Der Hort von Nebra: seine Ausstattung
Svend Hansen
Abstract
The Nebra Hoard: its composition
This article deals with the similarity of hoard composition in
Nebra and Apa (northern Carpathian basin). Apa (Romania)
represents a composition model including weapons (axes
and swords) and large spirals which is distributed east of the
River Tisza. In western Hungary a different composition
model dominates. Contemporary hoards consist mainly of
pendants, pins, bracelets and spirals whereas weapons and
tools are rare. In the so-called Koszider hoards (DunaújvárosKosziderpadlás, Hungary) weapons and tools, particularly
axes, sickles and bars, are included. A new element is the
fragmentation of the objects. It is argued that Apa and Kosziderpadlás represent two models of hoarding which are
adopted in other European regions. The Nebra hoard is an
early example of the Apa model. The Bühl and Ackenbach
hoards in southern Germany are early examples of the
western Hungarian Dunaújváros-Kosziderpadlás model.
Zusammenfassung
Im vorliegenden Beitrag wird auf die Gemeinsamkeiten der
Zusammensetzung der Horte von Nebra und Apa im nördlichen Karpatenbecken aufmerksam gemacht. Der Hort von
Apa, Rumänien, repräsentiert ein Kompositionsschema, welches vor allem Waffen (Äxte und Schwerter) sowie Spiralschmuck umfasst und östlich der Theiß verbreitet ist. In
Westungarn findet sich hingegen ein anderes Kompositionsschema mit Anhängern, Nadeln, Armringen und Spiralen,
während Waffen und Geräte nur in geringer Zahl vorkommen. Mit den »Koszider-Horten« (Dunaújváros-Kosziderpadlás, Ungarn) treten Waffen und Geräte, vor allem Beile,
Sicheln und Barren, in den Horten hinzu. Die intentionelle
Fragmentierung der Bronzen bildet ein weiteres neues Merkmal. Es wird dargelegt, dass hier zwei Modelle der Deponierung erstmals ausgeprägt werden, welche in weiten Teilen
Europas übernommen werden. Der Hortfund von Nebra ist
ein frühes Beispiel des Modells Apa, die süddeutschen Funde
von Bühl und Ackenbach folgen dem Modell DunaújvárosKosziderpadlás.
Keywords: Bronze Age, Romania, Hungary, ritual depositions
Schlüsselbegriffe: Bronzezeit, Rumänien, Ungarn, rituelle Deponierungen
Einleitung
Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und auch der
wissenschaftlichen Konferenz, die mit diesem Band dokumentiert wird, steht die bislang singuläre Himmelsscheibe,
deren Deutung noch für längere Zeit die Forschung und
die Öffentlichkeit beschäftigen wird (Meller 2oo2; Meller
2oo4a). In diesem Beitrag soll die Aufmerksamkeit auf die
übrigen Bestandteile des Hortes von Nebra bzw. auf seine
Zusammensetzung gelenkt werden, welche im Folgenden
auch als Ausstattung bezeichnet wird.
Mit dem Begriff Ausstattung wird deutlich gemacht,
dass es sich bei den Gegenständen, die zu einem Hort vereinigt wurden, um eine gezielt vorgenommene Auswahl
handelt. Eine Reihe Untersuchungen der letzten Jahre
konnte zeigen, dass die Zusammensetzung der Horte regional und zeitlich jeweils sehr charakteristisch ist1. Es kam
gerade nicht »alles Mögliche« in die Horte, sondern nur
eine bestimmte Auswahl aus dem Spektrum der bronzenen
Geräte, Waffen und Schmuckstücke. Den Untersuchungen
ist gemeinsam, dass sie sich letztlich der strukturalen
Methode bedient haben, nach der jedes »Element durch die
Beziehungen zu charakterisieren ist, die es zu anderen
1 Willroth 1985; Hansen 1994; Sommerfeld 1994;
Maraszek 2ooo; Maraszek 2oo6.
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Elementen innerhalb eines Systems unterhält und aus denen
sich sein Sinn und seine Funktion ergeben« (Bourdieu 1997,
12). Werden einzelne Elemente ausgetauscht, verweist dies
auf eine Transformation des vormaligen Sinn- bzw. Funktionszusammenhangs.
Horte bzw. Schätze, wie man sie im 19. Jh. nannte, sind
ein wohl ubiquitäres Phänomen, das sich sowohl bei Tieren
als auch Menschen findet und praktisch für alle Zeiten und
Kontinente belegt ist. Etwas Kostbares zu verbergen und
damit dem Zugriff anderer zu entziehen, dürfte selbst in
primitiven Eigentumsformen, schon gar aber unter Bedingungen einer entwickelten Geldwirtschaft, eine plausible
Handlung darstellen. Nicht zufällig hat der Schlüssel sein
spezifisches sprachliches Assoziationsfeld gewonnen (Boetzkes 1982). Wir verschließen und verschlüsseln, was anderen nicht zugänglich sein soll, wir erschließen uns neue
Welten und wir erhoffen vom »Schlüsselfund« schlagartig
Aufhellung über die Vorgeschichte.
An der technischen Entwicklung der Schloss- und
Schlüsselformen lässt sich aber auch die historische Veränderung des Eigentums ablesen. Die historische Veränderung des Eigentums (Wesel 1982, 17 ff.; Wesel 1985, 95 ff.)
