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Hartz-IV-Empfänger, Schuldner, Solo-Selbständige Corona-Hilfen sollen besonders verwundbaren Gruppen schnell helfen

Die Koalition bringt Hilfen auf den Weg: für Selbständige ohne Aufträge, für Mieter, die ihre Wohnung wegen Corona nicht mehr zahlen können und für Schuldner, die mit Ratenzahlungen in Verzug geraten.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rechnet mit 1,2 Millionen zusätzlichen Hartz-IV-Beziehern - und plant Erleichterungen

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rechnet mit 1,2 Millionen zusätzlichen Hartz-IV-Beziehern - und plant Erleichterungen

Foto: Uli Deck / DPA

Das Bundesarbeitsministerium für Arbeit stellt sich auf einen drastischen Anstieg der Zahl der Hartz-IV-Empfänger ein, um bis zu 1,2 Millionen Personen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will deshalb bei einem Hartz-IV-Antrag die Vermögensprüfung für ein halbes Jahr aussetzen.

"Wir sorgen jetzt dafür, dass die aufwendige Vermögensprüfung für sechs Monate ab dem 1. April entfällt", sagte Heil der "Bild am Sonntag". "Außerdem kann jeder weiter in seiner Wohnung bleiben." Die Leistungen der Grundsicherung würden schnell und unbürokratisch gewährt. "Das hilft erst einmal, um nicht ins Bodenlose zu stürzen."

Als besonders gefährdet schätzt die Regierung der Zeitung zufolge derzeit bis zu 700.000 Soloselbstständige und bis zu 300.000 Selbstständige mit Angestellten ein. Gerechnet werde mit zusätzlichen Kosten für den Bundeshaushalt und die Kommunen von knapp 10 Milliarden Euro.

Schutzschirm für Mieter und Schuldner

Die Bundesregierung sieht zudem die Gefahr, dass durch die Wirtschaftskrise zahlreiche Bürger ihr Dach über dem Kopf verlieren könnten. Das will die Koalition mit Gesetzen verhindern. Zum einen soll verboten werden, Mietern zu kündigen, die wegen des Corona-Crashs in Turbulenzen geraten.

Ein ähnlicher Schutz soll auch für Schuldner gelten, die unverschuldet nicht mehr ihre Raten zahlen können, etwa für das Eigenheim. Bei Darlehen soll es eine gesetzliche Stundungsregelung geben.

In der entsprechenden Gesetzesvorlage wird die Möglichkeit einer Verlängerung der Fristen für die Erleichterungen für Mieter und Schuldner um ein Jahr angelegt. "Sollte sich herausstellen, dass der Zeitraum von April bis September 2020 nicht ausreichend ist, (...) wird dem Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz (...) die Möglichkeit eingeräumt, die (...) Befristungen (...) bis höchstens zum 31. Juli 2021 zu verlängern."

15.000 Euro für kleine Firmen

Kleine Unternehmen und Selbstständige sollen infolge der Coronavirus-Krise Soforthilfen in Höhe von bis zu 15.000 Euro erhalten. Dies geht aus einem Gesetzentwurf des Finanz- und Wirtschaftsministeriums hervor. Am Montag soll der Entwurf vom Bundeskabinett und dann in derselben Woche von Bundesrat und Bundestag beschlossen werden.

"Wir lassen niemanden allein", sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Dem Entwurf zufolge soll es für Kleinunternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der freien Berufe eine Einmalzahlung von 9000 Euro für drei Monate bei bis zu fünf Beschäftigten geben - bis zu 15.000 Euro bei bis zu zehn Beschäftigten.

Das Ziel sei ein Zuschuss, insbesondere zu laufenden Miet- und Pachtkosten. Sofern der Vermieter die Miete reduziert, kann ein nicht ausgeschöpfter Zuschuss auch für zwei weitere Monate eingesetzt werden.

Die Voraussetzung sollen dem Entwurf zufolge wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge der Coronavirus-Krise sein. Eine Existenzbedrohung oder ein Liquiditätsengpass sollen eidesstattlich versichert werden müssen. Der Bund will dafür bis zu 50 Milliarden Euro bereitstellen und rechnet dabei mit einer maximalen Ausschöpfung von drei Millionen Selbstständigen und Kleinstunternehmen.

Die Mittel sollen durch die Länder verteilt werden. Mit dem Programm sollen die Länder Planungssicherheit bekommen - ein Nebeneinander von vielen verschiedenen Soforthilfen auf Ebene der Länder und des Bundes soll es nicht geben.

Altmaier sagte: "Es darf und wird keine Solidaritätslücke geben." Die Soforthilfen für Soloselbstständige und Kleinstunternehmen müssten nicht zurückgezahlt werden. Daneben stünden Kredite zur Verfügung.

Trotz der Vielzahl der nun in hoher Geschwindigkeit auf den Weg gebrachten Regelungen drohen allerdings weitere Gruppen unberücksichtigt zu bleiben, warnt Harald Thomé vom Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles: "Die Maßnahmen der Regierung sind richtig, aber bei Weitem noch nicht ausreichend." Tatsächlich finden sich in einer Vorschlagsliste von Tacheles  zahlreiche Aspekte, auf welche Weise besonders verwundbare Gruppen nun von der Krise bedroht sind - und wie ihnen schnell geholfen werden könnte, durch Zuwendungen oder manchmal schlicht dem Streichen von Verwaltungsvorschriften.

Außerordentlich hart betroffen sind laut Thomé außer Sozialleistungsempfängern, Künstlern oder Freiberuflern, die noch mehr Hilfe als geplant benötigten, "natürlich auch EU-Bürger ohne Rechtsanspruch auf Sozialleistungen, Prostituierte, Obdachlose und Geflüchtete ohne Aufenthaltstitel". Angesichts des Lockdowns bräuchten Hartz-IV-Bezieher "eine Corona-Einmalzahlung von 500 Euro pro Haushalt plus 250 Euro pro Person, da sie es wesentlich schwerer haben, sich derzeit angemessen zu versorgen", sagt Thomé.

beb/fdi/dpa/Reuters