Offener Brief an Heinrich Jüttner, Bürgermeister von Schöneiche

von Wassilka Hentsch: Nein, Herr Jüttner, das was in Schöneiche in den letzten 16 Jahren geschehen ist, ist keine menschennahe Demokratie

Schöneiche ist meine zweite Heimat geworden, da ich über 40 Jahre in Schöneiche gelebt habe. Deswegen fühle ich mich berechtigt, Ihnen zu schreiben. Ich liebe Schöneiche und es tut mir sehr weh zu sehen, was in den letzten 16 Jahren geschehen ist. Die Demokratie, nach der wir uns s0viel gesehnt haben , wächst schwach, wie eine zarte Pflanze in einer Spalte von Beton. Die Demokratie bedeutet Zivilcourage, Initiative und Verantwortung für die eigenen Vorschläge zu tragen. Kritik über die herrschenden Zustände ist möglich nur im Rahmen der Demokratie. Es heißt einen Dialog zu führen. In den letzten 16 Jahren gab es in Schöneiche keinen echten Dialog. Es herrschen Ignoranz und Alleingang. Die Ignoranz mit der Sie jedes Gespräch, jeden Vorschlag und jede Kritik schon im Keim ersticken, erzeugt Ohnmacht und das ist der Grund, dass die Menschen sich zurückziehen. Nach so vielen Jahren glauben sie nicht, dass ihre Initiativen umgesetzt werden können und deprimiert sagen sie „Man kann nichts machen“, „Er macht, was er will“. Die Menschen, die gewöhnt waren in die DDR bevormundet zu sein, waren leichter entmutigt in diesen 16 Jahren. Sie glauben wenig an eine funktionierende Demokratie und sind gleichgültig geworden. Die Gleichgültigkeit erzeugt Spaltung in unserer Gemeinde und sorgt für ein schlechtes Klima. In einer Demokratie funktioniert die Politik nach Gutsherrenart auf Dauer nicht.

Herr Jüttner, Ihre Pflicht wäre, die Zivilcourage der Menschen zu beschützen und ihre Würde nicht zu verletzen. Nein, Herr Jüttner, ich habe in diesen 16 Jahren vieles gesehen, was nicht sein sollte. Ich versuche aufzuzählen:

· Ich bin Zeuge gewesen, wie Sie die Abgeordneten bevormunden, indem Sie sie per Email anweisen, wie sie stimmen sollen;

• Ich bin Zeuge gewesen, wie Sie schaukelnd auf Ihrem Stuhl jede Diskussion in den Gremien oder in der Gemeindevertretung im Keim erstikken, wenn es nicht Ihrer Meinung entspricht;

• Ich bin Zeuge gewesen, wie Sie versuchen Ihre Opponenten gnadenlos zu vernichten, nur weil sie Ihre Meinung nicht teilen. Durch Ihre Leute wurden sie aus Gremien und Parteien ausgeschlossen;

• Ich bin Zeuge gewesen, wie Sie mit den Verwaltungsgesetzen brillant jonglieren können, um nur Ihre eigene Meinung durchzusetzen. Sie wissen, dass sich die Bürger nicht leisten können zu Gericht zu gehen oder stets in Begleitung von Rechtsanwälten mit Ihnen zu sprechen;

• Ihre schriftlichen Begründungen (ich habe dutzendweise davon) haben den faden Beigeschmack der Manipulation und Unwahrheit;

• Ich bin Zeuge gewesen, wie Sie einen jungen, engagierten Abgeordneten aus dem politischen Leben der Gemeinde weg gedrängt haben, nur weil er sich erlaubt hatte eine konstruktive Meinung zu haben;

• Ich bin Zeuge gewesen, wie Sie freundlich vor dem Gericht etwas versprechen. Aber durch die vielen von Ihnen angeordneten Sitzungen und Gremien Ihre Versprechungen den Sinn verlieren. Am Schluss weiß man nicht, worum es dabei ging und man verliert einfach jeden Mut weiterzukämpfen;

