Unter­halts­vorschuss für Allein­erziehende Hilfe bis zum 18. Geburts­tag

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Unter­halts­vorschuss für Allein­erziehende - Hilfe bis zum 18. Geburts­tag

Unter­halts­vorschuss. Für viele Allein­erziehende ist diese staatliche Leistung sehr wichtig, wenn sie vom anderen Eltern­teil kein Geld bekommen. © Getty Images / Heide Benser

Taucht ein Eltern­teil ab, ist unbe­kannt oder zahlungs­unfähig, streckt der Staat Kindes­unterhalt vor – seit 2017 bis zum 18. Geburts­tag. Auch Halb­waisen kann das helfen.

Seit Mitte 2017 zahlt der Staat für Kinder eines säumigen Eltern­teils bis zum 18. Geburts­tag auf Antrag einen Unter­halts­vorschuss. Allein­erziehende müssen den Unter­halts­vorschuss schriftlich beim Jugend­amt ihrer Stadt oder Gemeinde beantragen. Rück­wirkend wird der Vorschuss bis einen Monat vor Antrag­stellung gezahlt. Auch vorher hatte es schon Unter­halts­vorschuss gegeben, aber höchs­tens 72 Monate lang und nur bis zum 12. Geburts­tag des Kindes.

Eigentlich ist der Eltern­teil, der nicht bei den Kindern lebt, in der Pflicht, Unterhalt zu zahlen. „Das hat der Vater aber seit der Geburt meines Sohnes nicht getan“, berichtet zum Beispiel die allein­erziehende Mutter Sandra Becker. Wie ihr geht es vielen Allein­erziehenden, vor allem Müttern. Becker hatte sich den 1. Juli 2017, an dem sich das Unter­halts­vorschuss­gesetz änderte, dick im Kalender angestrichen. Springt der Staat mit Unter­halts­vorschuss ein, wird das ausgezahlte Geld vom Unter­halts­pflichtigen zurück­gefordert.

Jedes zweite Kind bekommt kein Geld

Nach einer Studie von 2021 kommt nur bei etwa der Hälfte aller Kinder von Allein­erziehenden Unterhalt vom getrennt lebenden Eltern­teil an. Wiederum die Hälfte dieser Hälfte erhält weniger als den Mindest­betrag aus der als Richt­schnur anerkannten Düsseldorfer Tabelle. Die Tabelle zeigt, wie viel ein Unter­halts­pflichtiger je nach Netto­einkommen und Alter seines Kindes zahlen muss. Familien­senate der Ober­landes­gerichte und der Deutsche Familien­gerichts­tag legen die Werte fest. Sie werden regel­mäßig angepasst.

Ab wann gilt eine Person als allein­erziehend?

Allein­erziehende können für ihr Kind Unter­halts­vorschuss beim Jugend­amt beantragen, wenn der andere Eltern­teil keinen oder keinen regel­mäßigen Unterhalt für sein Kind zahlt. Aber besteht dieser Anspruch auch dann, wenn das Kind alle zwei Wochen mehrere Tage auch beim nicht­zahlenden Eltern­teil lebt, wie es bei vielen Trennungen der Fall ist? Bei Kindern, die im Wechselmodell von Vater und Mutter jeweils getrennt betreut werden, entscheidet die Höhe des Betreuungs­anteils über den Anspruch auf Unter­halts­vorschuss (Bundes­verwaltungs­gericht, Az. 5 C 9.22, Pressemitteilung des Gerichts). Wenn der Eltern­teil, bei dem das Kind über­wiegend lebt, einen Betreuungs­anteil von mehr als 60 Prozent über­nimmt, gilt diese Person als allein­erziehend und kann Unter­halts­vorschuss erhalten. Sobald der nicht­zahlende Eltern­teil einen Betreuungs­anteil von 40 Prozent oder mehr hat, besteht kein Anspruch auf Unter­halts­vorschuss. Es kommt also rein auf die Betreuungs­zeiten an – ­ohne Wertung und Gewichtung der einzelnen Betreuungs­leistungen der Eltern.

Allein­erziehende besonders armuts­gefährdet

Kindes­unterhalt ist ein wichtiger Baustein für das Einkommen von Ein-Eltern-Familien (Finanzielle Hilfe für Alleinerziehende). Nach dem Armuts­bericht des Paritätischen Gesamt­verbandes lag die Armuts­quote bei Allein­erziehenden 2022 bei 42,3 Prozent und ist damit weiter gestiegen. Allein­erziehend sind nach Zahlen des Bundes­familien­ministeriums von 2021 rund 1,5 Millionen Familien in Deutsch­land und damit knapp jede fünfte Familie. In neun von zehn Fällen betreut die Mutter die Kinder allein.

Auch Halb­waisen steht Unter­halts­vorschuss zu

Lief der Anspruch auf den Unter­halts­vorschuss aus, traf es vor der Reform vor allem jene Allein­erziehenden hart, die auch danach keine Zahlungen zu erwarten hatten, etwa weil die Väter abge­taucht, unbe­kannt, zahlungs­unfähig oder verstorben waren. Halb­waisen steht Unter­halts­vorschuss zu, wenn die Hinterbliebenenrente den Mindest­unterhalt nicht erreicht.