2
SVEND HANSEN
legt wiederum nahe, dass wir in der langen Geschichte
des menschlichen Hortens entsprechend der konkreten
geschichtlichen Situation sehr verschiedene Gruppen von
Horten unterscheiden können sollten. Die lakonische Aussage »to hoard is human« (Knapp u. a. 1988) geht über die
historischen Besonderheiten hinweg. Diese historischen Besonderheiten sind aber im Fall der Bronzezeit augenfällig,
denn das Hortphänomen findet in der frühen Eisenzeit
gerade keine Fortsetzung. W. A. v. Brunn (198o, 93) hat deshalb seine Leser gefragt: »War es denn möglich, dass ein
Jahrtausend hindurch – mit zeitlichen und regionalen Lücken – diese beiden Gruppen, Verwahrhorte und Weihehorte, im Gebiet zwischen dem Schwarzen Meer und Irland
nebeneinander üblich sein konnten, um nach einem fundreichen Gipfel in der Spätzeit (zwischen den Kleinen Karpaten und den Britischen Inseln; Südosteuropa ließ zu dieser
Zeit bereits nach) zu Beginn der Hallstattzeit mehr oder
weniger gleichzeitig – in einem Gebiet schneller, im anderen
langsamer – abzubrechen? Welche kulturgeschichtliche Umwälzung war erfolgt, dass mit der Niederlegung von Weihefunden zugleich das Verstecken von Verwahrfunden aufhörte?« Von Brunn überlies es seinen Lesern, dieser Frage
nachzugehen.
In mehreren Detailstudien wurden die Kompositionsregeln der Horte in verschiedenen Kulturlandschaften
Europas untersucht. Dabei zeigt sich auf der einen Seite ein
regional differenziertes Bild, in dem Horte nach Zahl,
Umfang, Zusammensetzung und Fragmentierungsgrad der
deponierten Bronzen sehr stark variieren. Zugleich lässt
sich aber auch so etwas wie eine gemeinsame »Sprache«,
ein vergleichbarer »Stil«, in den Horten vom Schwarzen
Meer bis zur Ostsee erkennen. Es sind dies immer wiederkehrende Elemente, vor allem das Beil, die Sichel und der
Ringschmuck, dann die Schwerter und die Lanzenspitzen,
welche die Hortfunde prägen. Andere Dinge, wie Messer,
Rasiermesser, Pfeilspitzen, Anhängerschmuck, Fibeln,
Bronzegefäße und Schutzwaffen, treten zuweilen hinzu,
meist regional begrenzt. Überall ist aber eine Hierarchie
erkennbar, dass diese Gegenstände dort hinzukommen, wo
Beile, Ringe und Sicheln bereits gehortet sind. In der Hortung sind also sukzessive Bedingungen zu erfüllen. Übereinstimmungen in den europäischen Horten äußern sich
teilweise bis in Details der Anordnung von Objekten (Hansen 1996–1998).
Tatsächlich hatte v. Brunn ein historisch spezifisches Hortphänomen umschrieben, welches sich von neolithischen
Horten, latènezeitlichen oder frühneuzeitlichen Horten klar
unterscheiden lässt, weswegen auch die Besonderheiten
frühneuzeitlicher Horte keine Relevanz für die Deutung der
bronzezeitlichen Horte besitzen, wie dies gelegentlich unterstellt wird (vgl. Geißlinger 2oo4). Jedenfalls sprechen die
gewonnen Ergebnisse dafür, dass »Horte insgesamt als religiös motivierte Darbringungen materieller Werte nach dem
Prinzip des do ut des anzusehen sind. Ihre Inhalte dienen
der »Abgeltung von Verbindlichkeiten der Menschen gegenüber den Göttern« (Sommerfeld 1994, 266). Dabei handelt
es sich nicht um »fromme« Votivpraxis, als die sie uns z. B.
in der Gnadenkapelle des Wallfahrtsortes Altötting mit seinen rührenden Bildern entgegentritt. In einem antiken Heiligtum spielen ökonomische und soziale Faktoren bei die-
sen Weihegaben eine wesentliche Rolle (Hansen 1996,
257 ff.). Große und wertvolle Bronzekessel zeugen vom
Erfolg einer Handelsfahrt; jeder soll sehen, wie erfolgreich
der Weihende ist und dass er einen angemessenen Teil der
Gottheit gibt. Weihegaben erscheinen damit Werbungskosten nicht unähnlich.
Die bronzezeitlichen Horte lassen sich somit als das
Ergebnis einer sozialen Praxis verstehen, welche symbolische, religiöse, soziale und ökonomische Faktoren umschließt. In der Perspektive einer sozialen Praxis lassen sich
Fragen an die Horte herantragen, die bislang keine Rolle
spielten, weil man in ihnen lange Zeit versteckte Schätze in
Kriegs- und Krisenzeiten sah. Als Zeugnisse einer sozialen
Praxis sind Horte ein historisches Phänomen, dessen Entwicklung in den Blick gerät. Dabei gewinnt die »Gestalt«
des Hortes – seine Größe, seine Zusammensetzung und sein
Fragmentierungsgrad – Bedeutung als Informationsträger.
In Raum und Zeit entfaltet sich die Praxis ihrer Niederlegung nicht beliebig, sondern entlang sozialer Kommunikation innerhalb regionaler und überregionaler Netzwerke.
Der Hort von Nebra
Die Bronzen
Neben der exzeptionellen Scheibe enthielt der Hort von
Nebra, der auf der Kuppe des Mittelbergs an landschaftlich
herausgehobener Stelle deponiert wurde, zwei Schwerter,
zwei Randleistenbeile, einen sogenannten Randleistenmeißel und zwei Armspiralen. Die Einordnung dieser Bronzeobjekte in regionale Werkstattkreise ist unproblematisch.
Der Knickrandmeißel und die beiden Schwertklingen vom
Typ Sögel sind typische Produkte eines nordwestdeutschen
bzw. jütischen Formenkreises (Vandkilde 1996). Auch die
beiden Randleistenbeile könnten im Bereich des Sögeler
Kreises gefertigt worden sein, wie die jüngste Zusammenstellung durch F. Laux (2ooo, 36 ff. Taf. 4 ff.) zeigt.
