Warum Netflix eine Million Kunden verliert und trotzdem erleichtert ist

Ein Berliner nennt Gründe für die Kündigung: Netflix ist teuer und liefert keine zufriedenstellenden Inhalte – könnte Werbung die Rettung sein?

Netflix verliert im zweiten Quartal 2022 wieder weniger Abos als im Quartal davor.
Netflix verliert im zweiten Quartal 2022 wieder weniger Abos als im Quartal davor.dpa/Alexander Heinl

So kann man es auch sehen: Der Video-Streaming-Marktführer Netflix kämpft weiter mit Abonnentenschwund – im zweiten Quartal 2022 sanken die Nutzerzahlen um 970.000 Bezahlabos – und spricht trotzdem von einem Erfolg.

Zumindest gab sich Co-Chef Hastings bei der Vorlage der Zahlen erleichtert. Man habe bei Netflix mit einem Verlust von zwei Millionen Kunden gerechnet. Dass nicht einmal eine Million ihr Abo kündigte, interpretierte er als gutes Zeichen. Gerettet hat Netflix im jüngst verstrichenen Halbjahr vor allem die amerikanische Science-Fiction-Mysteryserie „Stranger Things“, die vierte Staffel war die beliebteste, die Netflix je ausstrahlte. Trotzdem verlor der Dienst gerade in den USA und in Kanada über 1,3 Millionen Abos. Zuwächse hingegen gab es in asiatischen Ländern, auch dank einer Preissenkung in Indien.

Mit dem Abwärtstrend hat das Unternehmen um Gründer und Co-Chef Reed Hastings schon länger zu kämpfen. Bereits im vorherigen Quartal fielen Abos weg, damals allerdings auch, weil die Firma entschied, ihr Angebot in Russland einzustellen. Dennoch gab es angesichts der wachsenden Probleme, vor denen Netflix steht, Konsequenzen, zu denen auch gehörte, dass Netflix bis Ende Juni 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entließ. Und auch bisherige rote Linien werden neu ausgehandelt.

Was sind die Kündigungsgründe?

Auch der 26-jährige Berliner Marek Asamoah hat sein Abonnement bei dem Streaming-Dienst nun gekündigt. Er sagt: „Es wird immer teurer und gleichzeitig lässt die Qualität nach. Die zahllosen Serien, die Netflix in meinen Augen viel zu schnell produziert, machen die Plattform eher unübersichtlicher, als dass sie das Angebot aufwerten.“ Tatsächlich erweitert Netflix sein Angebot auch dieses Jahr erneut massiv, um 180 Serien. Aber es gibt auch die großen Hits wie eben „Stranger Things“ oder „The Queen's Gambit“. Asamoah: „Ja, es gibt einzelne gute Serien, aber die hat man schnell gesehen und schon findet man nichts Gutes mehr.“ Auf die Fortsetzung der extrem beliebten Serien müssen die Netflix-Abonnenten oft lange warten. Auch deswegen dürfte das Unternehmen angefangen haben, die Staffeln nicht mehr wie früher auf einen Schlag zu veröffentlichen, sondern vermehrt Folgen im Wochentakt auszustrahlen. Kunden können so über einen längeren Zeitraum gebunden werden.

Auf die für viele zu hohen Preise will Netflix nun reagieren und ein einstiges Tabu einführen: Werbung beim Streamen. Allerdings soll sie nicht für alle Kunden zu sehen sein. Vielmehr, so kündigte Hastings bereits im Frühjahr an, soll ein zusätzliches und günstigeres werbefinanziertes Abo-Modell eingeführt werden. Man hofft, so Kundinnen und Kunden, denen das aktuelle Angebot zu teuer ist, halten zu können und nicht an die rasant wachsende Konkurrenz zu verlieren.

Disney Plus macht Netflix Konkurrenz, auch Amazon ist billiger

Denn während Netflix sich in Deutschland vor allem mit Amazon ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefert, das Netflix im ersten Quartal 2022 mit einem Prozent knapp verlor, ist es weltweit vor allem der neue Anbieter Disney Plus, der dem Unternehmen Sorge bereitet. Erst im Herbst 2019 gestartet, zählt Disney Plus bereits 140 Millionen Abos und gewinnt auf dem Streaming-Markt immer mehr an Boden. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass man den Content zu einem deutlich geringeren Preis anbietet als Netflix: knapp neun Euro statt den knapp 13 Euro bei Netflix. Der Standardtarif bei Amazon Prime liegt sogar bei nur knapp acht Euro.