Comic:Harte Schläge

Comic: Gewaltausbruch in hartem Schwarz-Weiß: Vor dem Kampf von Emile Griffith gegen Benny Paret fällt eine homophobe Bemerkung – und Griffith rastet aus. Reinhard Kleist zeichnet den Kampf als wilden Clash der Kontraste.

Gewaltausbruch in hartem Schwarz-Weiß: Vor dem Kampf von Emile Griffith gegen Benny Paret fällt eine homophobe Bemerkung – und Griffith rastet aus. Reinhard Kleist zeichnet den Kampf als wilden Clash der Kontraste.

(Foto: Reinhard Kleist/Carlsen)

Halluzination eines Lebens: Reinhard Kleist erzählt in "Knock Out!" von dem schwulen Boxer Emile Griffith. Seine Zeichnungen zeigen wieder einmal, dass er zu den ganz großen Schwarz-Weiß-Künstlern zählt.

Von Christoph Haas

In der deutschsprachigen Comicszene hat Reinhard Kleist sich einen ganz eigenen Platz erobert. Am Anfang seiner Karriere hatte er einen Hang zum Horror, bevor er sich dem dokumentarischen Comic zuwandte, bevorzugt der Biografie. Mit Ausnahme einer 2010 erschienenen Graphic Novel über Fidel Castro hat Kleist große historische Persönlichkeiten allerdings bislang gemieden. Ihn interessieren die Scheiternden und die Übersehenen, die Außenseiter, auch wenn es sich bei ihnen, wie in seinen Comics über Johnny Cash (2006) und Nick Cave (2017), um Stars handelt.

Neben der Popmusik gehört der Sport zu Kleists bevorzugten Terrains. "Der Boxer" (2012) erzählt von Hertzko Haft, einem jüdischen Schwergewichtler, der die Hölle von Auschwitz überlebte. "Der Traum von Olympia" (2015) schildert das tragische Schicksal der somalischen Leichtathletin Samia Yusuf Omar, die 2008 an den Olympischen Spielen in Peking teilnahm, bevor sie 21-jährig auf der Flucht aus ihrem Heimatland vor der italienischen Küste ertrank. In "Knock Out!" steht nun wieder ein Boxer im Zentrum: der 1938 geborene und 2013 verstorbene Emile Griffith, Weltmeister im Welter-, Halbmittel- und Mittelgewicht.

Durch die ausgefeilte Dramaturgie Kleists liest sich diese Lebensgeschichte so spannend wie ein Roman

Er ist eine schillernde Figur: ein großer Boxer, aber auch einer, der einen Menschen im Ring tötete. Und Griffith war, was ein Boxer zu seiner Zeit keinesfalls sein durfte und Sportlern auch heute noch kaum zugestanden wird: Er war schwul.

Auf der Karibikinsel St. Thomas geboren, kam er als Jugendlicher nach New York, wo er im Geschäft eines Damenhutmachers aushalf und ein beachtliches Talent für eigene Hutkreationen an den Tag legte. Die Sportarten, die ihn interessierten, waren Baseball und Tischtennis; weil er dunkelhäutig war und arm, stand ihm aber nur eine Boxkarriere offen. Schnell stieg er auf, bis er bei einem Kampf im Jahr 1962 seinem Gegner Benny Paret in der Ringecke so schwere Treffer zufügte, dass dieser ins Koma fiel und Tage später starb. Zuvor hatte Paret öffentlich über die sexuelle Orientierung von Griffith gespottet.

Durch die ausgefeilte Dramaturgie Kleists liest sich diese Lebensgeschichte so spannend wie ein Roman. Am Anfang des Comics wird der alte, betrunkene Griffith von vier jungen weißen Rassisten brutal zusammengeschlagen. Der von ihm im Ring getötete Benny Paret erscheint ihm, und im gemeinsamen Gespräch erinnert Griffith sich, halluziniert sein Leben, immer wieder unterbrochen durch Momente, die in der Erzählgegenwart spielen. Comic-Biografien, die sich einfach an der Chronologie entlanghangeln, können ziemlich langweilig sein - dieser Falle weicht Kleist damit souverän aus.

Die Zeichnungen in "Knock Out!" zeigen wieder einmal, dass Kleist, nicht nur im Vergleich mit hiesigen Comicautoren, zu den ganz großen Schwarz-Weiß-Künstlern zählt. Wie in "Der Boxer" arbeitet er hier ausschließlich mit harten Kontrasten; es gibt keine Grautöne. Mit seinem variablen Seitenlayout wird er ganz unterschiedlichen Stimmungen und Situationen gerecht: Eine ganzseitige Ansicht des hochsommerlichen New York scheint vor Schweiß zu triefen; überraschende Perspektivenwechsel in einer nächtlichen Seitenstraße spiegeln die Trunkenheit von Griffith wider. Die Parallelmontage zweier Gespräche, die er mit einem seiner Liebhaber und seinem Trainer führt, lässt in der Gegenüberstellung der Dialoge Zweideutigkeiten entstehen, die auf die von heteronormativen Zwängen verursachte Zerrissenheit des Boxers verweisen.

Am Ende des Buches finden sich zwei Fotos: Griffith im Glanz seiner Jugend und als vom Leben erschöpfter Endsechziger. Zugleich freundlich und charismatisch wirkt er in beiden Fällen. Dieser Mann sollte nicht vergessen werden. Reinhard Kleist hat ihm das Denkmal gesetzt, das er verdient.

Reinhard Kleist (Text und Zeichnungen): Knock Out! Carlsen Verlag, Hamburg 2019. 159 Seiten, 18 Euro.

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