Die Schwertgriffe verweisen ihrer Form nach hingegen
auf die zwischen dem nördlichen Karpatenbecken und der
jütischen Halbinsel verbreitete Schwertform der Typengruppe Apa-Hajdúsámson, die im Rahmen chronologischer
Untersuchungen große Beachtung fand (zuletzt: Sicherl 2oo4;
Bartik/Furmánek 2oo4). Allgemein wird davon ausgegangen,
dass das Entstehungszentrum dieser Schwerter in Ostungarn
bzw. Nordwestrumänien liegt. Die bemerkenswert weiträumige Verbreitung reicht bis in das südliche Skandinavien,
wie auf mehreren Verbreitungskarten abzulesen ist.
Vordergründig treffen sich also im Hort vom Mittelberg
zwei Formenkreise, wenn man einmal von der Frage absieht, ob Sögelklingen nicht selbst auf eine Anregung aus
dem Karpatenbecken zurückgehen. Wichtiger ist aber, dass
hier zwei Deponierungskreise sichtbar werden. Der Sögelkreis ist ein Grabsittenkreis mit Kurzschwert, Beil und Pfeilspitzen als Beigabe. Entsprechende Grabausstattungen finden
sich bis in den thüringisch-hessischen Raum (Kubach 1973).
Der Hort von Nebra lässt sich allerdings nicht mit einer
solchen Grabausstattung verwechseln, da sein Ausstattungsmuster anders strukturiert ist.
Die Verbreitungskarte der Apa-Schwerter reflektiert die
Deponierung von Schwertern in Horten bzw. als Einzel-
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stücke. Die Karte von B. Sicherl (Abb. 1) zeigt verschiedene
Herstellungsvarianten, sofern diese aus der Literatur zu
erschließen sind. Radiographien wären hier sehr wünschenswert. Technisch unterscheiden sich die Schwerter
von Nebra dadurch, dass die Griffe als Halbschalen gefertigt
sind. Die Schwerter im nördlichen Karpatenbecken sind
hingegen in einigen Fällen in einem Stück gegossen, d. h.
Klinge und Griff wurden in der Gussform zusammen angelegt. Interessanterweise sind aber auch die Schwerter von
Dystrup bei Randers in Jütland – es handelt sich um nordische Kopien – in einem Stück gegossen (Wincentz Rasmussen 2ooo). Fast alle Vollgriffschwerter des Typenkreises
Apa-Hajdúsámson und ihre Nachahmungen sind Einzeldeponierungen aus Mooren oder Teile von Horten, worauf
unlängst noch einmal K.-H. Willroth (2oo2) hinwies. Diese
auffällige Einheitlichkeit der Deponierung legt die Vermutung nahe, dass offenbar nicht nur einzelne Schwerter aus
dem Karpatenbecken in das südliche Skandinavien gelangten und zu lokalen Imitationen anregten, sondern sich auch
die Norm entlang dieser Kommunikationslinie verbreitete,
die Schwerter als Opfer- und nicht als Grabbeigabe zu verwenden.
Der Hort von Rożnowo/Rosenfelde bei Stettin besteht
aus zwei Schwertern und wurde in einem Moor niedergelegt (Kersten 1957, 65 Nr. 687; Taf. 6o). Der Fund von Dystrup
enthielt sogar acht Vollgriffschwerter. Der Hort von Nebra
unterscheidet sich von diesen »reinen« Schwerthorten
dadurch, dass neben den Schwertern weitere Gegenstände
deponiert wurden, wie dies auch für die karpatenländischen
Horte mit vergleichbaren Schwertern charakteristisch ist.
Die Zusammensetzung des Hortes
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die
funktionale Zusammensetzung (Abb. 2) des Hortes von Apa
bei Satu Mare (Petrescu-Dîmbovit‚a 1977, 39; Taf. 1). Hier
fanden sich zwei Schwerter, eine Nackenscheiben- und eine
Nackenkammaxt sowie eine Schaftröhrenaxt des Typus
Křtěnov (Stuchlík 1988; Neugebauer-Maresch 2ooo/o1).
Die funktionale Zusammensetzung des Hortes von Nebra
(Abb. 3) ist erstaunlich ähnlich: Auch hier finden sich zwei
Schwerter. Den Äxten in Apa entsprechen in Nebra die
beiden Randleistenbeile mit ihren breiten Schneiden. Der
Schaftröhrenaxt in Apa entspricht der Randleistenmeißel
mit seiner schmalen Schneide. In beiden Horten fand sich
zudem Spiralschmuck, wenngleich in wohl unterschiedlicher Zahl.
Der Vergleich des Knickrandleistenmeißels aus Nebra
mit der Schaftröhrenaxt aus Apa bedarf einer Erläuterung.
