Mit dieser Bundestagswahl hat die deutsche Parteienlandschaft beachtliche Verschiebungen erlebt. Konnten die Parteien bei der Wahl 2017 noch rund 66 Prozent ihrer jeweiligen Wählerinnen und Wähler halten, lag diese Haltequote in diesem Jahr bei nur noch 59 Prozent. Das geht aus Zahlen der Wählerwanderung von Infratest dimap für die ARD hervor.

Die Unionsparteien verloren mit ihrem Spitzenkandidaten Armin Laschet in saldo rund 3,3 Millionen Wählerinnen und Wähler an die Parteienkonkurrenz. Zwei große Wählerströme stehen für die Niederlage von CDU und CSU: Rund zwei Millionen Unionswähler der Wahl 2017 gaben diesmal ihre Zweitstimme der SPD. Eine Million weitere Wählende ließ sich von der Klimapolitik der Grünen überzeugen und wanderte zur Partei von Annalena Baerbock ab. Außerdem gaben ehemalige Unionswählende ihre Stimme an Parteien, die im neuen Bundestag nicht vertreten sein werden: Eine Vielzahl dieser 590.000 Unionsstimmen dürften die Freien Wähler eingesammelt haben, die es aber mit 2,4 Prozent nicht ins Parlament geschafft haben. 

Beim knappen Wahlsieg der SPD profitierte diese von Zuwanderungen aus fast allen Lagern. Rund 820.000 ehemalige Wählerinnen und Wähler der Linkspartei wechselten ins Lager von Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Dazu kamen noch 1,2 Millionen bisherige Nichtwähler. Während die Sozialdemokraten rund 420.000 AfD-Wähler für sich gewinnen konnten, büßten sie lediglich an die Grünen ein (700.000 Stimmen).

Auch wenn das Abschneiden der Grünen deutlich hinter den ursprünglichen Kanzleramtszielen zurückblieb: Sie haben per saldo sämtlichen Parteien Wählerstimmen abgejagt und auch eine halbe Million ehemalige Nichtwähler von ihrer Politik überzeugen können.

Die Schwäche der Konservativen kam traditionell der FDP zugute, die viele Stimmen aus dem Unionslager gewann. Die Liberalen geben jedoch an SPD, Grüne und das Lager der Nichtwähler beinahe ebenso viele Wähler ab, wie sie von Union, der AfD und der Linken gewinnen können.

Die AfD musste feststellen, dass sie im Bund nicht über die Stammwählerschaft hinauswachsen kann. Zwar konnten die Rechtspopulisten ihr zweistelliges Ergebnis von 2017 behaupten, doch zeigen sich am Fundament Erosionen. In saldo hat die AfD an alle Parteien Wählerinnen und Wähler abgegeben. Nur bei der Linkspartei zeigt sich auf dem Wählerstromkonto ein kleines Plus.

Menschen, die erstmals bei einer Bundestagswahl wahlberechtigt waren, präferierten in diesem Jahr die Liberalen und die Grünen. Ernüchternd ist jedoch, dass rund 34 Prozent der Erstwähler von ihrem Recht keinen Gebrauch gemacht haben und nicht zur Abstimmung gegangen sind.