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Zweiter Weltkrieg Hitlers letzter Geburtstag

„Für den Endkampf steht Ihre Jugend bereit!“

Am 20. April 1945 umfasste das einst riesige Dritte Reich nur noch wenig mehr als die Reichshauptstadt Berlin. Der „Führer und Reichskanzler“ wurde 56 Jahre alt, und die Paladine kamen zum Gratulieren.
Leitender Redakteur Geschichte
„Der Untergang“

„Der Untergang“ basiert vor allem auf dem gleichnamigen Werk des Historikers Joachim Fest und den Erinnerungen von Hitlers damals 25-jähriger Privatsekretärin Traudl Junge. 2005 wurde der Film für einen Oscar nominiert.

Quelle: Constantin Film

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In seinen Geburtstag hineinfeiern mochte der Jubilar nicht. Und das, obwohl er stets bis lange nach Mitternacht aufblieb, oft hinein ins Morgengrauen und gern mit seinem engsten Kreis zusammensaß. In der Nacht vom 19. auf den 20. April 1945 aber war das anders.

Im Vorraum zu Hitlers Arbeitszimmer im Führerbunker in Berlin hatten sich, auf gerade einmal gut zehn Quadratmetern, seine engsten Mitarbeiter versammelt: General Wilhelm Burgdorf und Hermann Fegelein, die höchsten Verbindungsoffiziere von Wehrmacht und Waffen-SS; Julius Schaub, der Chefadjutant; Alwin-Broder Albrecht und Otto Günsche, zwei weitere persönliche Adjutanten; Walter Hewel, der Verbindungsmann zum Auswärtigen Amt; schließlich der Stenograf Heinz Lorenz.

Hitlers Arbeitszimmer in einem Modell des Führerbunkers in der Berliner Ausstellung „Hitler – wie konnte es geschehen?“
Hitlers Arbeitszimmer im Führerbunker in einem Modell der Filmarchitektin Monika Bauert in der Ausstellung "Hitler - Wie konnte es geschehen" in Berlin
Quelle: picture alliance / dpa

Freilich wollte Hitler die mitternächtlichen Gratulanten nicht sehen. Er saß in seinem mit ebenfalls rund zehn Quadratmeter nicht nur für seine Verhältnisse kleinen Arbeitszimmer mit Hans-Ulrich Rudel zusammen, dem Schlachtflieger und höchstdekorierten Soldaten der Wehrmacht.

Erst als Eva Braun Hitler bat, die Glückwünsche seiner Getreuen entgegenzunehmen, kam er heraus. Nach den Erinnerungen der drei Überlebenden unter den Gratulanten, Schaub, Günsche und Lorenz, fiel bei Hitlers widerwilligem Auftauchen dessen erschlafftes, ausdrucksloses Gesicht auf.

Gegen ein Uhr morgens verabschiedete sich Rudel. Nun kamen noch weitere Gratulanten, darunter Hitlers persönlicher Pilot Hans Baur und drei Mitglieder von Hitlers Personenschutz. Hitler ließ sich kurz über die Lage informieren und ging dann in sein Arbeitszimmer zurück, um nur mit Eva Braun Tee zu trinken.

THE DOWNFALL, (aka DER UNTERGANG), Bruno Ganz, Heino Ferch, 2004, (c) Newmarket/courtesy Everett Collection | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Szene aus Oliver Hirschbiegels Film "Der Untergang" (2004): Bruno Ganz als Adolf Hitler und Heino Ferch als Albert Speer
Quelle: picture alliance / Everett Colle

Irgendwann zog er sich in sein Schlafzimmer zurück, in dem ein Einzelbett stand, außerdem ein Safe und eine Sauerstoffflasche. Eva Braun ging in ihr Schlafzimmer, in das sie einige Möbel aus ihrer Zimmerflucht im Wohntrakt der Reichskanzlei hatte heruntertragen lassen. So begann der 56. und letzte Geburtstag von Adolf Hitler, Reichskanzler, „Führer“ und Chef der NSDAP.