Weniger als der Mindest­unterhalt

So gut der verlängerte Unter­halts­vorschuss ist, haben Allein­erziehende damit allerdings noch immer weniger Geld zur Verfügung, als wenn der andere Eltern­teil wenigs­tens Mindest­unterhalt zahlen würde. Der Mindest­unterhalt nach Düssel­dorfer Tabelle beläuft sich 2023 für Kinder bis zum 6. Geburts­tag auf 437 Euro, bis zum 12. Geburts­tag auf 502 Euro und bis zur Voll­jährigkeit auf 588 Euro.

Unter­halts­pflichtige dürfen von ihrer Zahlung das halbe Kinder­geld abziehen und brauchen nur den Rest zu über­weisen. Der Staat dagegen zwackt mehr ab – vom Mindest­unterhalt nämlich 250 Euro – genauso viel, wie er Kinder­geld zahlt. Somit über­weist er für Kinder bis zum 6. Geburts­tag als Unter­halts­vorschuss 187 Euro, bis zum 12. Geburts­tag 252 Euro und 338 Euro bis zum 18. Geburts­tag.

Voraus­setzungen für ältere Kinder

Für ältere Kinder hat der Gesetz­geber Voraus­setzungen aufgestellt, die für Jüngere nicht gelten: Gehen Teen­ager nicht mehr zur Schule, sondern verdienen selbst Geld, beispiels­weise durch eine Ausbildungs­vergütung, wird ihr Einkommen nach Abzug von Aufwands- und Werbe­kostenpauschalen zur Hälfte auf den Unter­halts­vorschuss ange­rechnet.

Kein Anspruch bei Leistungen aus dem Bürgergeld

Keinen Anspruch auf Unter­halts­vorschuss hat der Nach­wuchs, wenn er auf Bürgergeld angewiesen ist oder die oder der Allein­erziehende Bürgergeld bezieht und mindestens 600 Euro verdient. Das betrifft vor allem Familien, deren Einkommen nicht zum Leben ausreicht und vom Jobcenter aufgestockt wird.

Jobcenter rechnet Unter­halts­vorschuss an

Sind das Kind oder der allein­erziehende Eltern­teil auf Bürgergeld angewiesen, müssen sie sich statt ans Jugend­amt gleich an das Jobcenter wenden. Diese Regelung soll den doppelten Aufwand ersparen, der bei Kindern unter 12 Jahren sonst anfällt: Allein­erziehende beantragen den Unter­halts­vorschuss beim Jugend­amt, doch das Jobcenter berechnet ohnehin, wie viel Grund­sicherung der Ein-Eltern-Familie zusteht. Es rechnet den Unter­halts­vorschuss an.

Tipp: Auf Kinderzuschlag, den Familien mit geringem Einkommen, die aber kein Bürgergeld erhalten, beantragen können, wird Unter­halts­vorschuss nur zu 45 Prozent ange­rechnet.

Finanzielle Hilfe für Allein­erziehende

Der Unter­halts­vorschuss ist nur eine der Leistungen, die Allein­erziehenden und ihrem Nach­wuchs zustehen. Das Ehegatten­splitting bei der Steuer kommt für sie zwar nicht in Frage. Sie profitieren aber von anderen Förderungen für Familien – vom Kinder­geld über steuerliche Frei­beträge bis zur Möglich­keit, Ausgaben für die Kinder­betreuung von der Steuer abzu­setzen. Zusätzlich unterstützen Bund, Länder und Kommunen Allein­erziehende. Einige Beispiele.

Wohn­geld. Das Wohn­geld ist seit Jahres­beginn 2023 deutlich ange­hoben worden und sehr viel mehr Menschen haben inzwischen Anspruch auf diesen staatlichen Zuschuss.

Tipp: Mit unserem Wohngeldrechner können Sie heraus­finden, ob Sie anspruchs­berechtigt sind.

Kinder­geld. Das Kindergeld wird ab Geburt gezahlt und ist 2023 für die ersten drei Kinder erhöht worden. Pro Kind gibt es jetzt einheitlich 250 Euro im Monat. Familien mit geringem Einkommen können zusätzlich einen Kinderzuschlag von bis zu 250 Euro beantragen.

Eltern­geld. Eltern­paare schöpfen nur dann die Höchst­bezugs­dauer aus, wenn beide zeit­weise ihre Arbeits­zeit reduzieren oder sich voll um ihr Kind kümmern. Allein­erziehende erhalten den Zuschuss für den gesamten Zeitraum. Wenn sie beruflich aussetzen, sind das bis zu 14 Monate Basis­eltern­geld. Arbeiten sie in Teil­zeit, beziehen sie bis zu 28 Monate Eltern­geld Plus. Falls sie nach der Geburt Mutter­schafts­geld beziehen, verringert sich die Bezugs­dauer des Basis­eltern­geldes auf 12 Monate und des Eltern­geld Plus auf 24 Monate. Allein­erziehende bekommen aber zusätzliche vier Monate Geld, wenn sie in der Zeit 25 bis 30 Wochen­stunden arbeiten. Zuständig sind die Eltergeld­stellen. Details finden Sie in unserem Special Elterngeld.

