not only in our own lands, but throughout the world. And in that faith let us march, toward the clean world our hands can make. Amen.

Gott der Freien, wir verpflichten unsere Herzen und Leben heute der Sache der gesamten freien Menschheit.

Gewähre uns Sieg über die Tyrannen, die alle freien Menschen und Nationen versklaven würden. Gewähre uns Glauben und Verständnis um all jene zu ehren, die für Freiheit kämpfen, als wären sie unsere Brüder. Gewähre uns Brüderlichkeit in Hoffnung und Einheit, nicht nur für die Zeit dieses bitteren Krieges, sondern für die kommenden Tage, die alle Kinder der Erde vereinen werden und müssen.

Unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung. Gib uns Mut und Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst stolz den Namen Mensch tragen.

Der menschliche Geist ist erwacht und die Seele des Menschen ist ausgezogen. Gib uns die Weisheit und die Vision, die Größe des menschlichen Geistes zu verstehen, der für ein Ziel jenseits seiner eigenen kurzen Spanne so enorm leidet und erträgt. Gib uns Ehre für unsere Toten, die im Glauben gestorben sind, Ehre für unsere Lebenden, die nach dem Glauben streben und für ihn arbeiten, Erlösung und Sicherheit für alle gefangenen Länder und Völker. Schenke uns Geduld mit den Verblendeten und Mitleid mit den Betrogenen. Und gib uns die Fähigkeit und den Mut, die die Welt von Unterdrückung reinigen sollen und der alten Doktrin, dass die Starken die Schwachen essen müssten weil sie stark sind.

Doch vor allem gewähre uns Brüderlichkeit, nicht nur für den heutigen Tag, sondern für alle unsere Jahre – eine Brüderlichkeit nicht der Worte, sondern der Handlungen und Taten. Wir alle sind Kinder der Erde – gewähre uns dies einfache Wissen. Wenn unsere Brüder unterdrückt werden, dann werden wir unterdrückt. Wenn sie hungern, hungern wir. Wenn ihnen die Freiheit genommen wird, dann ist unsere Freiheit nicht sicher. Gib uns einen gemeinsamen Glauben, dass der Mensch Brot und Frieden kenne – dass er Recht und Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit, gleiche Möglichkeiten und gleiche Chancen sein Bestes zu tun, nicht nur in unseren Heimatländern, sondern in der ganzen Welt. Und in diesem Glauben lass uns auf die reine Welt zumarschieren, die unsere Hände erschaffen können. Amen.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Komponist Douglas Moore vertonte Benéts Gebet 1943 als Prayer for the United Nations für Alt- (oder Bariton-)Solo, gemischten Chor und Orchester.[2][3][4][5]

Eine stark gekürzte Fassung des Textes wurde 1975 in das katholische Gebet- und Gesangbuch Gotteslob im Abschnitt „Verantwortung für die Welt“ aufgenommen (GLalt 31,1). Auch in das neubearbeitete Gotteslob von 2013 wurde der Text übernommen (GL 20,1). In beiden Veröffentlichungen fehlen sowohl die Angabe des Autors als auch ein Hinweis auf den Entstehungszusammenhang. Dies führte zu verschiedenen Missverständnissen des Textes. Zum einen konnte der Eindruck entstehen, das Gebet sei ein offizieller Text der Vereinten Nationen, die jedoch erst drei Jahre nach Entstehung des Textes gegründet wurden. Zwar gilt die Deklaration der Vereinten Nationen von 1942 als wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gründung der Weltorganisation, doch gibt es tatsächlich keinen Hinweis darauf, dass der Text in irgendeinem direkten Zusammenhang mit der Organisation steht. Zum anderen wurde der Text wiederholt als Gebet um Frieden missverstanden.[6][7] Tatsächlich handelt es sich um ein Gebet um Freiheit. Aus dem vollständigen Text und dem historischen Zusammenhang kurz nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg geht hervor, dass es diese Freiheit gegen die Tyrannei der Achsenmächte zu erkämpfen galt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Manuel Uder: „Gebet der Vereinten Nationen“. In: Gottesdienst – Zeitschrift der Liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. 53. Jahr, 2019, Nr. 17, S. 199 (online bei herder.de).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Respectfully Quoted: A Dictionary of Quotations. 1989. bartleby.com, abgerufen am 22. Februar 2016
  2. OCLC 17563118
  3. Katalogeintrag der National Library of Australia
  4. David Garrett Izzo, Lincoln Konkle (Hrsg.): Stephen Vincent Benet: Essays on His Life and Work. McFarland, Jefferson 2002, ISBN 0-7864-1364-6, S. 230 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Jerry L. McBride: Douglas Moore: A Bio-bibliography. A-R Editions, Middleton 2011, ISBN 978-0-89579-666-0, S. 465 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Friedensgebete. (Memento vom 23. Februar 2016 im Internet Archive) Communauté de Notre Dame de la Paix, Sainte Mère Église, Normandie, abgerufen am 23. Februar 2016.
  7. Ermutigung zum Friedensgebet. Liturgische Anregungen. (Memento vom 1. Mai 2015 im Internet Archive) Evangelische Kirche in Deutschland, 2003, abgerufen am 23. Februar 2016 (PDF; 219 kB).