Schon um neun Uhr an diesem Freitag (und damit vier Stunden früher als üblich) kam Hitlers Leibdiener Heinz Linge ins Schlafzimmer des „Führers“ und weckte ihn. Denn bei Forst im südöstlichen Brandenburg waren Truppen der 1. Ukrainischen Front durch die deutschen Linien gebrochen und rollten nun Richtung Potsdam. General Burgdorf hatte dringend gebeten, den „Führer“ darüber sofort zu informieren.

Doch der Oberste Kriegsherr war unleidlich: „Linge, ich habe noch nicht geschlafen“, sagte er nach der Erinnerung seines Dieners: „Wecken Sie mich eine Stunde später, um zwei Uhr“ – also eine Stunde später als sonst.

Berlin Mitte, Blick auf das zerstörte Gebäude der Reichskanzlei, Ruine, Schutt | Verwendung weltweit
Blick auf die zerstörte Einfahrt zur Neuen Reichskanzlei in Berlin
Quelle: picture alliance / arkivi

Etwa um diese Zeit frühstückte Hitler, nun begann sein Tag. Inzwischen war nahezu die gesamte Führung des Dritten Reiches und der Wehrmacht eingetroffen, um dem immer noch bewunderten (und gefürchteten) „Führer“ Glückwünsche zum Geburtstag zu überbringen.

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Zum Beispiel Albert Speer, der Lieblingsarchitekt und Rüstungsminister. Oder Hermann Göring, der in der Gunst tief gesunkene designierte Nachfolger. Joseph Goebbels, der fanatische Anhänger und Propagandist, der schon auf der anderen Seite des Führerbunkers ein kleines Zimmer bezogen hatte. Natürlich auch Heinrich Himmler, der SS-Chef, der längst insgeheim Verhandlungsfühler ausgestreckt hatte in der irrigen Annahme, er könnte in einem künftigen Deutschland noch eine Rolle spielen.

Unter den Militärs ragte Wilhelm Keitel hervor, der stets übertrieben folgsame Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, dem selbstbewusste Offiziere schon vor Langem den Spitznamen „Lakeitel“ verpasst hatten, weil sie seine Unterwürfigkeit verabscheuten. Hitlers engster militärischer Berater Alfred Jodl, der stets den Willen seines „Chefs“ nach unten weitergegeben hatte. Aber auch Karl Dönitz, der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, den Hitler als Nachfolger ausersehen hatte.

Berlin, Neue Reichskanzlei (1938 erbaut von Albert Speer). Innenansicht der kriegszerstörten Reichskanzlei nach der Eroberung Berlins durch die Rote Armee: Blick in das Arbeitszimmer Hitlers; links Reste seines Schreibtisches. Foto, 10. Juli 1945. |
Hitlers Arbeitszimmer in der Neuen Reichskanzlei kurz nach Kriegsende
Quelle: picture alliance / akg-images

Erstaunlicherweise sind die genauen Abläufen an diesem Nachmittag nicht verlässlich zu rekonstruieren – nicht weil es zu wenig Aussagen und Erinnerungen daran gäbe, sondern zu viele unterschiedliche. So meinte Hitlers eine persönliche Sekretärin Christa Schroeder, die Gratulationscour habe am Vormittag stattgefunden, ihre Kollegin Traudl Junge erinnerte sich an den Nachmittag.

Nach der einen Aussage fanden sich alle offiziellen Gratulanten im Gang des Führerbunkers ein – doch der maß gerade einmal 25 Quadratmeter: Wenig Platz für mindestens 17 Besucher, zu denen noch die unvermeidlichen Adjutanten und Diener kamen. Und Eva Braun.

Fand der Empfang also im (noch) nur leicht beschädigten, 390 Quadratmeter großen Arbeitszimmer in der Neuen Reichskanzlei statt? Auch das sagten manche Augenzeugen aus, während andere gar keinen genauen Ort benannten. Offenbar waren die Ereignisse jener letzten Tage des Dritten Reiches so belastend, dass die Wahrnehmung ungenau wurde.

