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Nach dem Ende der Welt

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Syke - Von Jan-Paul Koopmann. Dass Robert Kirkman zu den berühmtesten Comicautoren unserer Zeit zählt, liegt paradoxerweise am Fernsehen. Und das gar nicht mal unbedingt, weil sein Zombieepos „The Walking Dead“ in bald zehn Staffeln so erfolgreich verfilmt wurde. Nein, schon Kirkmans Stil ist viel mehr am Film geschult als am Comic – selbst die Stoffe kommen aus dem Kino.

Kirkmans Zombies sind etwa mitsamt ihres sozialkritischen Subtexts aus George A. Romeros Filmen hinübergeschlurft, seine jüngere Comicserie „Outcast“ (ebenfalls verfilmt) beginnt unübersehbar als Hommage an William Friedkins Horrorklassiker „Der Exorzist“. 

Es ist jedenfalls kein Wunder, dass sich Filmemacher und Sender auf jeden neuen Kirkman-Comic stürzen, weil der Film dann ja eigentlich schon fertig ist. Diese ästhetische Nähe rechnet sich auch wirtschaftlich für beide Seiten: Über den TV-Erfolg von „The Walking Dead“ wurden die Comics in rund 40 Sprachen übersetzt, die deutsche Ausgabe erscheint bereits seit 2006 beim Cross Cult Verlag.

Umso überraschender kam diesen Sommer das Ende von „The Walking Dead“. Einen knappen Tag vor Erscheinen der Juliausgabe verkündet Kirkman das Aus der Serie nach 15 Jahren und 193 Folgen – weil die Geschichte zu ihrem natürlichen Ende gefunden habe. Und das ist glaubwürdig, auch wenn ihm das ewige Sozialdrama plus laufenden Leichen insgeheim vielleicht auch ein bisschen langweilig geworden ist.

Tatsächlich hat Kirkman in den vergangenen Jahren begonnen, noch deutlich abgedrehtere Welten zu bespielen. Ebenfalls bei Cross Cult erscheint etwa die Science-Fiction-Reihe „Oblivion Song“. Hier geht es um die Folgen einer Katastrophe, während der die Hälfte Philadelphias gegen eine fremdartige und monsterverseuchte Dimension ausgetauscht wurde.

Also: Menschen sind weg, dafür Monster da. Zeichner Lorenzo De Felici entwirft die herrlich-gefährliche Flora und Fauna der Anderswelt – und Kreaturen, die äußerlich zwar H.P. Lovecrafts Cosmic Horror zitieren, sich dann aber als ein fremdes, doch recht weltliches Ökosystem erweisen. Dazu kommt Kirkmans zigfach unter Beweis gestelltes Händchen für komplexe Charakterentwicklung. Klar ist das gut – und genauso klar ist, dass auch hier die Verfilmung bereits angekündigt ist, diesmal für das Kino.

Doch so spektakulär die Aliensache auch aussieht, viel wichtiger ist das Porträt der zutiefst verletzten und beschädigten Gesellschaft. Da sind Menschen, die Freunde und Familie verloren haben, die irgendwann die Rettungsversuche abgebrochen und ihren Vermissten ein Denkmal errichtet haben. Das folgt einer alten Science-Fiction-Tradtion, hat aber nicht zufällig erst seit „9/11“ wieder Konjunktur. Und so weit ist es auch gar nicht entfernt von „The Walking Dead“, wo das Übernatürliche angesichts echtmenschlicher Grässlichkeiten immer weiter in den Hintergrund gerückt ist. Kurzum: Kirkmans Geschichten kommen auch ohne „The Walking Dead“ aufs Papier. Schade um die Zombies ist es trotzdem.

Lesen

Robert Kirkman, Lorenzo De Felici, Annalisa Leoni: Oblivion Song, 2 Bd., Cross Cult, je 144 Seiten Hardcover, 22 Euro

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