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Partnerschaft Was ist ein Drag-Kid?

Der Junge, der in Frauenkleidern die Welt verändern will

Freie Redakteurin
Lustige Klamotten, ernste Mission: Das Drag-Kid Desmond ist ein Vorkämpfer für LGBTQ-Rechte Lustige Klamotten, ernste Mission: Das Drag-Kid Desmond ist ein Vorkämpfer für LGBTQ-Rechte
Lustige Klamotten, ernste Mission: Das Drag-Kid Desmond ist ein Vorkämpfer für LGBTQ-Rechte
Quelle: Jackson Brady
Mit gerade mal elf Jahren ist der New Yorker Desmond Napoles ein Drag-Star. Weiß man in dem Alter überhaupt schon, wer man ist? Will er wirklich ins Rampenlicht oder hilft seine ehrgeizige Mutter nach? Ein Treffen.

Desmond Napoles sitzt in einem New Yorker Café und spielt mit einem Fächer, der so lang ist wie sein Unterarm. Mit einer entschlossenen Bewegung knickt er sein Handgelenk ein, wirft die Hand nach vorne, der Fächer öffnet sich mit einem krachenden Geräusch. Immer wieder macht er diese Bewegung, es kracht und kracht, bis eine vorbeilaufende Asiatin mit Kinderwagen quiekend aufschreckt. Seine Mutter Wendy lacht. „Du machst den Müttern Angst!“

Der Junge ist gerade mal elf Jahre alt, streichholzdünn und trägt ein schwarzes T-Shirt-Kleid mit rosa Glitzerprint. Beim Gespräch versinkt er fast hinter dem Tisch, dabei ist er ein Experte des großen Auftritts. Einer, der gewohnt ist, dass man ihn bejubelt, beäugt und auch beschimpft. Desmond Napoles ist ein Dragkid, ein Junge, der gerne Frauenkleider trägt und sich schminkt. Sein Künstlername lautet „Desmond Is Amazing“, zu deutsch „Desmond ist fabelhaft“. Vor drei Jahren lief, ach was, hüpfte er erstmals im Regenbogentutu und mit einem güldenen Kranz auf dem Kopf bei der „Pride“-Parade seiner Heimatstadt New York mit. Ein Video davon wurde eifrig geteilt, inzwischen folgen ihm über 70.000 Menschen auf Instagram. Seine Message: Du bist gut so, wie du bist.

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Wo auch immer er auftritt, stemmt Napoles geübt die Hände in die schmalen Hüften, dreht sich auf hohen Plateauschuhen mehrmals um sich selbst und schaut aus mit Lidschatten umrahmten Augen selbstbewusst ins Publikum. Sein Show-Talent hat ihm bereits einen Modeljob auf der New York Fashion Week beschert sowie Jubel-Artikel im „New York Magazine“ und der US-„Vogue“. So groß und besonders ist der Ruhm des Jungen, dass Fragen aufkommen. Weiß man in dem Alter überhaupt schon, wer man ist? Will er wirklich ins Rampenlicht, oder hat seine ehrgeizige Mutter Wendy da nicht etwas nachgeholfen?

Wie Desmond Napoles da im Café seine Geschichte erzählt, klingt er vor allem nach einem, der tatsächlich schon ganz früh wusste, was er will. Er wurde am 23. Juni 2007 in einem Krankenhaus im Herzen der New Yorker Gay-Community Greenwich Village geboren. Zwei Jahre später sah er auf dem Familienfernseher die Talentschau der Dragqueen RuPaul, in der andere Dragqueens als Performer gegeneinander antreten.

„Schwuuuul!!!“

„Ich fand RuPaul so toll, dass ich mir aus Mamas Handtüchern, Kleidern und Schuhen Kostüme gebastelt habe“, sagt Desmond mit aufgekratzter, atemloser Kinderstimme. Inzwischen durfte er mit RuPaul schon mal die DragCon einweihen, eins der wichtigsten Events der Szene. Interviews gibt er nun wie ein Routinier, heute trägt er dazu pinkfarbene Chucks, Ohrringe in Regenbogenfarben und einen leicht verblassten Lidstrich, natürlich selbst gezogen „Würde ich nie so hinbekommen“, sagt Wendy Napoles.

Hilfe braucht ihr Sohn allerdings bei der Herstellung seiner Kostüme. Er zeichnet Entwürfe in sein Skizzenbuch, und seine Mutter näht sie, fantasievolle Kleidercollagen aus Stoffresten, Altkleidern, Papier und Pailletten. Desmond Napoles, der Alexander McQueen und Comme des Garçons zu seinen Lieblingslabels zählt, hat bereits ein Ensemble mit Keith-Haring-Prints sowie ein Riesenherz auf dem Kopf getragen, ein flaschengrünes Paillettenkleid mit Tüllärmeln in Regenbogenfarben.

Lustige Klamotten, ernste Mission: Das Drag-Kid Desmond ist ein Vorkämpfer für LGBTQ-Rechte
Lustige Klamotten, ernste Mission: Das Drag-Kid Desmond ist ein Vorkämpfer für LGBTQ-Rechte
Quelle: Parker Day

Alles ganz normal? Das fragten sich die Eltern – sie Büroleiterin, er Software-Ingenieur – lange selbst, bis sie mit dem Siebenjährigen zum Therapeuten gingen. „Es war alles ein wenig außer Kontrolle geraten.“ Der Therapeut riet, den Jungen machen zu lassen, ihm zu erlauben, Kleider, Röcke, Perücken zu tragen. Sollte es sich um eine Phase handeln, würde er schon daraus herauswachsen.

