Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vergleicht die Aktionen der Klimagruppe Letzte Generation mit Straßenprotesten von vor 100 Jahren. "In den 1920er und 1930er Jahren gab es in Berlin straßenschlachtartige Zustände, weil sich Menschen am linken und rechten politischen Rand selbst ermächtigt fühlten, sich über die Rechtsordnung zu stellen und die eigenen Vorstellungen mit der Faust durchzusetzen", sagte der FDP-Politiker dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. "Das darf sich nicht wiederholen."

Die Letzte Generation hatte angekündigt, Berlin ab Montag auf unbestimmte Zeit lahmlegen zu wollen. So will sie ihre Forderungen nach einer radikalen Klimawende durchsetzen. Am Mittwoch hatte sie mit Protestmärschen begonnen.

Buschmann warf den Aktivisten vor, mit ihren Protesten dem Klimaschutz zu schaden. "Letztlich schadet die Letzte Generation mit ihrem Vorgehen ihrem Anliegen", sagte der Minister. Die Letzte Generation habe überzogene, aggressive Vorstellungen von der Durchsetzung ihrer Ziele. Mit Straftaten werbe man nicht für Klimaschutz. 

Zugleich verteidigte Buschmann die Gerichtsurteile gegen Klimaaktivisten. "Wir leben in einem Rechtsstaat. Da gelten die gleichen Regeln für alle." Wenn akzeptiert würde, dass sich ein Teil der Gesellschaft unter Berufung auf ein höheres Ziel nicht an das Recht gebunden fühle, würden das sicher immer mehr Gruppen für sich in Anspruch nehmen. "Was jetzt die Klimakleber tun, probieren dann möglicherweise als Nächstes die Reichsbürger oder radikale Abtreibungsgegner", sagte er.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnte die Klimaaktivisten davor, mit ihren Protesten Menschenleben zu gefährden. "Es ist absolut unverantwortlich, wenn durch Straßenblockaden Rettungskräfte und Krankentransporte behindert werden", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Rettungswege müssten frei bleiben, die Polizei müsse in solchen Fällen "mit aller Konsequenz durchgreifen".

Richterbund lehnt schärfere Gesetze gegen Klimaschützer ab

Nach Einschätzung des Deutschen Richterbundes sind schärfere Gesetze gegen die Klimaschutzaktivisten nicht notwendig. "Die bestehenden Gesetze geben den Gerichten ausreichend Spielräume, um etwa Fälle von Nötigung, Sachbeschädigung oder Eingriffe in den Straßenverkehr jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen", sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn, der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Der Richterbund stellt sich damit gegen wiederkehrende Forderungen nach einer Ausweitung der rechtlichen Möglichkeiten gegen radikale Klimaschützer. "Jeder darf im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat öffentlich und streitbar für seine Anliegen eintreten, solange er sich dabei an die Regeln des Rechtsstaats hält." Zugleich appellierte Bundesgeschäftsführer Rebehn an die Aktivisten: "Die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit enden dort, wo das Strafrecht beginnt." Wer bei seinen Protestaktionen Straftaten begehe, der müsse sich dafür vor der Justiz verantworten.

Die Letzte Generation hatte sich 2021 nach einem Hungerstreik gegründet und blockiert seit Anfang 2022 immer wieder den Verkehr. Meist kleben sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Straße fest. Die Aktivisten fordern die Bundesregierung unter anderem auf, einen Plan zum Erreichen des international angestrebten 1,5-Grad-Ziels vorzulegen, mit dem man die schlimmsten Folgen der Erderwärmung verhindern will.