Denn während der Waffencharakter der Axt unbestritten
ist, wird für die Meißel überwiegend eine Funktion als
Werkzeug vermutet. Auch wenn sich diese Frage nicht
abschließend beantworten lässt, so muss doch die häufige
Vergesellschaftung von Knickrandleistenmeißeln mit Waffen
Beachtung finden. Als Beispiele seien nicht nur der Hort
von Kotla, Pow. Głogów, Polen, (Gedl 198o, Taf. 29 B) oder
das Grab von Leubingen, Thüringen, (Meller 2oo4, Abb. S. 97)
genannt, sondern auch jüngere Funde wie Linden in Schleswig-Holstein mit einer Lanzenspitze (Vandkilde 1996, 136
Abb. 132) und Sønderby in Jütland mit einem Schwert und
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Abb. 1 Fundverteilung der Apa-Schwerter. Die Symbole stehen für verschiedene Arten der Griffbefestigung; ein großes Symbol bedeutet mehrere
Stücke (für Details siehe Sicherl 2oo4, Karte 12).
einem Feuersteindolch (Vandkilde 1996, 135 Abb. 133). Die
Deponierung zweier Randleistenbeile mit einem Knickrandleistenmeißel ist bereits in dem Pile-zeitlichen Hort von
Underåre, Hjørring Amt, Dänemark, (Willroth 1985a, 397
Abb. 2) nachzuweisen. Zu nennen sind auch zwei Funde aus
Tschechien, aus Smedrov (Abb. 4; Čujanová-Jilková 197o)
und Lužice bei Chomutov (Abb. 5; Kruta 197o). K. Pászthory
und E. F. Mayer (1998, 162) meinten, der Meißel erfülle die
Funktion des Streitbeiles.
Horte im Karpatenbecken
Natürlich ist zu fragen, ob es sich bei der Ausstattungsähnlichkeit der Horte von Apa und Nebra nicht um eine bloße
Zufälligkeit zweier individueller Depots handelt und ob
dahinter wirklich gemeinsame Vorstellungen zu fassen
sind. Zu fragen ist ferner, ob im nördlichen Karpatenbecken
und in Mitteldeutschland nicht nur ähnliche Schwerter verwendet wurden, sondern auch gemeinsame Vorstellungen
darüber existierten, welche Elemente ein Hort aufzuweisen
habe. Diese Fragen lassen sich nur vor einem breiteren
Hintergrund diskutieren, indem die Stellung des Hortes
von Apa zu untersuchen ist.
Das Depot von Apa gehört zu einer größeren Gruppe von
Depots in Nordwestrumänien und Nordostungarn, die sich
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SVEND HANSEN
Abb. 2 Die Gegenstände aus dem Hort von Apa.
vor allem durch die Niederlegung von Schwertern und Äxten
auszeichnen. Neben Apa ist als Vertreter dieser Regionalgruppe der Hort von Hajdúsámson, Ungarn, zu nennen, der
neben einem Schwert zwölf Äxte enthielt (Mozsolics 1967,
139 f. Taf. 9–1o; Máthé 1996, 127 Abb. 1). Weitere Horte dieser Gruppe stammen aus Kelebia (Bóna 1992, 52 Abb. 23),
Szeghalom (Bóna 1992, 57 Abb. 26) und Teglas (Máthé
1969/7o, Abb. 1)2, wo sich neben dem Schwert eine Axt
fand. In Oradea, Rumänien, wurde ein Schwert zusammen
mit einem Dolch dokumentiert (Petrescu-Dîmbovit‚a 1977,
41; Taf. 5,1–2; Bader 1991, 39 Nr. 27; Taf. 73 A). Diese Horte
sind dadurch charakterisiert, dass die Niederlegung von
Waffen (besonders Schwert und Axt/Beil) eine bevorzugte
Rolle spielt und daneben auch kunstvoller Spiralschmuck
(z. B. Apa) deponiert wurde.
Dieses Ausstattungsmuster ist in diesem geographischen
Raum auch später das strukturierende Kompositionsprinzip
(vgl. Hansen 1994). Als Beispiele für die ältere Urnenfelderzeit seien drei Horte aus Ungarn mit Griffzungenschwertern und Spiralschmuck angeführt: Szécseny (Mozsolics
1984, 222 Taf. 6), Zalkod (Mozsolics 1984, 245; Taf. 7–1o)
und Sárospatak (Mozsolics 1984, Taf. 11). Besonders Helme
und Metallgefäße sind dann charakteristische Bestandteile
der jüngerurnenfelderzeitlichen Horte und ergänzen den
auffälligen Spiralschmuck und die große Zahl Schalenknauf- und Griffzungenschwerter, wie wir sie etwa aus
dem Hort von Hajdúböszörmény, Ungarn (Mozsolics 1984),
kennen.
Auffallend ist der geringe Fragmentierungsgrad der
Bronzeobjekte in den Horten Nordwestrumäniens und Nordostungarns während der gesamten Bronze- und Urnenfelderzeit. Damit lässt sich in diesem Raum eine bemerkenswerte
konzeptionelle Kontinuität der Deponierungsweise über
6oo–7oo Jahre erkennen. Diese Horte zeichnen sich zudem
durch die besondere handwerkliche Qualität der deponierten Gegenstände aus. Eine Besonderheit stellt die Herstellung der Vollgriffschwerter dar. Während in Mitteleuropa
bronzene Griffe und Schwertklinge separat gegossen wurden, finden sich im nördlichen Karpatenbecken Schwerter,
deren Metallgriff und Klinge in einem Stück gegossen wurden. Dies beginnt mit den Schwertern der Typengruppe
Apa-Hajdúsámson (vgl. Bader 1991, 52 Nr. 28; Taf. A 28;
Kemenczei 1991, 8 ff. Taf. 1) und setzt sich dort über
Schwerter vom Typus Au und Dreiwulstschwerter bis in die
jüngere Urnenfelderzeit fort (vgl. Kemenczei 1988, 13 ff.,
Typen D–G).
2 Alle drei Orte in Ungarn.
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Abb. 3 Die Gegenstände aus dem Hort von Nebra.