Entlastungs­betrag. Allein­erziehenden steht steuerlich ein Entlastungsbetrag zu, wenn mindestens ein Kind im Haushalt lebt und sie das Kinder­geld bekommen. Beantragen sie beim Finanz­amt einen Wechsel in Steuerklasse II, wird der Entlastungs­betrag gleich bei der Lohn­steuer berück­sichtigt. Er beträgt 4 260 Euro im Jahr. Ab dem zweiten Kind erhöht er sich um je 240 Euro für jedes weitere Kind.

Frei­beträge. Jedem Eltern­teil steht die Hälfte der steuerlichen Frei­beträge zu. Auf Antrag über­trägt das Finanz­amt die ganzen Frei­beträge auf die allein­erziehende Person, wenn sie die Voraus­setzungen erfüllt. Beim Kinder­frei­betrag ist das unter anderem der Fall, wenn der Unter­halts­pflichtige weniger als 75 Prozent des Unter­halts zahlt. Beim Frei­betrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungs­bedarf gilt das, wenn das minderjäh­rige Kind beim Allein­erziehenden gemeldet ist und der andere Eltern­teil keine Betreuungskosten trägt. Die Über­tragung scheidet aus, wenn der Staat Unter­halts­vorschuss zahlt, egal wie hoch die Unter­halts­leistungen sind.

Bürgergeld/Sozial­hilfe. Schwangeren sowie Allein­erziehenden, die nichts oder wenig verdienen und über kein oder wenig Vermögen verfügen, gewährt das Jobcenter Aufschläge zu den üblichen Grund­beträgen, wenn sie Bürgergeld oder Sozialhilfe beziehen. Die Höhe hängt von Zahl und Alter der Kinder ab. Es kann sein, dass die Kinder selbst einen Anspruch haben, auch wenn das bei den Allein­erziehenden nicht der Fall ist, etwa weil sie studieren.

Zuschuss zum Aufstiegs-Bafög. Allein­erziehende in Ausbildung, die Aufstiegs-Bafög bekommen, erhalten 150 Euro Kinder­betreuungs­zuschuss, wenn sie Kinder bis 14 Jahren oder mit einer Behin­derung betreuen, egal ob die Fort­bildung in Voll- oder Teil­zeit erfolgt.

Lokale Vergüns­tigungen. Viele Städte und Gemeinden bieten Vergüns­tigungen an, etwa bei Eintritts­preisen.

Über­blick über Unter­halts­vorschuss. Details zum Unter­halts­vorschuss finden Allein­erziehende unter familienportal.de vom Bundes­familien­ministerium.

Tipp: Auch bei den gesetzlichen Krankenkassen gibt es viele besondere Leistungen für Kinder und Familien, die Sie in unserem Krankenkassen-Vergleich filtern können.

Jedes Kind hat darauf Anspruch

Der Eltern­teil, bei dem das Kind nicht lebt, muss Kindes­unterhalt zahlen. Meist ist das der Vater. Er muss alles tun, um seiner Pflicht nach­zukommen, also zum Beispiel mehr arbeiten oder Vermögen auflösen. Zahlt er nicht, muss ihn der betreuende Eltern­teil zur Auskunft über sein Einkommen und zur Zahlung auffordern. Schwangere können für sich selbst Unterhalt fordern, Allein­erziehende in der Regel, bis die Kinder drei Jahre alt sind.

Düssel­dorfer Tabelle. Der Kindes­unterhalt hängt vom Netto­einkommen des Unter­halts­pflichtigen und dem Alter des Kindes ab. Das Ober­landes­gericht Düssel­dorf veröffent­licht regel­mäßig die sogenannte Düsseldorfer Tabelle mit Richt­werten. Der Unter­halts­pflichtige darf von dem aufgeführten Wert die Hälfte des Kinder­gelds abziehen, bei voll­jährigem Nach­wuchs das ganze Kinder­geld. Den Rest muss er zahlen, wenn ihm dann noch genug zum Leben bleibt. Erwerbs­tätigen stehen im Monat 1 370 Euro Selbst­behalt zu, Nicht­erwerbs­tätigen von 1 120 Euro.

Unter­halts­titel. Ein Unter­halts­titel ermöglicht, säumige Zahlungen zu voll­stre­cken. Jugend­ämter stellen ihn kostenlos aus, wenn der Unter­halts­pflichtige mitmacht. Ansonsten können Allein­erziehende den Titel für das Kind einklagen.

Beistand. Der betreuende Eltern­teil kann beim Jugend­amt beantragen, dass ihm ein Beistand hilft, die Ansprüche zu ermitteln und durch­zusetzen. Der Beistand vertritt das Kind auch in einem gericht­lichen Verfahren. Die Beistand­schaft ist kostenlos, der betreuende Eltern­teil kann sie jeder­zeit beenden.

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