Mit neun Jahren erklärte Desmond seinen Eltern, er sei schwul. „Schwuuuul!!!“, ruft er nun begeistert über den Tisch. Überrascht habe sie das nicht, sagt Wendy Napoles. „Es ging los in der ersten Klasse, da kam er nachmittags nach Hause und erzählte mir, für wen er schwärmte. Es waren nie Mädchen dabei.“ Desmond jault erst protestierend auf, als seine Mutter von seinen frühkindlichen Herzensangelegenheiten plaudert, zuckt dann aber mit den Schultern. „Das ist ja eine Million Jahre her.“

„Ich werde die Welt verändern. Und ihr?“

Doch auch eine Million Jahre später hat sich an seiner Gefühlswelt nichts geändert: Er mag Jungs. Und liebt es, über den Laufsteg zu hüpfen. Am liebsten läuft er den amerikanischen Catwalk-Stil“, sagt Wendy Napoles. „Neeeein, den europäischen“, korrigiert sie ihr Sohn. Den Unterschied erklärt er so: „Amerikanischer Stil ist maskulin. Und ich bin nicht maskulin.“

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Seitdem ein Video von Napoles’ Auftritt bei der 2015er Pride-Parade viral ging, wächst sein Ruhm stetig. Und ebenso die Anzahl der Kritiker und „Hater“, wie Desmond sie nennt. Es vergehe kein Tag, an dem nicht jemand schreibt, dass man ihn verbrennen wolle, erzählt Wendy Napoles, die alle Hasskommentare löscht, bevor sie ihren Sohn an sein Instagram-Profil lässt. Es ist gerade leicht und hart zugleich, ein Dragkid zu sein in einem Land, in dem Kinder einerseits schon in der Schule zu hemmungsloser Selbstdarstellung ermuntert werden – und andererseits die Grenzen der Selbstverwirklichung enger gezogen werden und der Präsident Transgender-Soldaten wie Staatsfeinde behandelt. In so einem Land wird ein kleiner Junge plötzlich zum Bürgerrechtler, auch wenn er die Dimensionen und Konsequenzen seiner Aktivitäten erst erahnen kann. Auf Instagram erklärt Desmond den „Hatern“: „Ich werde die Welt verändern. Und ihr?“

Will anderen Dragkids Selbstvertrauen schenken: Desmond Napoles
Will anderen Dragkids Selbstvertrauen schenken: Desmond Napoles
Quelle: Jackson Brady

Wendy Napoles jedenfalls, eine kleine, kräftige Frau in engen Jeans und blond gefärbten Haaren mit einem sehr breiten dunklen Ansatz, besteht darauf, dass sie Desmond nur dabei hilft, eine Leidenschaft auszuleben, die ihm persönlich wichtig sei. Sie verdiene mit Interviews, Fotoshootings und Paraden-Auftritten kein Geld. Allerdings hat ihr Sohn inzwischen einen richtigen Manager, der Wendy Napoles geraten habe, Desmond zu Hause zu unterrichten. „Aber ich finde es wichtig, dass er weiterhin auf eine öffentliche Schule geht. Dort zieht er sich normal an, trägt kein Make-up, er spielt gerne auf Spielplätzen. Sein Ego soll nicht zu groß werden bei all dem Ruhm.“

Die Mitschüler wissen nichts von seiner Show-Figur, aber sie ahnen genug, um ihn manchmal zu hänseln. Wichtiger sind Desmond die Kinder und Jugendlichen, die ihm auf Instagram von ihren Ängsten und Mobbing-Erfahrungen schreiben, darunter auch andere Dragkids. „Ich schenke ihnen Selbstvertrauen“, sagt er. Seine Mutter arbeitet zurzeit an einem sozialen Netzwerk für Kinder wie ihn, dem „Haus of Amazing“. Überhaupt gibt es viele Pläne: Eine YouTube-Serie, ein Magazin für LGBTQ-Jugendliche, ein Modelabel, ein Kinderbuch über Selbstliebe.

Klingt nach viel Arbeit für ein Kerlchen, das total gerne mal Disneyworld besuchen würde – und sich nun das Smartphone seiner Mutter schnappt. Er steckt sich die Kopfhörer in die Ohren, stellt Musik an und singt lautlos mit. Bei No Doubt, einer seiner Lieblingsbands. Wendy Napoles schaut ihn an. „Irgendwie bist du immer noch ein ganz normaler Junge.“

Desmond Napoles (AKA Desmond is Amazing) Costume Couture by Unamaused Apparel Desmond Napoles (AKA Desmond is Amazing) is a performer, drag kid, awarded LGBTQ advocate, outspoken gay youth, editorial model, public speaker, founder of his own drag house, fashion designer, muse, and icon. Most importantly, he is an inspiration to many and a representation of hope for the future to come.
Desmond Napoles liebt die Inszenierung
Quelle: Felicia McGowan

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