Schwert, Axt und Armspirale sind von Anfang an in den
Horten die strukturierenden Merkmale mit erstaunlicher
Kontinuität. Diese Objekte können im nördlichen Karpatenbecken während der älteren Urnenfelderzeit (Ha A) auch in
»reinen«, ausschließlich Schwerter, Äxte oder Spiralschmuck
enthaltenden Horten vorkommen. Das können nicht alle
Objektgruppen; beispielsweise gibt es keine reinen Rasiermesser- oder Lanzenspitzenhorte. Dies ist ein Hinweis auf
die Hierarchie des Deponierungsgutes. Die Gegenstände
sind, wie bereits erwähnt, nicht frei deponier- oder in jeder
beliebigen Zusammensetzung kombinierbar. Auch auf der
lokalen Ebene ist eine bemerkenswerte Kontinuität sichtbar. Neben dem Prunkhort von Hajdúsámson mit einem
Schwert und zwölf Äxten (Abb. 6; Mozsolics 1967, 139 f.
Taf. 9–1o) fanden sich in derselben Gemeinde auch drei
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weitere Horte der Stufe Ha B1 (Mozsolics 2ooo, Taf. 36–38).
In der benachbart gelegenen Gemeinde Hajdúböszörmény
wurde der berühmte Ha B1-zeitliche Hort entdeckt.
Die Besonderheit der Horte dieses Raumes lässt sich
noch besser verstehen, blickt man nach Westungarn. In
Transdanubien verläuft die Entwicklung der Deponierung
anders als in Nordostungarn. Auch der Rhythmus der Deponierungstätigkeit unterscheidet sich in Westungarn von
dem im Osten Ungarns. Neben diesen Merkmalen beziehen
sich Unterschiede in gewissem Maße auch auf die Bronzetypen. So sind, um nur ein Beispiel herauszugreifen, Vollgriffschwerter in den transdanubischen Horten von der
Stufe FD III bis in die Stufe Ha B1 äußerst selten.
Schon während der Früh- und Mittelbronzezeit besitzen
die Horte in Transdanubien ein anderes Gepräge. Hier spie-
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Abb. 4 Knickrandmeißel und weitere Gegenstände aus dem Hort von Smedrov, Böhmen.
len zunächst insbesondere Anhänger, Nadeln, Armringe
und Armspiralen im Hort eine wichtige Rolle, während
Waffen und Geräte nur in geringer Zahl vorkommen.
Schon früh wurden diese Funde als frühbronzezeitliche
Hortgruppe Tolnanémedi bezeichnet (Bóna 1958; Ruttkay
1982).
Mit den sogenannten »Koszider-Horten« ändert sich die
Zusammensetzung der Horte Transdanubiens. Dunaújváros-Kosziderpadlás II (Abb. 7; Mozsolics 1967, Taf. 49–5o) ist
hierfür beispielhaft: Waffen und Geräte, vor allem Beile,
Sicheln und Barren (die in Nordostungarn keine Rolle spielen), treten in den Depots hinzu. Ein neuer Anhängertypus,
die Stachelscheibe, löst die älteren Anhängerformen ab. Die
intentionelle Fragmentierung der Bronzen bildet ein weiteres
neues Merkmal (vgl. für Süddeutschland: Brandherm 2oo4).
Dieser Depottypus findet sich auch außerhalb Ungarns. In
Süddeutschland ist er durch die bekannten Horte von Bühl
und Ackenbach vertreten (Rittershofer 1983). Als besonders
charakteristisch ist in den Koszider-Horten das Auftreten
der konzentrischen Kreisscheibenanhänger (Stachelscheiben) anzusehen, welche für die nachfolgende Zeit zu einem
prägenden Symbol werden. Als »Vorläufer« lassen sich verschiedene Nadeln mit konzentrischen Kreisen, teilweise
auch Kreuzen, benennen, die vor allem im mittleren Donaugebiet (Mähren, Slowakei, Niederösterreich), aber auch in
der Schweiz bekannt sind (zur Verbreitung: David-Elbiali
1998, 116 Abb. 1o). Mittelbuckel mit konzentrischen Rippen
werden bis in die ältere Hallstattzeit das Symbol auf Waffen und Gefäßen bleiben. Die Stachelscheibenverbreitung
greift entlang der Donau nach Westen aus, wo auch neuere
Horte mit Stachelscheiben bekannt sind (z. B. Vohburg:
Uenze 1982). In diesen Horten finden sich drei Innovationen vereint, nämlich erstens die komplexe Zusammensetzung mit Waffen, Geräten, Schmuck und Barren, zweitens
eine neue Symbolform, die Stachelscheibe, und drittens der
intentionelle Bruch der deponierten Objekte.
Die beiden ungarischen, jeweils regional verankerten
Depottypen lassen sich als »Modelle« bezeichnen. Sie werden im Laufe der Zeit variiert, doch bleiben wesentliche,
strukturelle Merkmale erhalten. In Ostungarn werden seit
der Stufe FD III (nach Hänsel 1968), also dem Hort von
Hajdúsámson, bis in die Stufe Ha B1 die Bronzen weitgehend intakt in die Horte gelegt. Es dominieren die Waffen – Schwerter, Äxte, Beile. In Westungarn ist seit FD III
der Schmuckanteil deutlich größer. Seit der Koszider-Zeit
werden vor allem Beile und Sicheln sowie Gussbrocken hinzugefügt. Die Bronzen werden zunehmend zerbrochen in
die Horte gelegt.
In beiden Landesteilen existieren zeitliche Deponierungslücken: In Transdanubien besteht zwischen den Horten der Stufe MD I und den Horten der Stufe Ha A eine
Lücke, in Ostungarn zwischen Apa (FD III) und dem spätbronzezeitlichen Hort von Forro (SD I). Umso bemerkenswerter ist es, dass die Depots der Stufe Bz D in Ostungarn
und die Depots der Stufe Ha A in Transdanubien im Grunde
früh- bzw. frühmittelbronzezeitliche Muster wieder aufgreifen. Die Signifikanz dieser beiden Depotmodelle liegt
m. E. darin, dass sie auch überregional wirksam werden.
