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Die Richterin bei der Urteilsverkündung: Zweijährige Lea Sofie ist „Stück für Stück gestorben“
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Mordprozess in Köln
dpa / Marius Becker Viele Menschen trauern um Lea Sofie

Nach dem langsamen Tod der zweijährigen Lea Sofie verurteilt das Kölner Landgericht ihre Mutter und deren ehemaligen Lebensgefährten auf Totschlag, nicht auf Mord. Beide landen hinter Gittern. Eine Entscheidung, die im Gerichtssaal einen Tumult auslöst.

Lea Sofie tat, was Kinder mit zwei Jahren so machen. Sie spielte, lachte, tobte – nicht stumm, sondern geräuschvoll. An einem Montag im Dezember wollte sie nicht ruhig sein, nicht schlafen, und schrie. Das wurde ihr zum Verhängnis. Der 23-jährige damalige Freund ihrer Mutter rastete aus in der Wohnung in Köln-Chorweiler. Er schlug das Kind nach eigenem Geständnis auf den Kopf und ins Gesicht, zog sie an den Haaren vom Boden hoch, schlug erneut zu.

Wegen Totschlags verurteilt ihn das Kölner Landgericht nun am Freitag zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslänglich wegen Mordes verlangt. Bei der Urteilsverkündung nickt der 23-Jährige seinem Verteidiger zu.

„Wie Müll weggeschmissen“


Die Mutter – klein und bleich – lässt keine Emotionen erkennen, als das Gericht sie wegen Totschlags durch Unterlassen verurteilt. Sieben Jahre Haft dafür, dass sie ihre eigene Tochter im vergangenen Dezember sterben ließ. „Wie Müll weggeschmissen“ habe die 20-Jährige ihr Kind, hatte ihr Staatsanwältin Simone Laumen vorgehalten.

Die Vorsitzende Richterin Ulrike Grave-Herkenrath sagt, die junge Frau sei nicht aktiv Täterin gewesen. Sie sei aber nicht eingeschritten, habe keine Hilfe geholt, als sie die Kleine „komatös und mit Spuren schwerster Misshandlung“ am Boden liegend vorfand. Ihre Version, dem Mädchen sei es schnell wieder besser gegangen, Lea Sofie habe gegessen und gesprochen, sei unglaubwürdig und medizinisch unmöglich.

In schwierigen Situationen „weggebeamt“


Das kleine Mädchen ist „langsam Stück für Stück gestorben“, betont die Richterin. Bis zu drei Tage dauerte der stille, qualvolle Kampf im Kinderbettchen. Dabei sei die Beziehung der Mutter zu ihrer Tochter von Zeugen als liebevoll beschrieben worden. Die 20-Jährige habe sich aber in schwierigen Situationen stets „weggebeamt“, beschreibt die Richterin die Persönlichkeit der Verurteilten.

Das frühere Paar, das zur Tat erst drei Monate zusammen war und ständige Beziehungsprobleme hatte, würdigt sich im Gerichtssaal keines Blickes. Beide verfolgen die Urteilsbegründung und Schilderung der brutalen Einzelheiten regungslos. Der Verteidiger des 23-Jährigen, Sebastian Schölzel, hatte im Prozessverlauf gesagt, sein Mandant sei kein „Monster“. Tatsächlich wirkt der Verurteilte mit seinem Milchbubi-Gesicht harmlos, wie einer, der älteren Damen im Bus den Platz freimacht. Doch seine Tat ist unvorstellbar grausam. Seine Hemmschwelle sei nach einer halben Flasche Wodka gering gewesen, erläutert die Richterin. Trotzdem: Er ist voll schuldfähig.

Die Volksseele kocht


Immer wieder erklärt Grave-Herkenrath, warum das Gericht den Mann nicht wegen Mordes verurteilt hat. Es waren keine niedrigen Beweggründe zu belegen. Auch wenn die „Volksseele kocht“, die Verurteilung erfolge wegen Totschlags. Menschen, die zur Lynchjustiz gegen die Täter aufrufen oder die Todesstrafe fordern, „treten unsere Gesetze mit Füßen“, stellt die Vorsitzende Richterin klar – angesichts zahlreicher Attacken im Internet gegen das frühere Paar. Zwei wütende Zuschauer sorgen im Saal für einen Eklat, drohen dem 23-Jährigen eindeutig: „Es ist noch lange nicht vorbei. Warte ab.“

Viele Menschen hatten öffentlich um das kleine Mädchen getrauert. Für die Beerdigung in kleinem Kreis im Februar waren Spenden gesammelt worden. Beide Angeklagten bereuen die Tat, wie sie im Verfahren sagten. Der Verteidiger der Mutter, Lukas Pieplow, prognostizierte beim Auftakt Mitte April, es werde wohl auch am Ende des Prozesses „kein Verstehen der Tat“ geben. Er hat Recht behalten.
jr/dpa
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