5-B1-G20-1945-3 (57439) Hitlers Arbeitszimmer n.Einnahme Berlins Berlin, Neue Reichskanzlei (1938 erbaut von Albert Speer). - Hitlers Arbeitszimmer nach der Einnahme Berlins durch sowjetische Truppen. - Foto, 1945. E: Reichschancellery/ 1945 Berlin, New Reichschancellery, (Built 1938, by Albert Speer.) - Hitler's work room after the capture of Berlin by Soviet troops. - Photo, 1945. |
Wie stark beschädigt Hitlers Arbeitszimmer am 20. April 1945 genau war, ist nicht zuverlässig überliefert
Quelle: picture alliance / akg-images

Suchte Hitler an diesem Freitagnachmittag das große Lazarett im Keller der riesigen, schon halb zerschossenen Residenz auf? Oder tat er just das nicht? Immerhin flogen sowjetische Schlachtflugzeuge fortwährend Angriffe auf das Stadtzentrum.

Einigermaßen sicher ist immerhin, dass gegen 17 Uhr im Garten der Reichskanzlei die letzte Inszenierung des Dritten Reiches stattfand: Reichsjugendführer Arthur Axmann hatte etwa 20 Hitlerjungs mitgebracht, dazu kamen einige jüngere Wehrmachts- und Waffen-SS-Offiziere.

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Ein Fotograf war ebenso wenig anwesend wie ein Kameramann; die oft auf den 20. April 1945 datierten Aufnahmen Hitlers beim Abschreiten einer Front von Kindersoldaten entstanden in Wirklichkeit viereinhalb Wochen früher, am 20. März 1945.

Das Archivbild vom 20.04.1945 ist eine der letzten Aufnahmen von Adolf Hitler: An seinem Geburtstag zeichnet er Mitglieder der Berliner Hitler-Jugend aus, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Volkssturmeinheiten zusammengefaßt wurden. Als "völlig erledigter, gebrochener Mann" ist Hitler eine Woche vor seinem Selbstmord dem deutschen General Gottlieb Berger erschienen. Berger wurde nach dem Krieg vom britischen Geheimdienst MI5 zu seinem Treffen mit Hitler im Berliner Führerbunker am 22.04.1945 befragt. Die bisher geheime Mitschrift der Vernehmung wird am Donnerstag (20.04.2000) vom britischen Staatsarchiv in London freigegeben. (Sperrfrist 20. April 0105) dpa (zu dpa 0395 am 19.04.2000) |
Dieses Bild wird oft auf den 20. April 1945 datiert. Tatsächlich schritt Hitler diese Formation bereits am 20. März ab
Quelle: picture-alliance / dpa
THE DOWNFALL, (aka DER UNTERGANG), Bruno Ganz, 2004, (c) Newmarket/courtesy Everett Collection | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Die Szene in dem Film "Der Untergang"
Quelle: picture alliance / Everett Colle

Axmann meldete: „Für den Endkampf steht Ihre Jugend bereit!“ Die angetretenen Hitlerjungs waren alle in den Kämpfen östlich von Berlin mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden, auch der 16-jährige Armin Lehmann. Der Oberste Kriegsherr sprach ihn an: „Wo hast du gekämpft?“ Die Antwort – vor Berlin – quittierte er mit dem Hinweis an den Reichsjugendführer: „Wieder ein mutiger Junge.“

Nach 20 Minuten war die Inspektion vorüber. Hitler verabschiedete sich mit den Worten: „Darauf kommt es an – mit eisernem Willen durchzuhalten!“ Dann machte er sich zurück auf den Weg in den Bunker. Dabei begegnete er seinem persönlichen Zahnarzt Hugo Blaschke, der im Sanitätsraum sogar über eine kleine dentistische Station verfügte.

„Blaschke“, sagte Hitler, „es sind schwere Zeiten.“ Und dann fügte er hinzu: „Wir werden uns schon durchsetzen.“ Was ihn zu diesem Urteil brachte, verstand der Zahnmediziner nicht. Und es hätte wohl auch sonst niemand verstanden. Es war nicht zu verstehen.

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Dieser Artikel wurde erstmals im April 2020 veröffentlicht.

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