• Ich bin Zeuge gewesen, wie Sie bewusst Entscheidungen unterlaufen, die man gegen Ihren Willen beschlossen hat. Nein, Herr Jüttner, das ist keine menschen nahe Demokratie. Den Mut, diesen Brief zu schreiben, gibt mir die Gewissheit, dass die Schöneicher nicht aufgegeben haben zu kämpfen. Da es an einer Vision über die Entwicklung von Schöneiche fehlt, haben die Schöneicher sich organisiert und mit Unterschriften und Vorschlägen gegen Ihre falschen Entscheidungen gekämpft:

· Einer von Ihren ersten Vorschlägen war, ein Krematorium mitten im Dorf zu bauen. Es mussten damals Unterschriften gesammelt werden, damit dies nicht geschehen konnte.

• Gegen den Bau einer Feuerwehr gab e s ähnliche Unterschriftensammlungen, Diskussionen und sogar Gerichtsverfahren.

• Zehn Jahre lang, sechs Kilo Papier und 9.000,- EUR Kosten für Expertisen und Gericht hat die Brandenburgische Initiative gebraucht, um nur mit Ihnen über eine kostengünstige Sanierung der Strasse sprechen zu dürfen. Einige Häuser sind im Keller überschwemmt, die anderen durch die Autobusse erschüttert. Alles ist beim Alten geblieben. Selbst die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h, durchgesetzt mit Hilfe des Büros von Ministerpräsident Platzek, werden nicht beachtet, weil es nicht Ihr Wille war. Jeder fährt wie er will und keiner achtet auf die Geschwindigkeit. Die Bürger beschweren sich, sammeln Unterschriften und keiner schützt ihre Interessen.

• Niemand fragt Sie, Herr Jüttner, mit welchem Recht Sie das alte Rathaus verfallen lassen haben. Es kann sein, dass das Alte Rathaus nicht genügend Räume für die Gemeindevertreter anbietet, aber man könnte zusätzliche Gebäude in dem Rathausgelände bauen.

• Sie sagen, Herr Jüttner, Sie bauen ein neues Rathaus für 4 Millionen EUR für uns. Aber das ist reine Demagogie. Wir bauen ein Rathaus für Sie. Mit unseren Steuergeldern. Die Architektur des neuen Rathauses passt genau so wenig in das trist verbaute Zentrum von Schöneiche, genau so wie Edeka, obwohl Edeka sehr notwendig gewesen ist und sehr wichtig.

• Als die Bürger ein Bürgerbegehren gemacht haben – Rathaus oder Schule – wurde dieses Anliegen abgelehnt, indem Sie wieder Punkte des Verwaltungsgesetzes benutzt hatten und alles seine Richtigkeit hatte, aber das moralische Anliegen dieses Bürgerbegehrens wurde missachtet. Die Bürger wollten zuerst eine Schule für ihre Kinder haben und erst dann ein Rathaus bauen. Sie haben die Unterschriften von diesen 1.200 Menschen ignoriert und ihren berechtigten Wunsch abgelehnt.

• Das Bürgerbegehren zur Sanierung der Brandenburgischen Str. wurde auch aus formalen Gründen abgelehnt. Sie und Ihre Beamten, wie z.B. Frau Eberlein, diskriminierten 400 Menschen, weil sie angeblich nicht richtig unterschrieben haben. Glauben Sie wirklich, dass 400 Menschen ihre Unterschriften gefälscht haben? Uns wurde nicht erlaubt, diese Unterschriften zu sehen.

• Über die VO über Baumstämme mussten die Bürger auch ein Bürgerbegehren machen.

• Die ganze Infrastruktur von Schöneiche ist in einem verheerenden Zustand. Manche Strassen haben keine Beleuchtung, andere Strecken gar keine Strassen. Aber 16 Jahre ist keine Zeit und Geld dafür da gewesen.