Das Modell Apa-Hajdúsámson lässt sich im Hort von Nebra,
das Modell Dunaújváros-Kosziderpadlás II in den süddeutschen Funden von Bühl und Ackenbach wiedererkennen.
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Abb. 5 Knickrandmeißel und weitere Gegenstände aus dem Hort von Lužice, Böhmen.
Nebra in der lokalen Tradition
Mit dem Verweis auf den Hort von Apa wurde versucht, das
Kompositionsschema des Hortes von Nebra aus dem nördlichen Karpatenbecken herzuleiten. Der Hort von Nebra
steht aber zugleich auch in einer regionalen, beinahe lokalen
Traditionslinie: Vergleicht man die Hortausstattung mit
dem Grab von Leubingen (Abb. 8; Höfer 19o6; Meller 2oo4),
erkennt man sofort die funktionalen Übereinstimmungen:
Beile, Meißel, Schwerter bzw. Dolche. Man kann vermuten,
dass der Symbolwert dieser Dinge einem fest gefügten
System entstammt. In Leubingen sind der Stabdolch, drei
Dolche, zwei Randleistenbeile, drei Meißel und eine Steinaxt sicherlich keine funktionale Waffenausrüstung eines
einzelnen Mannes. Daher lässt sich dieses Waffenarsenal
auch als »Überausstattung« bezeichnen (Hansen 2oo2). Die
Waffen im Hort von Nebra gleichen dem Leubinger Grab
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zwar in der funktionalen Auswahl, doch fällt gegenüber
den Überausstattungen auch eine zahlenmäßige Reduktion
auf. Daher soll der Begriff der Überausstattung auf Fundensembles begrenzt bleiben, in denen mindestens drei Dolchbzw. Stabdolchklingen vorhanden sind. Damit bleibt dieses
Phänomen in Raum und Zeit klar verankert. Dass sowohl
ältere als auch jüngere Beispiele von Gräbern mit überzähligen Beilen oder anderen Waffen bekannt sind, die Vervielfachung des Einzelelements möglicherweise eine ubiquitäre
Erscheinung ist, ist gerade Grund dafür, es bei der genannten Eingrenzung zu belassen.
Mit Leubingen ist das Grab von Helmsdorf, SachsenAnhalt (Größler 19o7), vergleichbar, zu dessen Waffenausstattung ein Randleistenbeil, ein Dolch, ein Meißel und eine
Steinaxt gehören. Die Ausstattungsverwandtschaft zwischen
Leubingen und Helmsdorf wird durch die goldenen Beiga-
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SVEND HANSEN
Abb. 6 Gegenstände aus dem Hort von Hajdúsámson I, Ungarn.
ben in beiden Hügeln – Nadeln, Armring und Lockenspiralen – unterstrichen. Dies ist bemerkenswert, denn zwischen
beiden Gräbern liegt ein Zeitunterschied von ca. 1oo Jahren.
Zur gleichen Kategorie von Gräbern gehört der Fund von
Dieskau in Sachsen-Anhalt (Schmidt/Nitzschke 198o). Erhalten sind ein silberner Ösenring, zwei goldene Armringe
und ein goldenes Randleistenbeil. Eine goldene Dolchklinge
aus Inowrocław in Kujawien (Gedl 198o, 41 Nr. 74) dürfte
ebenfalls aus einem Grab stammen.
Die genannten Gräber und Horte lassen sich entweder
als eine »Überausstattung« mit Waffen (Leubingen und
Helmsdorf) oder eine Ausstattung mit goldenen »Überwaffen« (Dieskau, Inowrocław) charakterisieren. Die Schwerter
im Hort von Nebra sind demgegenüber Reduktionen in
zweifacher Hinsicht: ihrer kleineren Zahl wegen und durch
die Beschränkung des Goldes auf die Verzierung des Griffs.
Die genannten Beispiele für »Überausstattungen« lassen
sich durch Fürstengräber der Frühbronzezeit aus der Bretagne vermehren (Briard 1984). Unter großen, bis zu sechs
Meter hohen Hügeln fanden sich in meist eingetieften
Steinkisten Bestattungen, in denen bis zu zwölf Dolche
sowie bis zu vier Beile und maximal 6o Silexpfeilspitzen als
Beigaben niedergelegt worden waren. Die Ausstattung ist
erstaunlich regelhaft und umfasst zuweilen Schleifsteine,
Silbergefäße und silberne Ringnadeln. Bemerkenswert ist
die sorgfältige Deponierung der Dolche in »Holzschachteln«. In Lannion waren die Klingen auf Steinunterlagen
deponiert. Besonders interessant ist der Ausgrabungsbefund von Plouvorn, wo die Dolche – ebenso wie in Leubingen – kreuzförmig übereinander geschichtet waren (Abb. 9).
Im Hort von Hajdúsámson I war das Schwert in N-S-Richtung niedergelegt, und die Äxte lagen quer auf der Klinge,
so dass die Schneiden in westliche Richtung wiesen. Auch
hier waren die Waffen inszeniert.
In diesen »Fürstengräbern« bzw. Waffenkammern ist
die »Überausstattung« mit Waffen als Materialisierung
einer frühbronzezeitlichen Kriegerideologie zu verstehen.
Diese ist freilich nicht nur auf die Gräber beschränkt, sondern findet auch in den Horten ihren Niederschlag. In der
weiteren Umgebung von Leubingen ist der Hortfund II von
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Abb. 7 Gegenstände aus dem Hort von Dunaújváros-Kosziderpadlás II, Ungarn.
Dieskau mit 14 Stabdolchen (v. Brunn 1959) hervorzuheben.
