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Waffen aus eigenem Bestand Bundeswehr muss Hilfe für Ukraine aus Sondervermögen zahlen

Ampelkompromiss mit Folgen für die Bundeswehr: Künftig muss sie nach SPIEGEL-Informationen den Kauf von Waffen, die sie an die Ukraine abgibt, aus dem Sondervermögen zahlen. Die Union wirft der Koalition Wortbruch vor.
Ukrainischer Soldat vor Schützenpanzer »Marder«

Ukrainischer Soldat vor Schützenpanzer »Marder«

Foto: Gregor Fischer / AP

Die Bundeswehr gibt im großen Umfang Waffen aus ihren Beständen an die Ukraine ab. Bislang hatte die Bundesregierung zugesagt, dass die Wiederbeschaffung von abgegebenem Material aus einem speziellen Topf des Haushalts finanziert wird: dem »Einzelplan 60«, der keinem Ministerium fest zugeordnet wird. Damit wollte die Ampel den Verteidigungshaushalt entlasten.

Doch jetzt kehrt sie davon ab.

Die von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erzielte Einigung zum Haushalt 2024 sieht vor, dass an Kiew abgegebene Waffensysteme in Zukunft aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr refinanziert werden. Aus jenen 100 Milliarden Euro also, die zur »Finanzierung bedeutsamer Ausrüstungsvorhaben« vorgesehen waren, wie es im Juni 2022 im Gesetzestext hieß.

In einem internen Papier des Bundesfinanzministeriums zur jüngsten Einigung heißt es nun: »Die Ausgaben für die Wiederbeschaffung aus Ertüchtigung werden künftig vom Sondervermögen Bundeswehr getragen.« Allein für das kommende Jahr beziffert das Haus von Lindner die Ausgaben auf 520 Millionen Euro; das Schreiben liegt dem SPIEGEL vor.

Eigentlich ist das Geld aus dem Sondervermögen bereits verplant. Nun müssen sich die Haushälter von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erneut über den Wirtschaftsplan beugen.

Der CDU-Haushaltspolitiker Ingo Gädechens wirft der Ampel Wortbruch gegenüber der Bundeswehr vor.

»Es hat immer geheißen: Was ihr an Waffensystemen abgebt, bekommt ihr wieder – und zwar nicht aus ‚eigenem finanziellen Fleisch‘, sondern aus einem anderen Topf«, sagte er dem SPIEGEL. »Jetzt aber sollen alle Systeme aus dem ohnehin hoffnungslos überzeichneten Sondervermögen Bundeswehr finanziert werden«, beklagt er. Die Ampel messe den Streitkräften keine Priorität bei, so Gädechens. Er befürchtet, dass die Geldnöte der Bundeswehr damit noch größer werden.

Wie schwer es dem Wehrressort ohnehin schon fällt, trotz Sondervermögens die nötigen Summen für die Anschaffung von Rüstungsgütern bereitzustellen, zeigte sich am Mittwoch im Haushaltsausschuss des Bundestags. Zähneknirschend stimmten die Ampel-Vertreter dem Kauf von insgesamt 62 »Leichten Kampfhubschraubern« im Wert von 2,6 Milliarden Euro zu. In einem sogenannten Maßgabebeschluss forderten sie die Bundesregierung zu einer transparenteren Finanzplanung auf.

Das Problem mit dem »Leichten Kampfhubschrauber«: Es ist fraglich, ob er kämpfen kann. Denn nach jetziger Planung fehlt das Geld für Munition. Den ersten neuen Helikopter soll die Bundeswehr im November 2025 erhalten.

Ursprünglich war das Bundeswehr-Sondervermögen vor allem für Großprojekte wie den neuen Kampfjet F-35 oder das Raketenabwehrsystem Arrow 3 vorgesehen. Zuletzt weitete die Regierung den Verwendungszweck des Sondertopfs bereits aus. Nach bisheriger Planung wird er Ende 2027 leer sein. Wenn aber daraus nun auch die Nachbeschaffung für Kriegsgerät finanziert wird, das die Bundeswehr an Kiew abgibt, könnte das Sondervermögen schon früher aufgebraucht sein.

Umso drängender stellt sich für die Bundesregierung die Frage nach der Nato-Quote. Woher kommt das Geld, mit dem Deutschland auch nach 2027 mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in seine Verteidigungsfähigkeit investieren will? Eine Antwort darauf bleibt die Ampel bisher schuldig.