• Die Immobilien-/ Grundstückspreise sind in diesen sechzehn Jahren sehr niedrig geblieben. Wenn man viel in seiner Immobilie investiert, ist nicht gewiss, ob man diese Investitionen zurück bekommt bei einem eventuellen Verkauf. Nein, Herr Bürgermeister, dass ist keine bürgernahe Demokratie. Und wenn die oben genannten Fälle als Unfähigkeit qualifiziert werden konnten, mit Ihren Manipulationen ist es leider nicht so harmlos:

• Sie stufen z. B. eine Straße von Hauptstrasse zu Sammelstraße oder Nebenstrasse ab, damit die Anlieger sich mit doppelt so hohen Beiträgen beteiligen müssen, aber Sie schlagen gleichzeitig keinen gerechten Ausgleich von Zuschussmittel vor, der diesen Unterschied ausgleichen kann. Die Anlieger tragen keine Schuld, dass ihre Strasse 40 Jahre lang als Hauptstrasse kaputt gefahren wurde und müssen heute die gleiche Strasse, runtergestuft auf Nebenstrasse, mit doppelt so viel eigenen Mitteln reparieren.

• Parteien werden zersplittert, die Vorsitzenden manipuliert, nur damit Sie keine Opponenten haben.

• Es gibt eine Zeitung, unterstützt durch die Gemeinde und auf jeder Ausgabe ist Ihr Bild auf der ersten Seite abgedruckt. So oft habe ich früher Honecker nicht im Neuen Deutschland gesehen. Und die Kritik ist auf dem Niveau von „Kater Nico“.

• Wer Ihnen unbequem ist, muss auch mit Schikanen rechnen. Das wissen die Bürger ganz genau und schweigen, und passen auf sich auf. Ich z.B. musste ich mich drei Mal ummelden, weil Sie mich zweimal willkürlich und ohne mein Wissen in Schöneiche angemeldet haben. Nein, Herr Jüttner, solange ich in Schöneiche gelebt habe, habe ich solche Zustände nicht erlebt. Aber das Schlimmste was passiert ist, dass in Schöneiche eine Neonazi Gruppe entstanden ist. Der fehlende Glauben an die Demokratie, das schlechte Klima sind die Ursache für diesen Zustand. Sie kommen nicht vom Nordpol, sondern sind Produkt von unseren Zuständen. Ihre Pflicht war es, die zarte Blume der Demokratie zu schützen. Sie spielen sich als Förderer der Kultur auf. Aber Sie müssen wissen, Kultur beginnt mit der Achtung, mit der Toleranz zu den anderen Menschen. Wir dürfen nicht zulassen, dass von unserer Gesellschaft Menschen in die rechte Szene Zuflucht suchen.

Nach allen diesen 16 Jahren denke ich, dass endlich die Zeit gekommen ist, dass in Schöneiche ein freies demokratisches Klima durchgesetzt wird. Es muss ein neuer Bürgermeister kommen und er wird die schwierige Aufgabe haben, das aufzubauen, was in 16 Jahren zerstört wurde. Sie haben Ihre Rente gesichert. Lassen Sie Schöneiche genesen. Die paar Kindergärten, die zu Ihrer Zeit entstanden sind, reichen wirklich nicht für diese lange Zeit. Eben diese Kinder, die diese Kindergärten heute besuchen, müssen eines Tages alles dreifach teurer bezahlen und zwar mit den Zinsen, was wir verpasst haben zu machen. Ich hoffe sehr, dass die Bürger von Schöneiche genau so wie sie ihre eigene Häuser (fast alle Häuser) renoviert haben und ihre Gärten gepflegt haben, nicht apathisch werden und im April einen neuen Bürgermeister wählen werden. Sonst wäre die zarte Blume der Demokratie vollkommen zertreten, in Ihrem nächsten Mandat. Und es wird zu spät.

Es gibt ein Gedicht:

„Ich habe gelernt,

was habe ich gelernt,

was nicht passt, wird entfernt.

Was entfernt ist, passt.“

Ohne Achtung,

Wassilka Hentsch

 

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