Die Bundesregierung verweigert seit Jahren eine klimafreundlichere Verkehrspolitik. Das geht aus aktuellen Zahlen des Bundesverkehrsministeriums hervor. So stiegen etwa die Kosten für Zugfahrten seit 2009 deutlich stärker an als die Kosten für die Nutzung von Pkw. Auch die Investitionen des Bundes in Straßen lagen in diesem Zeitraum weit über denen in das Schienennetz. In der Folge blieb eine Verkehrswende aus: Noch immer wird ein Großteil der Strecken auf der Straße zurückgelegt, der Anteil des Verkehrs am gesamten CO2-Ausstoß in Deutschland ist seit 2009 gewachsen.

Die Daten stammen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünenbundestagsfraktion, die ZEIT ONLINE vorliegt. Die Grünen hatten nach einer Vielzahl von Daten zur Verkehrspolitik seit 2009 gefragt. Seither stellt die CSU den Bundesverkehrsminister. Die aktuellen Diskussionen um den Klimaschutz in Deutschland erhalten durch die Zahlen neue Nahrung. Denn sie zeigen: Die Bundesregierung droht die eigenen Klimaschutzziele im Verkehr weit zu verfehlen.

Die Daten der Bundesregierung zeigen etwa, wie unterschiedlich sich die Kosten der verschiedenen Verkehrsmittel seit 2009 entwickeln. Während die Nutzung des Pkw heute um 12,3 Prozent teurer ist als 2009, stiegen zeitgleich die Preise für die Nutzung des Fernverkehrs der Bahn um 18,8 Prozent. Die Kosten für innerdeutsche Flüge stiegen um 23,2 Prozent und damit am stärksten. Allerdings zogen die Kosten hier sprunghaft an, nachdem 2011 die Luftverkehrssteuer eingeführt worden war. Seither blieben die Kosten für Flüge nahezu stabil und es stiegen fast ausschließlich die Preise für Bahntickets. Die Nutzungskosten für Pkw blieben in den vergangenen Jahren dagegen ebenfalls halbwegs konstant. Tickets für innerdeutsche Flüge wurden im vergangenen Jahr sogar wieder günstiger.

Schaut man sich die seit Jahren geltenden Steuerermäßigungen an, die für herkömmliche Antriebsmittel wie Diesel oder Kerosin gelten, könnte dort eine Erklärung für die unterschiedlichen Preisentwicklungen liegen. In ihrer Antwort auf die Anfrage teilte die Bundesregierung nun die Größenordnung dieser Steuererleichterungen mit: Durch die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer nur auf innerdeutschen Flügen entgingen dem deutschen Staat seit 2009 insgesamt rund 5,7 Milliarden Euro. Auch Diesel, dessen Image als klimaschonender Kraftstoff durch die Skandale der vergangenen Jahre gelitten hat, wird weiterhin steuerlich bevorteilt. Würde der Staat auf Diesel dieselbe Energiesteuer anwenden wie auf Benzin, hätte er seit 2009 rund 76,5 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen. Allein im vergangenen Jahr hätte er über acht Milliarden Euro mehr kassiert.

Eine weitere Erklärung könnte die Investition der Bundesregierung in die Infrastruktur sein. Denn seit 2009 investierte die Regierung in jedem Jahr deutlich mehr Mittel in den Erhalt und Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen als in das Schienennetz. Auch im vergangenen Jahr flossen etwa 7,7 Milliarden Euro des Bundes in Autobahnen und Bundesstraßen, nur 5,8 Milliarden Euro ins Schienennetz. Zwischen 2009 und 2017 wurden mit diesen Mitteln 958 Kilometer Bundesautobahnen sowie 267 Kilometer Bundesstraßen neu gebaut oder erweitert. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum wurden 688 Kilometer Gleisstrecken eingeweiht. Auf 91 Kilometern wurde gleichzeitig der Bahnbetrieb eingestellt.

Bei der Beförderung von Personen blieb der Anteil der Bahn seit 2009 nahezu identisch. 8,3 Prozent der zurückgelegten Distanz im Personenverkehr entfielen im vergangenen Jahr auf die Bahn (99,7 Milliarden Kilometer). Das ist nur wenig mehr als 2009. Damals wurden 7,4 Prozent der Strecken auf der Schiene zurückgelegt (82,3 Milliarden Kilometer). Der Anteil der Straße hingegen lag im vergangenen Jahr bei 85,8 Prozent (1.027,3 Milliarden Kilometer), 2009 lag er noch bei 87,4 Prozent (977,3 Milliarden Kilometer). Auf den Flugverkehr entfielen im innerdeutschen Verkehr im vergangenen Jahr 5,9 Prozent (70,4 Milliarden Kilometer). 2009 lag der Anteil noch bei 5,2 Prozent (58,4 Milliarden Kilometer). Auch der Güterverkehr fließt zum größten Teil noch immer auf der Straße. Das Verkehrsaufkommen in Deutschland ist in den vergangen zehn Jahren deutlich gewachsen. Der Mix der Verkehrsmittel aber blieb nahezu unverändert.

In der Folge ist der Anteil der CO2-Emissionen durch den Verkehr am Gesamtausstoß in Deutschland seit 2009 noch einmal gestiegen. Insgesamt beträgt er fast ein Fünftel des gesamten CO2-Ausstoßes. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen des Verkehrs in Deutschland eigentlich um mindestens 40 Prozent niedriger sein, als sie es 1990 waren, so steht es im Klimaschutzplan, den die Bundesregierung selbst beschlossen hat. Im Jahr 1990 lag der CO2-Ausstoß des Verkehrs bei 163 Millionen Tonnen. Die Werte der Bundesregierung zeigen nun: Die Verkehrsemissionen sind seitdem nicht gesunken, sondern gestiegen. Auf 166,2 Millionen Tonnen im Jahr 2017.

Ein "klimapolitisches Straßenbaumoratorium", fordert daher Stephan Kühn, der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. "Straßen sollen nur noch gebaut werden, wenn sie die CO2-Emissionen nicht noch weiter nach oben treiben", sagt Kühn. "Dass Deutschland seine Klimaschutzziele im Verkehrssektor reißen wird, hat einen Grund und der heißt CSU", sagt sein Kollege Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen. Schließlich sei das Bundesverkehrsministerium seit 2009 von CSU-Ministern geführt worden. "Wir brauchen dringend ein Klimaschutzgesetz, das die Verkehrswende fördert", sagt Kindler.