Völkerrecht:Deutschland verklagt Italien

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Deutsche Liegenschaften in Rom wie das Goethe-Institut könnten von einer möglichen Zwangsvollstreckung betroffen sein. (Foto: imago stock&people/imago stock&people)

Die Bundesregierung wehrt sich vor UN-Gericht gegen Forderungen nach Schadenersatz für Opfer von Verbrechen der Wehrmacht.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Deutschland hat Italien im langwährenden Rechtsstreit über Schadenersatz für die Opfer von Verbrechen der Wehrmacht in den Jahren 1943 bis 1945 zum zweiten Mal vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt. Ein entsprechender Schriftsatz war der höchsten juristischen Instanz im System der Vereinten Nationen am Freitag zugegangen, wie der in Den Haag ansässige Gerichtshof mitteilte. Ziel der Bundesregierung ist es, einer Entscheidung eines Gerichts in Rom zuvorzukommen oder diese abzuwenden. Das Gericht könnte nämlich die Zwangsvollstreckung von Grundstücken im Eigentum der Bundesrepublik anordnen. Ein entsprechender Termin ist für den 25. Mai anberaumt. Betroffen wäre womöglich die Deutsche Schule in Rom, das Goethe-Institut in der italienischen Hauptstadt, das Deutsche Archäologische Institut sowie das Deutsche Historische Institut.

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Deutschland beruft sich auf die sogenannte Staatenimmunität, die individuellen Entschädigungsforderungen entgegenstehe. In einem ersten, ähnlich gelagerten Verfahren hatte der Internationale Gerichtshof die deutsche Position im Jahr 2012 bestätigt. Die Richter entschieden damals, dass italienische Gerichte die Bundesrepublik nicht verpflichten können, Wiedergutmachung an einzelne Opfer oder Angehörige von Opfern deutscher Kriegsverbrechen zu bezahlen. Die von italienischen Gerichten gesprochenen dahingehenden Urteile verstießen gegen das Völkerrecht. Verhandlungen über Entschädigungen könnten allein zwischen Staaten geführt werden. Der Internationale Gerichtshof verpflichtete Italien überdies sicherzustellen, dass sich derartige Verfahren nicht wiederholen.

Berlin sieht das gute bilaterale Verhältnis aber nicht gefährdet

Zwei Jahre später erlaubte das Verfassungsgericht in Italien dennoch weitere Zivilklagen gegen Deutschland. Insgesamt hat es seitdem etwa 25 neue Verfahren gegeben mit dem Ziel, Entschädigungszahlungen zu erhalten. Deutschland greift in der Begründung der neuerlichen Klage dieses Urteil als Verstoß gegen internationales Recht an und hat vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Aufgrund des Urteils aus dem Jahr 2012 werden die Erfolgsaussichten als gut eingestuft. Zwar kann eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren mehrere Jahre in Anspruch nehmen, es ist aber zu erwarten, dass der Gerichtshof im einstweiligen Rechtsschutzverfahren rechtzeitig eine Entscheidung erlässt, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden.

Im Auswärtigen Amt wurde am Samstag betont, dass man durch die Klage keine Belastung der guten bilateralen Beziehungen mit Italien oder negative Auswirkungen auf den im Dezember von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Premier Mario Draghi vereinbarten Aktionsplan zur engeren Zusammenarbeit erwarte. Deutschland hat auf Grundlage eines Abkommens von 1961 Reparationszahlungen von damals 40 Millionen Mark als Entschädigung an Italien gezahlt. In einem Friedensvertrag mit den Alliierten hatte Italien im Jahr 1947 auf alle Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg verzichtet. Deutschland verweist auch im Rechtsstreit mit anderen Staaten wegen der NS-Verbrechen regelmäßig darauf, dass über bilaterale Abkommen bereits Entschädigungen gezahlt worden seien. Individuelle Klagen seien daher nicht mehr zulässig.

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