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Anleihe bei Tim und Struppi: Dass Cover des aktuellen Blake- und Mortimer-Bandes.

© Carlsen

Modernisierter Comic-Klassiker: Zwei Gentlemen im Reich der Mitte

Neues Team, klassischer Stil: Das jüngste Abenteuer von Blake und Mortimer überzeugt durch Detailreichtum und ein komplexes Szenario.

Das Abenteuer beginnt mit einer hektischen Aktion: Tausende Kunstschätze Chinas sollen vor der Zerstörungswut der anrückenden Kommunisten gerettet werden, indem sie auf Schiffen außer Landes, nach Taiwan gebracht werden. Doch eines der Schiffe strandet in Hongkong. Ausgerechnet eine erst kürzlich entdeckte antike Pergamentrolle geht dabei verloren, die brisante Aufschlüsse über den ersten chinesischen Kaiser enthält...

„Das Tal der Unsterblichen“ ist das nunmehr 22. Abenteuer um die beiden britischen Gentlemen Blake und Mortimer. Während der schlanke MI 5-Offizier Francis Blake von kontrollierter Natur ist, zeichnet sich sein kräftiger Freund, der geniale Atomphysiker und Allround-Wissenschaftler Philip Mortimer, durch einen eher ungestümen Charakter aus.

Klassiker der frankobelgischen Comics

Mit der Reihe erschuf der Belgier Edgar Pierre Jacobs (1904 - 1987) im Jahr 1946 einen Klassiker der frankobelgischen Comics. Das neue Album ist der Auftakt eines zweiteiligen Abenteuers und spielt in einer turbulenten Epoche kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als in China ein Bürgerkrieg tobte und der Machtkampf zwischen Kommunisten und Nationalisten auf dem Höhepunkt war.

Visuell und narrativ orientiert es sich an der bisherigen Praxis, die Reihe im Sinne ihres Schöpfers fortzuführen.

Das Zeichnerteam ist jedoch neu: der Niederländer Peter van Dongen hat sich bereits durch die Graphic Novel „Rampokan“ (Avant Verlag) – einen differenzierten Abgesang auf die holländische Kolonie Niederländisch-Ostindien – als erstklassiger Ligne Claire-Adept empfohlen, jenem klaren Zeichen- und Erzählstil, den „Tim und Struppi“-Zeichner Hergé und Edgar Pierre Jacobs in den 1930er und 40er Jahren entwickelten und prägten.

Unterstützt wird van Dongen von seinem Landsmann Teun Berserik. Ihre aufwändigen Zeichnungen sind jenen von Edgar P. Jacobs täuschend ähnlich und übertreffen die meisten Vorgängerbände deutlich an Stimmung und Detailreichtum.

Aber auch inhaltlich überzeugt der neue Band durch das komplexe Szenario des Belgiers Yves Sente, der bereits mehrere Bände der Reihe schrieb: er knüpft genau dort an, wo „Der Kampf um die Welt“, Edgar Pierre Jacobs erstes Blake und Mortimer-Album, endete - in jenem infernalischen Luftkrieg, der durch die Weltherrschafts-Ambitionen des fiktiven chinesischen Diktators Basam-Damdu ausgelöst wurde.

Tollkühner Mix aus realistischem Abenteuer und Science-Fiction

Dieses rund 200 Seiten umfassende Abenteuer entstand zwischen 1946 und 1950 und spiegelte die Ängste vieler Menschen vor einem neuen Weltkrieg wider. Der damals tollkühne Mix aus realistischem Abenteuer und Science-Fiction (die sich vor allem in den futuristischen Flugapparaten niederschlug) wird im neuen Band aufgenommen, aber in einen glaubwürdigeren politischen Kontext gesetzt.

Natürlich darf auf der Seite der skrupellosen Gegner des Duos auch Colonel Olrik nicht fehlen, jener unverwüstliche elegante Finstermann, dessen Physiognomie seinem Schöpfer Edgar Pierre Jacobs nachempfunden ist.

Dem neuen Team gelingt so eine differenzierte Erzählung über das in einer chaotischen Umbruchphase befindliche ehemalige Kaiserreich, die mit einer guten Prise „archäologischer Fantasy“ angereichert ist.

Yves Sente, Teun Berserik, Peter Van Dongen: Blake und Mortimer – Das Tal der Unsterblichen Band 1: Gefahr für Hongkong, Carlsen Verlag, 56 Seiten, 12 Euro

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