In den nördlich anschließenden Regionen Mecklenburgs
und Brandenburgs, wo reich ausgestattete Gräber fehlen,
weisen Horte ein vergleichbares Ausstattungsmuster auf:
Besonders hervorzuheben sind der Hort II von Melz, Mecklenburg-Vorpommern, mit mindestens acht Stabdolchen
und einem geschäfteten Randleistenbeil (Schoknecht 1971)
sowie der Hort von Bresinchen, Brandenburg, mit acht Vollgriff- und zwei Stabdolchen (Wüstemann 1995, 45 f. Nr. 2).
An der nördlichen Peripherie der bronzezeitlichen Welt
materialisierte sich die Sitte, Klingen in größerer Zahl zu
deponieren, d. h. übernatürlich gedachten Mächten zu weihen, in anderer Form. Hier wurden kunstvoll retuschierte
Flintdolche einzeln oder in einigen Regionen auch in Mehrstückdepots deponiert. Diese überaus ausdrucksstarken Grabund Depotensembles lassen sich als Nachklang einer bis an
den Beginn des 3. Jt. v. Chr. zurückreichenden Tradition
herrschaftlicher Gräber deuten, deren älteste Beispiele im
nördlichen Schwarzmeergebiet, Anatolien und Mesopotamien zu finden sind (Maikop, Arslantepe, Ur, Alaca Höyük
u. a.). Diese Grablegen sind durch eine Vielzahl von – teilweise
aus edlem Metall gefertigten – Waffen gekennzeichnet.
Bemerkungen zur Kriegerideologie
Der Hortfund von Nebra weist unzweifelhaft Verbindungen
zum Leubinger Fürstengrab auf. Doch zeigt der Vergleich,
dass das Depotschema von Nebra sich nicht an den frühbronzezeitlichen Klingenhorten orientiert, sondern offenbar auf
Anregungen aus dem nördlichen Karpatenbecken zurückgeht. Die dargestellten Ähnlichkeiten der Ausstattung von
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Nebra mit Leubingen und Apa lassen sich mit der mündlichen Überlieferung plausibel machen. Nur Erzählungen,
die weitergegeben wurden, können die zeitliche Distanz zwischen Leubingen und Nebra und die räumliche Distanz zwischen Apa und Nebra überbrückt haben. In der bronzezeitlichen Welt der Fernkontakte, durch die Bernstein nach
Mykene (Maran 2oo4) und mediterrane Kupferbarren auf
die schwäbische Alb gelangten (Primas/Pernicka 1998), dürften auch Heldengeschichten Verbreitung gefunden haben.
K. Kristiansen (1999, 537 ff.; Kristiansen/Larsson 2oo5)
hat paarige Ausstattungen mit dem Konzept der »Zwillingsherrscher« verbunden. Er meint, bestimmte Funde und Befunde aus der Nordischen Bronzezeit, die Bronzefigürchen
von Stockhult, Schweden, oder das Doppelkriegergrab von
Rieseby, Schleswig-Holstein (Aner/Kersten 1978, 2o5 Abb. 2o2;
Taf. 76–77), in diesem Sinne interpretieren zu können. Tatsächlich gewinnt dieses Konzept seine scheinbare Plausibilität aus der Überzeugung, dass die Zwillingsherrscher eine
strukturelle Erscheinung der »protoindoeuropäischen« Gesellschaft seien, aber in der späteren indoeuropäischen Religion verschwunden seien. Doch finden sich die (göttlichen)
Zwillinge auch später, etwa mit Kastor und Polydeukes
oder Romulus und Remus (vgl. Dumézil 1989, 89 ff.). Ob
man daraus tatsächlich Ableitungen zur Sozialstruktur in
der Bronzezeit vornehmen kann, erscheint fraglich. Abzulehnen ist allerdings die Ausdeutung von Depotfunden als
Zeugnisse der »Zwillingsherrscher«. Paarweise Ausstattungen
sind seit dem Neolithikum bekannt (Rosenstock 1989/9o),
was als Argument vielleicht deshalb zu kurz greift, weil für
die Datierung der Indoeuropäer bekanntlich sehr verschiedene Jahrtausende in Anspruch genommen werden.
9
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SVEND HANSEN
Abb. 8 Beigaben aus dem Grab von Leubingen und Plan des Grabes mit Lage der Beigaben.
Die paarweise Deponierung von Gegenständen hat zuletzt
R. Maraszek (2ooo, 213 ff.; 2oo6) behandelt. Sie hat herausgearbeitet, dass in der Spätbronzezeit vor allem auf den Britischen Inseln Zwei-Beil-Horte eine wichtige Rolle spielen,
im Mittelrheingebiet hingegen drei bzw. vier Beile in die
reinen Horte gelegt werden. Aber auch auf den Britischen
Inseln sind Drei- und Vier-Beil-Horte bekannt. Bezüglich
der paarweisen Deponierung auch anderer Objekte wie
Schwerter und Halsringe kann Maraszek zeigen, dass die
paarweise Deponierung regional differiert. So finden sich
in England nur paarweise deponierte Beile, nicht jedoch
Schwerter, während in Schottland häufiger Schwerter paarweise deponiert wurden. Innerhalb des Spektrums niedergelegter Objekte, nämlich von einem einzelnen Beil über
zwei Beile bis zu drei und mehr Beilen oder anderen Zahlen,
lässt sich eine bevorzugte paarweise Deponierung von
Objekten nicht ablesen. Das bedeutet, dass eine allzu enge
Ausdeutung der Horte im Sinne der »Zwillingsherrscher«
nicht zwingend ist. Doch trifft sich dieser Interpretationsansatz mit Deutungen, welche in den Horten und reich ausgestatteten Gräbern »Heroisierungen« der Toten erkennen
möchten (Metzner-Nebelsick 1997). Auch der Titel der Ausstellung »Götter und Helden der Bronzezeit Europas im
Zeitalter des Odysseus« (Demakopulou u. a. 1999) verwies
auf dieses Konzept. Es erscheint verlockend, für die Früheisenzeit des 8. und 7. Jh. v. Chr. eine weit über die ägäische
Welt hinausreichende Tendenz zur Heroenverehrung zu
erkennen, die bis in das nördliche Mitteleuropa (Seddin,
Brandenburg, und Lusehøj, Dänemark) reicht.
Die Waffen in den Horten der Bronzezeit und die Ausstattung der Kriegergräber zeigen, dass Heroisierung auf
Gewalt basierte, was in der Forschung neuerdings stärker
thematisiert wird (vgl. Carman/Harding 1999; Vandkilde
2oo3). Dort wird nicht nur die Qualität des Heros, durch
»Geburt« zwischen Menschen und Göttern zu vermitteln,
sondern auch sein mörderisches Zwielicht hervorgehoben
(Heinrich 2oo6). Für die frühbronzezeitlichen Waffengräber
und die Waffenhorte des Karpatenbeckens lässt sich eine
zeitgleiche Quelle verwerten. Die »Überausstattung« der Gräber bzw. Horte mit Waffen bzw. die Ausstattung mit goldenen
»Überwaffen« wurde als Ausdruck einer frühbronzezeitlichen Kriegerideologie bezeichnet, über die wir mangels
schriftlicher Zeugnisse keine Details erkennen können. Mit
dem Gilgamesch-Epos ist aus Mesopotamien eine Erzählung bekannt, die uns an den Beginn des 3. Jt. v. Chr. führt
(George 1999). Auch das Epos kennt Überwaffen: Bevor
Gilgamesch und sein Freund Enkidu zum Zedernwald aufbrechen, gehen sie zu den Waffenschmieden:
»Große beile gossen sie: /
und äxte, die jede für sich hundertundachtzig
pfund wogen. /
Große dolche gossen sie: /
hundertundzwanzig pfund wog jede klinge, /
dreißig pfund die garde am heft, /
dreißig pfund gold, um sie zu verzieren.
Gilgamesh und Enkidu trugen jeder
sechshundert pfund«3.
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Abb. 9 Lage der Dolche und Rekonstruktion
eines Dolchgriffes aus dem Grab von Plouvorn,
Bretagne.
Das Epos gibt uns einen bedenkenswerten Anhaltspunkt
für die Herausbildung und Festigung der Herrschaft dieser
Könige. Gilgamesch und Enkidu brechen mit ihren Überwaffen nach Westen zum Zedernwald auf. Sie töten dort
Humbaba, den Wächter dieses Waldes, und fällen die kostbaren Zedern, welche sie auf einem Floß Euphrat abwärts
nach Uruk verschiffen. Es geht im Epos also um die Kontrolle über wertvolle Rohstoffe (Mesopotamien verfügt nicht
über Zedern), welche gewaltsam usurpiert werden. Aus der
größten Zeder baut Enkidu eine Tür, die als Opfergabe für
den Tempel des Enlil bestimmt ist, um diesen zu besänftigen, doch erfolglos. Enkidu muss sterben. Am Ende sagt er:
»Mein, Freund, einer der im Kampf fällt, macht sich einen
Namen, / ich aber falle nicht im Kampf und werde mir keinen
Namen machen« (Schrott 2oo1, 233). Viel später finden wir
diese heroische Redewendung auch im Alten Testament im
Zweiten Buch Samuel (8,13) im Bericht über die Kriegstaten König Davids: »So machte sich David einen Namen«.
Als »Europas Eliten nach den Sternen griffen«, hatten
sie die Verfügung über Rohstoffe wie Kupfer und Zinn
3 Schrott 2oo1, 194; vgl. auch George 1999, 2o;
George 2oo3, 2o1.
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übernommen. Die Waffenausstattungen der Gräber und
Horte verweisen auf den gewaltförmigen Modus der Aneignung von Vorrechten. Die orientalischen Texte erlauben es
uns, eine gewisse Vorstellung von bronzezeitlicher Kriegerideologie zu gewinnen, ohne dass sie sich einfach auf die
mitteleuropäischen Verhältnisse übertragen lassen.
Schluss
Die Ausstattung des Hortes von Nebra lässt sich als das
Ergebnis zweier Bewegungen deuten. Zum einen steht der
Hort in der Tradition der Beigabenausstattung von Fürstengräbern wie Leubingen. Die Verfügung über die Himmelsscheibe dürfte an dieses soziale Milieu gebunden gewesen
sein. Zum anderen ist in Nebra aber auch ein Impuls aus
dem Karpatenbecken zu bemerken, der nicht nur durch die
Prunkschwerter, sondern auch durch die Ähnlichkeit der
Depotausstattung greifbar wird.
11
12
SVEND HANSEN
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nach Sicherl 2oo4, Karte 12
Fotos Museum für Vor- und Frühgeschichte 1994, 122 f. Abb. 19;
Zeichnung Petrescu-Dîmbovit,a
1977, Taf. 1
3
4
5
J. Lipták, Köln
nach Čujanová-Jilková 197o,
Taf. 19–2o A
nach Kruta 197o, Abb. 2–4
6–7
8
9
nach Mozsolics 1967, Taf. 9
links Höfer 19o6, Taf. 1; rechts
O’Riordáin 1936, 2o5 Abb. 1o
nach Briard 1984, 91 Abb. 56
Anschrift
Prof. Dr. Svend Hansen
Deutsches Archäologisches Institut
Eurasien-Abteilung
Im Dol 2–6, Haus II
D-14195 Berlin
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